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Fraunhofer feiert

Die deutsche Forschungsgesellschaft treibt in den USA die Automatisierung voran.

22.01.2014
Fraunhofer feiert
© Dirk Mahler/Fraunhofer - Research

Andre Sharon war unzufrieden. Er hatte am weltberühmten Massachusetts Institute of Technology in Maschinenbau promoviert und einige Jahre für den IT-Konzern IBM geforscht. Doch er fand es frustrierend, dass meistens sehr viel Zeit vergeht, bis Forschungsergebnisse den Weg auf den Markt finden. Er sah sich weltweit um, etwa in Japan und Europa. Schließlich entdeckte er in Deutschland ein Modell, das ihn sofort begeisterte: Wissenschaftler, Ingenieure aus Unternehmen und Studierende betreiben gemeinsam zukunftsweisende Forschung zum unmittelbaren Nutzen für Unternehmen und Vorteil der Gesellschaft – es war das Modell Fraunhofer. „Als ich 1991 an das MIT zurückkehrte, gründete ich mit Kollegen das Manufacturing Institute – ein Vorbild war die Fraunhofer-Gesellschaft“, sagt Andre Sharon heute. Mittlerweile ist er Direktor des Fraunhofer Center for Manufacturing Innovation (CMI).

Im September 1994 startete die deutsche Fraunhofer-Gesellschaft in Nordamerika die „Fraunhofer USA“. Es war ein kühnes Experiment: „Kann eine deutsche Organisation für Angewandte Forschung erfolgreich sein in dem wirtschaftlich und wissenschaftlich führenden Markt der Welt? Als Fraunhofer USA gegründet wurde, waren wir uns da noch nicht so sicher. Heute wissen wir: Ja, wir können das“, bilanzierte Hans-Jörg Bullinger, damaliger Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, bereits zum 15-jährigen Jubiläum. Tatsächlich wuchs und wuchs das Projekt: Inzwischen, kurz vor dem zwanzigjährigen Jubiläum, zählt Fraunhofer USA neun Forschungszentren – vom Fraunhofer Center for Experimental Software Engineering in Maryland bis zum Fraunhofer Center for Coatings and Laser Applications in Michigan. Jedes der amerikanischen Fraunhofer-Zentren kooperiert eng mit zumindest einem der 66 Fraunhofer-Institute in Deutschland – sowie mit führenden US-Universitäten wie beispielsweise der Michigan State University, der University of Connecticut oder dem Massachusetts Institute of Technology.

Das Fraunhofer CMI etwa ist an der Boston University angesiedelt, an der Andre Sharon eine Professur inne hat. Das Center hat die Produktionstechnik in der Biotechnologie und Medizintechnik als einen Schwerpunkt – in beiden Bereichen hapert es mit der Automatisierung. „Biologen und Chemiker konzentrieren sich bei ihren Innovationen zunächst auf die Marktreife ihrer Produkte – wie sie diese dann in Masse herstellen, darüber machen sich die wenigsten Gedanken“, sagt Sharon. „Das führt dazu, dass noch immer viele biotechnologische Produkte in kleinen Laboren hergestellt werden. Wir wollen helfen, diese Prozesse zu automatisieren.“

Ein Projekt, das in der Branche viel Aufmerksamkeit erregte, war die Entwicklung einer Fabrik für pflanzenbasierte Impfstoffe. Wenn eine Pandemie ausbricht, ist der Bedarf an Impfstoffen plötzlich da – doch die Herstellung ist aufwendig. Forscher haben jedoch herausgefunden, dass sie in genetisch veränderten Tabakpflanzen Proteine produzieren können, die sich zur Herstellung von Impfstoffen eignen. Sharons Team hat gemeinsam mit dem Fraunhofer Center for Molecular Biotechnology (CMB) in Newark, Delaware, die Produktion vollständig automatisiert: Die Fabrik besteht aus robotischen Einheiten, die säen, die wachsende Pflanze pflegen, sie genetisch programmieren und ernten, wenn sie reif ist. „Als Heiliger Gral galt in der Automatisierung stets eine Fabrik, in der kein Licht brennen muss, weil wirklich alles von computergesteuerten Maschinen geregelt wird – genau das haben wir geschafft“, sagt Sharon. „Nur dürfen wir das Licht in diesem Fall nicht ausschalten – sonst gehen die Pflanzen ja kaputt“, scherzt er.

Die Fraunhofer-Gesellschaft in den USA hat bereits eine ganze Reihe von Branchen bereichert: Die Forscher entwickeln zum Beispiel Maschinen zur Diamant-Herstellung für die Schmuck- und Elektronikindustrie oder 3D-Druckverfahren für synthetische Organe. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Energie- und Ressourceneffizienz. Das Fraunhofer Center for Sustainable Energy Systems (CSE) entwickelt ein „Plug and Play“-System für Photovoltaik-Anlagen. Hauseigentümer können damit ihre Anlage vor dem Kauf konfigurieren, ohne Aufwand installieren und verkabeln. Das System überprüft, ob alles korrekt installiert ist und fragt im lokalen Netz an, ob es Strom einspeisen darf – die Antwort kommt automatisch und die Produktion beginnt. ▪

Boris Hänßler