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Eine eigene Plattform für China

Ein Interview mit Prof. Dr. Christoph Meinel, Direktor des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) in Potsdam, über openHPI.cn

05.08.2014
© picture-alliance/dpa - Christoph Meinel

Herr Professor Meinel, das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam gilt als Vorreiter des „neuen Lernens“. Sie bieten seit 2012 kostenlose Online-Kurse an. Was steckt dahinter?

Wir haben 2012 das soziale Bildungsnetzwerk openHPI.de gestartet. Dort werden interaktive Kurse zu aktuellen Themen der Informationstechnologie angeboten – auf Deutsch und Englisch. Inzwischen haben an den auf unserer Online-Lernplattform angebotenen Kursen 105000 Menschen aus mehr als 160 Ländern teilgenommen. Wir haben mehr als 13000 Zertifikate und 16000 Teilnahmebescheinigungen ausgestellt. Im Unterschied zu „traditionellen“ Vorlesungsportalen folgen die Kurse bei openhpi.de einem festen sechswöchigen Zeitplan - mit definierten Angebotsimpulsen wie Lehr-Videos, Texten, Selbsttests, regelmäßigen Hausaufgaben und einem Abschlussexamen. Kombiniert sind die Angebote mit einer sozialen Plattform, auf der sich die Teilnehmer untereinander und mit den Kursbetreuern austauschen, Fragen klären und weiterführende Themen diskutieren können. Jeder Interessierte kann zum Studierenden werden. Wir sprechen damit also nicht nur Studenten im klassischen Sinn an, sondern alle, die sich für die Themen interessieren.

Seit Anfang 2014 wenden Sie sich auf diesem Wege direkt an chinesische Studierende...

Am 18. Februar 2014 hat das Hasso-Plattner-Institut den ersten Kurs auf der neuen Plattform openHPI.cn gestartet. Das Angebot ist ein Ableger von openHPI.de und funktioniert nach dem gleichen Muster. Alle Lernmaterialien wie Lektüre, Selbsttests, Hausaufgaben und Prüfungen werden jedoch in chinesischer Sprache angeboten und die englischen Lernvideos haben chinesische Untertitel. Der erste auf openHPI.cn angebotene Kurs war der von HPI-Stifter Prof. Hasso Plattner, Mitgründer und Aufsichtsratsvorsitzender des Softwarekonzerns SAP. Er machte interessierte Lerner bekannt mit der revolutionären, am HPI mitentwickelten neuen Hauptspeicher-Datenbanktechnologie.

Warum bieten Sie eine eigene Plattform für chinesische Studierende an?

Das hat technische und kulturelle Gründe. Um den chinesischen Nutzern die Erreichbarkeit zu garantieren, arbeiten wir mit chinesischen Providern zusammen. Der Zugriff auf openHPI.de aus China ist langsam und wegen der chinesischen Firewall schwierig. Wir haben deshalb eine Plattform in China aufgebaut, auf die einfacher und schneller zugegriffen werden kann. Um einen lebhaften Austausch auf den Foren zwischen den chinesischen Lernern zu garantieren, war es uns wichtig das Angebot in chinesischer Sprache anzubieten.

Sind Sie dort selbst aktiv?

Ja, der letzte Kurs war von mir und meinem Fachgebiet. Er führte ein in die Internet-Technologie. Erläutert wurden die dem Web zugrunde liegenden Computernetzwerke, die Internetprotokolle, mit denen diese Netzwerke zu einem einheitlichen virtuellen Netz verbunden werden und Anwendungen des Internets.

Wie begann die Zusammenarbeit mit China?

Ihren Ursprung hat die Partnerschaft im Bereich des Tele-Teaching beziehungsweise E-Learning. Schon bevor ich 2004 Direktor des HPI wurde, vermittelte ich seit 2002 als deutscher Professor – damals noch an der Universität Trier – in englischer Sprache chinesischen Studenten per Teleteaching Themen der Internetsicherheit. Es war die erste Online-Vorlesung für Studenten einer chinesischen Universität, ein Stück Wissenschaftsgeschichte. Im Herbst 2012 konnten wir dann am HPI das 10-jährige Bestehen der „Internet-Brücke“ zwischen China und Deutschland und die damit verbundene Kooperation zwischen HPI und der Beijing University of Technology feiern.

Wie breit sind die Beziehungen des HPI zu China heute?

Die „Internet-Brücke“ und die Kooperation zwischen HPI und der Beijing University of Technology steht nach wie vor. Immer im Wintersemester hören die chinesischen Studenten meine Vorlesung zu dem Thema „Internet Security“ in englischer Sprache. Verfügbar sind die Inhalte der Vorlesung auf unserem Portal tele-Task.de. Jährlich sind es dann um die 40 Master-Studenten, die ich vor Ort in Beijing prüfe. Aktuell helfen wir den Kollegen in Beijing auch beim Aufbau eines Aufzeichnungsportals nach dem Vorbild unseres tele-Task-Portals, mit dem Vorlesungen digitalisiert werden können.

Wie sieht die Zukunft des Lernens aus?

Das Lern-Paradigma hat sich immer wieder stark gewandelt. Ein großer Einschnitt war der Buchdruck, der es ermöglichte, Wissen ganz einfach zu verbreiten. Einen ähnlichen Sprung bietet nun das Internet, das auch die Form des Lernens verändert. Mit Angeboten wie openHPI – den so genannten Massive Open Online Courses (MOOCs) – wird das Lernen interaktiver und globaler. Die Teilnehmer lernen nicht mehr nur von ihrem Professor, der den Kurs anbietet, sondern auch durch den Austausch mit anderen Kursteilnehmern. Wissen ist von jedem Schreibtisch auf der Welt ganz einfach zu erreichen. Das Wissen von Universitäten steht so global und ortsungebunden zur Verfügung. Ich bin allerdings überzeugt davon, dass diese Form des Lernens nicht das Studium an einer Universität ablösen wird.

Sie sind häufiger in China. Welche Affinität haben Sie dem Land?

Seit 2002 bin ich jährlich mindestens einmal in China. Mich beeindrucken dieses Land und der unglaubliche Ehrgeiz seiner Menschen, es aufzubauen und zu entwickeln. Die Veränderungen, die ich in den letzten 14 Jahren miterleben konnte, faszinieren mich immer wieder. Ich erzähle das auch gern meinen Studenten hier in Deutschland, um sie anzuspornen, sich auf diesen Wettlauf einzulassen.▪

Interview: Martin Orth