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„Humanoide kommen eher aus Japan, aber...“

Das Augsburger Unternehmen Kuka gehört weltweit zu den führenden Anbietern von Industrierobotern. Ein Interview mit Dr. Rainer Bischoff, Leiter der Technologieentwicklung, über neue Anwendungsbereiche, kulturelle Unterschiede und Chancen der Digitalisierung.

22.12.2014
© KUKA - Dr. Rainer Bischoff

Herr Dr. Bischoff, Kuka teilt sich mit zwei japanischen Anbietern die Weltmarktführerschaft bei Industrierobotern. Wo liegen die Stärken von Kuka im Vergleich zu den japanischen Wettbewerbern?

Unser Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren hervorragend entwickelt. Kuka hat langjährige Erfahrung mit Industriekunden und deren Anforderungen. Basierend auf Technologie, Innovation und Qualität sind wir in vielen Branchen der Automatisierung weltweit zu Hause. Die meisten kennen uns, oder zumindest unsere Roboter und Anlagen, aus der Automobilindustrie. Wenn Sie schon einmal bei einem deutschen Premiumhersteller in der Fertigung waren, dann haben Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Kuka-Roboter gesehen. Denn wir sind führend in der Automobilindustrie. Längst sind unsere Kompetenzen aber auch bei Kunden außerhalb der Automobilindustrie gefragt. Wir nennen diese Branchen General Industry. In Branchen wie dem Flugzeugbau, der Elektronikindustrie oder dem Werkzeugmaschinenbereich werden unsere Produkte immer mehr eingesetzt. Dabei bieten wir unseren Kunden von der Komponente, dem Industrieroboter, über die Zelle bis hin zur Anlage alles, was er für die Automatisierung braucht. Wir verfügen weltweit über ein großes Netz an Vertriebs-, Service- und Produktionseinheiten, das unsere Kunden zu schätzen wissen.

Neben Industrierobotern bieten Sie seit neuestem auch Roboter für Kreuzfahrtschiffe, Schaufenster oder die Filmindustrie an. Welche Strategie verbirgt sich dahinter?

Wir wollen Kuka breiter aufstellen und zeigen, dass roboterbasierte Automatisierung in vielen verschiedenen Bereichen möglich ist. Wir können dadurch die Marke Kuka bekannter machen und einer breiten Öffentlichkeit vorstellen. So erreichen wir auch Kunden, die nicht in einer der klassischen Automatisierungsbranchen zuhause sind. Außerdem haben wir mit dem „LBR iiwa“ den ersten und einzigen sensitiven Leichtbauroboter für die industrielle Fertigung entwickelt, der die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine ohne Schutzzäune ermöglicht. So ein Roboter bietet natürlich auch Möglichkeiten für ganz neue, wie von Ihnen beschriebene Möglichkeiten in anderen Branchen.

Japan gilt als das Heimatland der Roboter. Kuka ist seit 2007 in Tokyo vertreten. Wie erfolgreich sind Sie auf dem japanischen Markt?

Wir behaupten uns ganz gut. Aber natürlich sind wir dort lange nicht so stark wie in Europa. Natürlich haben die heimischen Hersteller dort einen Vorteil. Kuka kann auf dem japanischen Markt mit High-Tech-Produkten punkten, beispielsweise mit Robotern, die sehr genau und schnell sind, oder mit Robotern, die in der Medizintechnik zum Einsatz kommen, beispielsweise in der Strahlentherapie.

Japan will den Markt für Roboter massiv ausbauen und setzt vor allem auf Dienstleistungsroboter. Was haben Sie in dieser Hinsicht zu bieten?

Im Bereich Entertainment bieten wir schon Roboter an, die Menschen durch die Luft wirbeln und so ein unvergessliches Erlebnis bereiten – die Fahrgäste wissen nie, mit welcher Bewegung sie der Kuka-Roboter im nächsten Moment überrascht. Auch aus der Filmindustrie sind Kuka-Roboter nicht mehr wegzudenken. Sie sorgen für reproduzierbare Kamerafahrten, die für das heutige Effektkino unerlässlich sind. In der Medizinrobotik haben wir Roboter in Anwendungen wie der Röntgenbildgebung, der Tumorbestrahlung oder der Rehabilitation. Außerdem unterstützt unser Leichtbauroboter „LBR iiwa“ in direkter Mensch-Roboter-Kollaboration die Arbeiter in Fabriken bei unbequemen und gesundheitsgefährdenden Arbeiten.

Das technikverliebte Japan hat Roboter wie „Asimo“ oder „Aibo“ regelrecht ins Herz geschlossen. Beobachten Sie interkulturelle Unterschiede hinsichtlich Robotern?

Roboter spielen in der japanischen Kultur eine große Rolle. Die Japaner standen Robotern schon immer aufgeschlossener gegenüber als die Europäer. In Europa herrschte lange Zeit ein wenig Respekt vor Robotern. Ich habe das Gefühl, dass sich das aber zunehmend ändert. Die Branchen, die auf roboterbasierte Automatisierung gesetzt haben, produzieren nach wie vor in Europa und schaffen so Arbeitsplätze. Auch wenn sich Europäer auf Grund ihres kulturellen Hintergrunds schwerer tun, Roboter ins Herz zu schließen, stehen wir doch vor einem signifikanten Paradigmenwechsel. Zum einen ist die Robotik als Querschnittsdisziplin aus der Ausbildung nicht mehr wegzudenken. Zum anderen arbeiten Mensch und Roboter Hand in Hand. Die Roboter unterstützen den Menschen, Schutzzäune werden nicht mehr benötigt.

Wenn Roboter immer mehr in den menschlichen Alltag drängen: Wie wird sich das Verhältnis Mensch-Roboter verändern?

Ich denke, Roboter werden langfristig mehr und mehr Einzug in den Arbeits- und Familienalltag der Menschen halten. Die Menschen werden besser verstehen, dass Roboter ihre Lebensqualität erhöhen können, sowohl bei der Arbeit als auch im privaten und öffentlichen Bereich. Da die Roboter sicher mit dem Menschen zusammen arbeiten können, werden Berührungsängste abgebaut. Der Roboter wird zum Helfer der Menschen.

Kuka ist mit zahlreichen Design Awards ausgezeichnet worden. Werden Roboter tatsächlich menschenähnlich? Oder wohin geht die Entwicklung?

Die Entwicklung von humanoiden Robotern im engen Sinne sehe ich eher in Japan. Wir bei Kuka arbeiten daran, Roboter zu entwickeln, die ähnliche Leistungen wie der Mensch erbringen können. Unser Leichtbauroboter „LBR iiwa“ ist beispielsweise dem menschlichen Arm nachempfunden. Dadurch kann er in der Montage die oft monotonen, unergonomischen Aufgaben übernehmen, die bisher nur vom Menschen durchgeführt werden konnten beziehungsweise mussten.

Die Digitalisierung schreitet immer weiter voran. Welche Anwendungen für Roboter sind in Zukunft denkbar?

Generell ist alles möglich. Roboter werden immer sensitiver, intelligenter und auch preiswerter. Ein hohes Potenzial sehe ich im Hinblick auf die immer älter werdende Bevölkerung und den Pflegenotstand. Roboter können ältere Menschen in ihrem alltäglichen Leben unterstützen und es ihnen ermöglichen, länger in ihren eigenen vier Wänden zurecht zu kommen. In der Fabrik der Zukunft spielt die Digitalisierung auf dem Weg zur vierten industriellen Revolution eine entscheidende Rolle. Zu fertigende Produkte wissen, wie sie zu bearbeiten und zu handhaben sind. Robotersysteme kommunizieren untereinander und konfigurieren sich selbst, um kundenindividuelle Produkte preiswert fertigen zu können. ▪

Interview: Martin Orth