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Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft

Zur Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft in der südvietnamesischen Stadt Ho Chi Minh City ein Interview mit dem Chef des Technologiekonzerns Voith und Vorsitzenden des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Dr. Hubert Lienhard.

21.11.2014
© dpa/Photoshot
Herr Dr. Lienhard, Sie sind seit Anfang 2014 Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses (APA) der Deutschen Wirtschaft.  Welche Themen stehen jetzt bei der Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft (APK) in Vietnam ganz oben auf der Agenda?
Wir haben für die diesjährige Konferenz das Motto „Understanding Trends and Perspectives in the Asia-Pacific Region“ gewählt. Wir wollen verstehen, was die Region bewegt und mit unseren asiatischen Partnern diskutieren. Dazu gehören etwa die Offenheit für Investitionen aus dem Ausland, die Finanzierung expandierender Geschäftsmodelle, Chancen im Gesundheitssektor oder „Industrie 4.0“, längst kein rein deutsches Thema mehr. Die Digitalisierung der Industrie beschäftigt Unternehmen weltweit. Wir werden bei dieser Konferenz auch über den Mangel an qualifiziertem Personal für wirtschaftliche Schlüsselbereiche sprechen, mit dem sich deutsche Unternehmen in Asien in zunehmendem Maße konfrontiert sehen und uns mit einer Einschätzung außen- und sicherheitspolitischer Fragen beschäftigen.
 
Ist die Wahl des Standortes Vietnam auch Ausdruck einer Verschiebung des Blickwinkels auf die ASEAN-Länder, die sich zum vierten großen Wirtschaftsblock nach Japan, China und Indien in der Region entwickeln?
Die APK hat sich nie auf ein Land oder eine Region in Asien beschränkt. Es ging immer um die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und dem gesamten asiatisch-pazifischen Raum. Es fügt sich aber sehr gut, dass die APK 2014 gerade dann in Vietnam stattfindet, wenn die ASEAN-Region sich zu einem stärker integrierten Wirtschaftsblock entwickelt und ab Ende 2015 die „ASEAN Economic Community“ startet. Die ASEAN-Gruppe weist mit über 620 Millionen Menschen die drittgrößte Bevölkerung der Erde auf und steht mit einer Gesamtwirtschaftskraft von ca. 1,87 Billionen Euro weltweit an siebter Stelle. In den vergangenen Jahren gehörten einige ASEAN-Länder zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften. 
 
Natürlich müssen wir hier auch den Reformerbedarf im Bildungs- und Investitionsbereich ansprechen. Denn es ist vor allem diese junge Bevölkerung, die die Region attraktiv macht und großes Entwicklungspotenzial birgt.
 
Die EU ist einer der wichtigsten Handelspartner der ASEAN und der größte Direktinvestor in der Region. Der Generalsekretär der ASEAN, Le Luong Minh, forderte schon vor längerer Zeit ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und ASEAN. Wie sehen Sie mittelfristig die wirtschaftliche Entwicklung zwischen Deutschland, der EU und ASEAN?
Es ist unser Ziel, ein Freihandelsabkommen mit der gesamten ASEAN-Gruppe abzuschließen, denn ein solches würde viele Handelshemmnisse beseitigen und den wirtschaftlichen Austausch der Regionen unterstützen. Die Ungleichheiten zwischen den ASEAN-Staaten machen es jedoch mitunter schwer, sich auf Vereinbarungen zu einigen. Denn diese dürfen die schwächeren ASEAN-Mitglieder nicht überfordern und für die EU-Staaten nicht zu unambitioniert sein. Vor diesem Hintergrund ist die EU-Kommission dazu übergegangen, zunächst den Abschluss von Abkommen mit einzelnen ASEAN-Staaten anzustreben, die aber langfristig in ein einziges, umfassendes EU-ASEAN-Abkommen übergehen sollen. Der Vertrag mit Singapur ist bereits unterzeichnet und beweist, dass vollständige Marktöffnung zwischen der EU und einem ASEAN-Land möglich ist. Die bilateralen Abkommen werden sicher zur Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen beitragen.
 
Viele ASEAN-Staaten haben einen hohen Modernisierungsbedarf, etwa bei den Verkehrswegen und den städtischen Versorgungssystemen oder bei der Errichtung effizienter Produktions- und Fertigungsanlagen. Daneben sind in der Region auch alternative Energiequellen und die Steigerung der Energieeffizienz wichtige Anliegen. Hier haben deutsche Unternehmen sehr viel zu bieten und können an diesem Bedarf partizipieren. Allerdings sollte dabei nicht übersehen werden, dass auch viele ostasiatische Unternehmen dabei sind, den ASEAN-Raum systematisch für sich zu erschließen. Hier gilt es, keine Zeit zu verlieren. Wer künftig nicht in Asien zu Hause ist, wird im internationalen Vergleich unbedeutend sein. Hieraus ergibt sich eine klare Aufgabe, die Politik und Wirtschaft nur gemeinsam gestalten können: Das Wachstum in Asien zu nutzen, ohne jedoch den Standort Deutschland zu schwächen.
 
Myanmar ist in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Die Philippinen erleben einen Aufschwung. Welche ASEAN-Länder stehen für die deutsche Wirtschaft besonders im Blickpunkt?
Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und den einzelnen ASEAN-Ländern sind sehr unterschiedlich. Was die Handelsvolumina betrifft, stehen immer noch Singapur und Malaysia an der Spitze. Hier hat sich die Zusammenarbeit zunehmend auf Spezial- und Hightech-Branchen verlagert. Traditionell sind auch die wirtschaftlichen Beziehungen zu Thailand eng, vor allem in der industriellen Fertigung. Die Attraktivität des Standorts Thailand hängt selbstverständlich von den politischen Entwicklungen des Landes ab. Großes Interesse richtet sich auch auf Indonesien, dem größten Staat der ASEAN-Gruppe. Hier ist vor allem der lukrative Konsumentenmarkt attraktiv. Allerdings hängt auch Indonesiens wirtschaftliche Entwicklung von der politischen Richtung ab, in die sich das Land entwickelt. Dieses Jahr haben Wahlen stattgefunden, Indonesien bekommt einen neuen Präsidenten. Nun  muss abgewartet werden, in welchem Maß Reformen durchgeführt werden. Auch die Philippinen bieten sich als Wirtschaftspartner an. Inzwischen lagern zahlreiche deutsche Unternehmen ihre IT-Geschäftsprozesse dorthin aus. Die philippinische Regierung wirbt hier offensiv um Investoren, ebenso wie Myanmar, auf dessen Markt sich deutsche Unternehmen noch etwas vorsichtig umsehen. Für deutsche Unternehmen ist es ein Gewinn, den vielseitigen ASEAN-Raum in seiner gesamten Bandbreite zu analysieren, etwa um passende Standorte und Betätigungsfelder zu entdecken. Dabei ist es wichtig, auch kleinere Länder mit Entwicklungspotential wie Brunei, Kambodscha und Laos zu berücksichtigen. Denn diese können Chancen für neue Geschäfte bieten. 
 
Le Luong Minh kommt aus Vietnam. Die Asien-Pazifik-Konferenz findet in Vietnam statt. Ihr Unternehmen Voith unterhält eine Dependance in Vietnam. Welche besondere Rolle spielt Vietnam für die deutsche Wirtschaft?
Deutschland ist der mit großem Abstand wichtigste Handelspartner Vietnams in Europa. Die Nachfrage nach anspruchsvolleren Fertigungsanlagen aus deutscher Produktion ist hoch. Zudem bestehen seit langem enge Verbindungen zwischen Vietnam und Deutschland, durch familiäre Bindungen, nicht zuletzt durch Zuwanderung. Vietnam hat gute Chancen, zu einem bemerkenswerten Industrieland aufzusteigen. Deutsche Technologie und deutsches Know-how können hier positive Impulse geben. Bestehende Projekte sind etwa die Deutsch-Vietnamesische Universität oder der Bau einer U-Bahn-Linie in Ho-Chi-Minh-Stadt von einem deutschen Firmenkonsortium. Der bevorstehende Abschluss eines EU-Vietnam-Freihandelsabkommens könnte sich weiter positiv auf den wirtschaftlichen Austausch auswirken.   
 
Nach den Vorstandsvorsitzenden von Siemens und BASF steht mit Ihnen erstmals der Chef eines Familienunternehmens an der Spitze des APA. Ändert das den Blickwinkel? Oder: Welche besonderen Interessen verfolgen Sie in Richtung Asien?
Der APA versteht sich als Plattform für die Interessen der gesamten deutschen Wirtschaft in Asien. Der APA ist Vermittler, Übersetzer, Unterstützer und Berater. Diesem Anspruch versuchen wir gerecht zu werden, indem wir die Belange von kleineren, mittleren und Großunternehmen berücksichtigen. Gerade der Mittelstand und kleinere Unternehmen haben oft einen besonderen Bedarf an Unterstützung. Wir versuchen daher, auch unsere asiatischen Gesprächspartner für die spezifischen Anliegen kleiner und mittlerer Unternehmen zu sensibilisieren. Gleichzeitig ist es dem APA ein Anliegen, auch unseren asiatischen Partnern als Stimme zu dienen. Denn die Verwurzelung deutscher Unternehmen in Asien sollte keine Einbahnstraße sein. Es ist in unserem Interesse, dass asiatische Unternehmen auch bei uns heimisch werden. Der APA setzt sich deshalb dafür ein, eine Willkommenskultur in Deutschland zu unterstützen und sich für Erleichterung von Visa- und Arbeitsgenehmigungen einzusetzen. Wir fördern die Offenheit Deutschlands für Investitionen aus ganz Asien und regen die bessere Vernetzung der in Deutschland niedergelassenen Unternehmen aus Asien mit der heimischen Wirtschaft an. Unternehmen, die in Deutschland oder Asien Werte schaffen, haben die gleiche Freiheit verdient - unabhängig vom Sitz ihres Mutterhauses. Die deutsche Wirtschaft trägt hier nicht nur dazu bei, dass sich die Volkswirtschaften in Asien nachhaltig entwickeln, sie profitiert auch hiervon. Wichtige Ziele meiner Tätigkeit als APA Vorsitzender sind daher die Förderung von Partnerschaft, Gleichberechtigung und nachhaltiger Entwicklung in und mit Asien.
 
14. Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft vom 20. bis 22. November 2014 in Ho-Chi-Minh-Stadt
 
 
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