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Wer macht das Rennen um die Künstliche Intelligenz?

Der deutsche KI-Forscher Sören Schwertfeger von der Shanghai Tech University über die chinesische Offensive und die deutsche Strategie.

25.01.2019
In China gehört Gesichtserkennung schon zum Alltag
In China gehört Gesichtserkennung schon zum Alltag © ekkasit919/stock.adobe.com

Herr Professor Schwertfeger, China will bis 2030 Weltmarktführer in der Künstlichen Intelligenz (KI) werden und treibt das massiv voran. Sie forschen als Assistant Professor an der Shanghai Tech University in diesem Bereich. Da müssen Sie ja paradiesische Arbeitsbedingungen haben…
Sicherlich bin ich, was die finanzielle Ausstattung angeht, hier an der ShanghaiTech University sehr komfortabel aufgestellt. Auch die Umgebung der Universität, der Zhangjiang High-Tech Park, ist voll von bekannten, internationalen Unternehmen und Startups, so dass sich viele interessante Gespräche, Kooperationsmöglichkeiten und Inspiration ergeben. Und die Studenten hier sind die Besten aus ganz China und sehr motiviert. Als ausländischer Professor gibt es aber auch Dinge, die in Europa oder der USA sicherlich einfacher wären. So sind zum Beispiel Projektanträge in China fast ausschließlich auf Chinesisch abzugeben. Auch rechtliche Barrieren schränken Ausländer ein. Hinzu kommen Internetzensur, Luftverschmutzung und der Überwachungsstaat. Alles hat seine Vor- und Nachteile.

Sören Schwertfeger, Assistant Professor an der Shanghai Tech University
Sören Schwertfeger, Assistant Professor an der Shanghai Tech University © privat

Deutschland hat im vergangenen Jahr eine „Strategie Künstliche Intelligenz“ beschlossen, um zu einem führenden KI-Standort zu werden. Wie erfolgversprechend ist dieser Ansatz?
Es ist gut, dass die Bundesregierung KI als ein sehr wichtiges Thema erkannt hat. Ich kann den Handlungsfeldern, die die Strategie identifiziert, auch nur zustimmen. Letztlich hängt der Erfolg der Strategie aber von vielen Faktoren ab. Innovationsfreundliche Gesetze müssen verabschiedet werden, Startups müssen gefördert und in entsprechende Bildung und Forschung muss investiert werden. Dafür will Deutschland bis 2025 drei Milliarden Euro ausgeben. Entsprechende Ankündigungen aus China und den USA sind aber weit höher. So will allein die Stadt Shanghai bis 2021 13 Milliarden Euro an Investitionskapital für Künstliche Intelligenz bereitstellen. Insofern stellt sich die Frage, ob Deutschland nicht noch mehr Geld in die Zukunftstechnologie KI investieren sollte.

Europa ist auf Augenhöhe
Sören Schwertfeger, Assistant Professor an der Shanghai Tech University

Sie haben sowohl in Europa wie auch in China und den USA über Robotik und Künstliche Intelligenz geforscht. Wie würden Sie die jeweiligen Stärken und Schwächen der drei Standorte im internationalen Vergleich beschreiben?
Die USA haben lange das Internetgeschäft dominiert und haben einige sehr innovative und sehr reiche Tech-Firmen, die massiv in KI investieren. Und die universitäre Forschung ist exzellent und auch gut mit den Firmen vernetzt. 

China hat einen riesigen Pool an Talenten und sehr viele Universitäten, die fast alle auf den KI-Zug aufspringen. Sicherlich ist die Ausbildung in China im Durchschnitt noch nicht auf dem westlichen Niveau. Aber die Bedingungen sind sehr gut: Es gibt viel Kapital, viel Unterstützung durch die  Behörden und auch einige sehr große Firmen wieTencent, Alibaba und Baudi, die sich in verschiedenen Bereichen mit KI beschäftigen.

In Europa ist die Forschung im Bereich der KI auf Augenhöhe mit der USA, allerdings mangelt es an der Umsetzung in marktfähige Produkte. Die Forschungsförderung in Deutschland und Europa – zum Beispiel durch das Horizon 2020-Programm - ist sehr gut. Es wäre zu überlegen, ob nicht einfach ein höherer Prozentsatz von KI-Forschungsanträgen bewilligt werden sollte, um mehr Forschungsgruppen in diesem Gebiet zu fördern. 

Datenschutz spielt in Deutschland und Europa eine große Rolle. Ist das im Vergleich zu China ein Nachteil? 
Daten sind für die KI-Forschung von essenzieller Bedeutung – viele Projekte ergeben nur dann einen Sinn, wenn die Software mit einer großen Menge von Trainingsdaten optimiert werden kann. Oft gibt die Problemstellung vor, dass dies personenbezogene Daten sein müssen. Diese Daten zu erheben, zu speichern und für Forschung oder wirtschaftliche Anwendungen zu nutzen, steht dann im Konflikt mit dem Datenschutz.

China verfolgt in diesem Bereich eine Strategie der späten Regulierung. Erst einmal wird den Firmen und Forschern freier Lauf gelassen. Nach einigen Jahren kommt dann eventuell eine entsprechende Regulierung.

In Europa wird dem Datenschutz hingegen eine große Bedeutung zugesprochen, weswegen es bei einigen Forschungsvorhaben entsprechende Schwierigkeiten gibt, Daten zu erheben oder zu nutzen. Zumindest dem Mangel an Daten sollte durch mehr internationale Kooperation entgegengewirkt werden.

Professor Wolfgang Wahlster vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz sieht im Datenschutz sogar einen Vorteil… 
Professor Wahlster zielt sicherlich darauf ab, dass der Datenschutz global immer wichtiger wird. Da europäische Firmen sich bereits intensiv mit dem Datenschutz auseinandergesetzt haben, verfügen sie international über einen Wissens- und auch Vertrauensvorteil gegenüber ausländischen Konkurrenten.

Interview: Martin Orth

© www.deutschland.de

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