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Gesichtstransplantation: Ein neues Leben

Branislav Kollár ist erst 31 Jahre alt. Doch der Mediziner ist ganze vorne mit dabei, wenn es um die Forschung auf dem Gebiet der Gesichtstransplantation geht. 

Hendrik Bensch, 11.09.2020
Branislav Kollár
Branislav Kollár © privat

Eine Starkstromleitung, die einem Menschen Körper und Gesicht verbrennt. Ein Bärenangriff. Ein Schuss. Ein Tumor. Erst seit wenigen Jahren kann die Medizin Menschen, deren Gesicht durch Verletzungen oder Krankheiten bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden ist, mit einer Gesichtstransplantation ein neues Leben schenken. Im Jahr 2005, wagten Ärzte erstmals diesen Eingriff an einem lebenden Menschen. Branislav Kollár war damals 16 Jahre alt.

Heute gehört der 31 Jahre alte Slowake zu den führenden Forschern auf diesem Gebiet. Er arbeitet als Postdoc am Brigham and Women’s Hospital in Boston, einem Lehrkrankenhaus der Harvard Medical School. Dass er so weit in der Forschung vorangekommen ist, hat viel mit Vorbildern zu tun – und mit seinem Studium an der Universität Heidelberg, das durch ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) unterstützt wurde.

Vorliebe für die Medizin

Seine Vorliebe für die Medizin entdeckte Branislav Kollár schon in der Schulzeit in Bratislava. Er liebte die Naturwissenschaften. „In der Medizin laufen alle Naturwissenschaften zusammen“, sagt er. Da seine Mutter Ärztin ist, hatte er ein Vorbild in der Familie. Das bestärkte ihn in seiner Studienwahl.

Kollár hatte eine sogenannte PASCH-Schule besucht, an der verstärkt Deutsch unterrichtet wird. Die Schulabgänger sind sprachlich fit für ein Studium in Deutschland. Ein Lehrer machte ihn auf ein Studienstipendium des DAAD aufmerksam – und Branislav Kollár bewarb sich mit Erfolg. Er entschied sich für die Universität Heidelberg, weil sie in Forschung und Wissenschaft sehr renommiert ist.

Medizinisches Fachwissen außerhalb des Fachgebiets

In Heidelberg fand er bald ein weiteres Vorbild: Professor Markus Hecker, der damals das Institut für Physiologie und Pathophysiologie leitete. Er begeisterte Kollár durch seine Lehre und Forschung, aber besonders durch sein medizinisches Fachwissen außerhalb des eigentlichen Fachgebiets. „So möchte ich später auch tätig sein“, sagte sich der damalige Student und bewarb sich für eine Stelle in Heckers Labor.

Hier verbrachte er sein Forschungssemester und verlängerte sogar um ein halbes Jahr, weil ihn die Arbeit derart begeisterte. „Hier habe ich die Grundlagen dafür gelernt, wie man gute Forschung betreibt“, sagt Kollár. Wenn er an die Zeit in Heidelberg zurückdenkt, ist er immer noch von der Arbeitsweise begeistert: „Bei der Forschung wurde immer großer Wert auf Exzellenz gelegt.“

Kultureller Austausch und Weltoffenheit

Die Zeit in Heidelberg habe ihn aber weit über das Fachliche hinaus geprägt, erzählt Kollár. Da waren das internationale Flair mit Studierenden aus aller Welt und der kulturelle Austausch, der ihn inspirierte und begeisterte. „Diese Zeit hat mich zu einem weltoffenen Menschen gemacht.“

Nach dem Studium arbeitete er eine Zeit lang als Chirurg in der Schweiz. Doch schnell vermisste er die Forschung. Er begann, sich mit Gesichtstransplantationen zu beschäftigen, und wurde auf seinen späteren Chef in Boston, Professor Bohdan Pomahac, aufmerksam. Pomahac hatte im Jahr 2011 die erste vollständige Gesichtstransplantation in den USA erfolgreich durchgeführt und wurde für Kollár zu einem Vorbild. Also reiste Kollár zu einer Konferenz in die USA, sprach den Chirurgen an – und bekam einem Job in dem Lehrkrankenhaus insbesondere auch wegen seiner Forschungserfahrung.

Wie Gesichtstransplantationen Leben verändern

Seit 2017 arbeitet er nun als Postdoc am Bostoner Brigham and Women’s Hospital. Im „The New England Journal of Medicine“, einer der renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften, hat er im Mai 2019 zusammen mit weiteren Forschern erste Ergebnisse zu den Langzeitfolgen nach Gesichtstransplantationen veröffentlicht. Wie gut können die Patienten ihre Gesichtsmuskeln bewegen? Welche Mimik haben sie? Wie empfinden sie Berührungen?

Die Forscher schauten sich zudem an, wie die Transplantation das Leben der Patienten verändert hat. Manche hätten nach der Operation wieder eine Arbeit gefunden, andere geheiratet. Manche könnten durch die Operation wieder sprechen, andere wieder riechen. Außerdem untersuchten die Forscher, wie das Immunsystem der Patienten reagierte. Mit ihren Ergebnissen wollen sie dazu beitragen, dass Transplantate noch besser vom Körper angenommen werden.

Unterstützung weitergeben

Bis heute komme ihm seine fachliche Ausbildung in Heidelberg zugute, erzählt Branislav Kollár. So hat er kürzlich in den USA ein Stipendium für ein Forschungsprojekt bekommen, weil er mit seiner Forschungserfahrung in Deutschland punkten konnte. Von der Unterstützung, die er erfahren hat, möchte er etwas zurückgeben, indem er junge Studierende auf ihrem Weg fördert. „Ich möchte den positiven Einfluss, den die Förderung in meinem Leben hatte, weitergeben“, sagt er. Kollár wird noch bis Ende 2019 in Boston bleiben. Dann will er in Deutschland oder in der Schweiz seine Facharztausbildung abschließen. Langfristig möchte er als Chirurg arbeiten und zudem wissenschaftliche Projekte umsetzen. Außerdem will er fortsetzen, was er in Heidelberg erlebt hat: „Die Zusammenarbeit zwischen Forschern aus unterschiedlichen Ländern aufbauen“, sagt Kollár, „und so Kulturen zusammenbringen.“

Dr. Branislav Kollár

hat in Bratislava eine PASCH-Schule besucht und mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Heidelberg Medizin studiert. Heute forscht er als Postdoc am Brigham and Women’s Hospital in Boston, einem Lehrkrankenhaus der Harvard Medical School, zu Gesichtstransplantationen.

 

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