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Die Industrie sitzt mit am Tisch

Praxisnahe Projekte dominieren die deutsch-indische Forschungszusammenarbeit. Die Fäden laufen in Gurgaon und Neu-Delhi zusammen.

Gunda Achterhold, 24.03.2015

In der wissenschaftlich-technologischen Zusammenarbeit ist Indien Deutschlands wichtigster Partner in Südasien. Das 2010 eröffnete Indo-German Science and Technology Centre (IGSTC) setzt einen Meilenstein in der Forschungszusammenarbeit beider Länder. Wie könnten biotechnologische Ansätze zur Verbesserung der Kichererbsen-Ernte aussehen? Und wie lassen sich Schutzmechanismen von Pflanzen aus extremen Höhenlagen auf Nutzpflanzen übertragen? Mit diesen und ähnlichen Forschungsfragen beschäftigen sich Wissenschaftler aus Deutschland und Indien, in enger Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie. Das IGSTC mit Sitz in Gurgaon bei Delhi fördert anwendungsorientierte, innovative deutsch-indische Projekte. Beteiligt sind exzellente Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus beiden Ländern. Die Institute der Fraunhofer-Gesellschaft, das Forschungszentrum Jülich, die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) in Aachen oder die Goethe Universität Frankfurt gehören ebenso zu den Partnern wie das Institute of Himalayan Bioresource Technology, das Forschungszentrum ICRISAT in Hyderabad oder das Indian Institute of Technology Madras in Chennai.

In sogenannten „2+2 Projekten“, in denen jeweils zwei Forschungspartner aus der Wissenschaft und aus der Industrie vertreten sind, fördert das IGSTC FuE-Projekte, die Forschung und Industrie eng miteinander verzahnen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Department of Science and Technology (DST) stellen dafür jährlich bis zu zwei Millionen Euro bereit. Das Indisch-Deutsche Wissenschaftszentrum soll die bilaterale Zusammenarbeit vor allem in der anwendungsorientierten Forschung stärken und zugleich als Katalysator wirken. „Das IGSTC sucht neue Wege, um das immense wissenschaftliche Potenzial beider Länder zusammenzubringen und aktuelle und zukünftige Herausforderungen in Wissenschaft und Technologie meistern zu können”, erklärte Direktor Arunashis Chakraborty in seinem ersten Jahresbericht. Der ehemalige Attaché für Wissenschaft und Technik an der indischen Botschaft Berlin sieht große Chancen.

Aktuell fördert das IGSTC elf laufende Projekte. Thematische Schwerpunkte liegen auf Kooperationen in den Bereichen Biotechnologie, Informationstechnologie, Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung, Materialforschung, Produktionstechnologie und Sicherheitsforschung. Idealerweise steht am Ende der Projektphase ein Prototyp, der von Firmen aufgenommen und weiter bearbeitet werden kann. Ein Beispiel ist der Compact Linear Fresnel Reflector (CLFR), ein kostengünstiger Kollektor zur Gewinnung von Prozesswärme für industrielle Produktionsprozesse, der für den indischen Markt entwickelt worden ist. „Solarenergie ist in Indien ein großes Thema“ sagt Dr. Anna Heimsath, die das Projekt am Fraunhofer ISE in Freiburg geleitet hat. „Zusammen mit den Kollegen vom Indian Institute of Technology in Bombay haben wir ein Konzept entwickelt, das lokale Standortbedingungen und Herstellungskosten ebenso berücksichtigt wie optische und thermische Aspekte.“ Die Firma Thermax aus Pune wiederum realisierte einen Prototyp, zu dem der deutsche Partner Schott Solar Receiverrohre und Beratung beisteuerte. Geplant ist, dass eine Demonstrationsanlage in ein bestehendes Kraftwerk integriert und zur Gewinnung von Vorwärme eingesetzt wird.

Das Department of Science and Technology (DST) gehört für deutsche Wissenschaftseinrichtungen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zu den größten und wichtigsten Partnern in Indien. Die europaweit größte Forschungsförderungsorganisation DFG ist seit 2006 mit einem Verbindungsbüro in New Delhi vertreten. Eine Zweigstelle in Hyderabad konzentriert sich auf wissenschaftlich besonders aktive Zentren in Südindien. Von der Erforschung historischer Schriften bis zur Agrarbiologie: Die von der DFG geförderten Forschungskooperationen decken ein breites Spektrum ab. Auch in den Sozial- und Geisteswissenschaften bestehen enge Verbindungen. Ein sichtbares Ergebnis der langjährigen Zusammenarbeit ist ein erstes bilaterales deutsch-indisches Abkommen zur Förderzusammenarbeit in den Sozialwissenschaften zwischen DFG und dem Indian Council for Social Sciences Research (ICSSR). Ein 2012 von der DFG initiierter Historiker-Workshop wiederum legte den Grundstein für Projekte in den Geschichtswissenschaften mit dem Indian Council for Historical Research (ICHR). Indische Wissenschaftler sollen künftig auch am Historikertag in Deutschland teilnehmen, einem der größten geisteswissenschaftlichen Fachkongresse in Europa.

In dem 2012 eröffneten Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH) in Neu-Delhi bündeln Forschungs- und Förderorganisationen ihre Kräfte. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft koordinierte Konsortium besteht aus insgesamt 15 Partnern. Forschungsförderer wie die Humboldt-Stiftung (AvH), die Fraunhofer Gesellschaft (FhG), der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) sind ebenso vertreten wie die Wirtschaft – insbesondere durch die Deutsch-Indische Handelskammer, die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und das Bayerisch-Indische Zentrum für Wirtschaft und Hochschulen (BayInd) – und Forschungszentren diverser deutscher Hochschulen und Universitäten. Das vom Auswärtigen Amt konzipierte Haus dient als „one stop shop“ interessierten Studenten, Wissenschaftlern und Forschungsorganisationen als Informationsplattform über den Wissenschafts- und Forschungsstandort Deutschland und bietet der deutschen und indischen Forschercommunity ein Forum zur Vorbereitung und Durchführung gemeinsamer Projekte. Dabei verfolgt das DWIH New Delhi das Ziel, in die Fläche zu gehen und eine möglichst große geographische Reichweite zu erreichen. Dem diente zum Beispiel die Veranstaltungsreihe „Excellence on Tour“. In Hyderabad, Ahmedabad und Kalkutta wurde in diesem Rahmen mit Ausstellungen, Vorträgen und anderen Netzwerkveranstaltungen ein großes Spektrum der deutschen Forschungslandschaft einem interessierten Fachpublikum wie einer breiten indischen Öffentlichkeit vorgestellt.