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Gemeinsame Forschung für Energieinnovationen

Ein Blick auf zwei beispielhafte transatlantische Wissenschaftskooperationen.

26.03.2014
© Klaus-Werner Schlie - Dr.Rolf Drechsler

Im ersten Quartal 2014 erklärte die Firma Apple, dass bisher insgesamt 65 Milliarden Apps aus dem iTunes Store heruntergeladen wurden. Ob Nachrichten, Spiele, Videos, Lern-Applikationen – Smartphone- und Tablet-Nutzer lieben die kleinen Programme. Und die mobilen Geräte leisten immer mehr: Die Kameras haben eine immer bessere Auflösung, die Apps sind grafisch aufwendig gestaltet. Doch der Spaß wird getrübt: Wer sein Smartphone mehrere Stunden nutzt, muss es an die Steckdose hängen. Die Batterien machen schlapp – und die Batterie-Forschung steht nicht gerade vor einem großen Durchbruch.

Informatiker und Elektrotechniker suchen daher nach anderen Wegen, Energie zu sparen. Rolf Drechsler, Leiter der Arbeitsgruppe Rechnerarchitektur an der Universität Bremen, hat sich dafür mit Kaushik Roy von der Purdue Universität in West Lafayette, Indiana, zusammengetan. Die Hochschule gilt laut dem Academic Ranking of World Universities als eine der zehn besten der Welt in den Bereichen Ingenieurswissenschaften und Informatik – und Kaushik Roy ist einer der führenden Experten für „Low Power Design“, der Entwicklung einer energieeffizienten Elektrotechnik. Drechsler und Roy wollen mit ihren Teams Mikrochips entwickeln, die deutlich weniger Energie als bisher verschwenden. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) fördert die transatlantische Partnerschaft seit Anfang 2013 für insgesamt zwei Jahre.

Die beiden Forscherteams wollen die sogenannte reversible Logik auf Chips anwenden: „Man kann sich das Innere eines Rechnerchips wie Millionen von kleinen Schaltern vorstellen“, sagt Drechsler. „Bei jeder Rechenoperation werden sie geschaltet und leiten eine neue Information weiter – dabei geht die alte Information, die den Schalter ausgelöst hat, verloren.“ Das bedeutet auch, dass Energie verloren geht. Das muss aber nicht unbedingt sein. Drechsler und Roy möchten die Rechnerarchitektur so anlegen, dass alle einmal vorhandenen Informationen erhalten bleiben, sodass sie während des Rechenprozesses mehrmals genutzt werden können. Drechsler vergleicht das Prinzip mit der Rückgewinnung von Energie in einem Auto. „In einigen Autos wird die Energie, die beim Bremsprozess entsteht, für den weiteren Antrieb genutzt – wir wollen so etwas beim Computer machen“, sagt der Wissenschaftler. Bisher ist allerdings nicht bewiesen, dass die reversible Logik funktioniert: Ziel des Forschungsprojektes ist nichts weniger als der erstmalige experimentelle Nachweis.

Die Forscher sind zuversichtlich, dass ihnen das gemeinsam gelingen kann. Mit der amerikanisch-deutschen Zusammenarbeit sind beide Seiten sehr zufrieden. „Unsere Kompetenzen ergänzen sich gegenseitig“, sagt Roy. „Ich arbeite eher an den Geräten und Schaltkreisen, Rolf Drechsler an Logiksynthesen und Verifikationen.“ Man kennt und vertraut sich. Roy und Drechsler haben sich schon zu ihrer Doktorandenzeit kennen gelernt und einige gemeinsame Veröffentlichungen vorzuweisen – dank DAAD-Förderung können sie nun nicht nur erneut von ihrer Expertise profitieren, sondern darüber hinaus auch ihren Studierenden einen attraktiven Austausch ermöglichen. „Meine Erfahrungen mit deutschen Studierenden sind sehr gut“, sagt Roy. „Sie haben solide Kenntnisse und arbeiten sehr zuverlässig.“ Drechsler ergänzt: „Wir sehen das Projekt nicht als etwas einmaliges an – es ist eine Grundlage für eine langfristige Zusammenarbeit“.

Ähnliches strebt das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS in seiner Zusammenarbeit mit der Universität Connecticut an. Dort hat Fraunhofer USA im Juli 2013 das Fraunhofer Center for Energy Innovation CEI eröffnet. Fraunhofer USA ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Fraunhofer Deutschland. Die Partner wollen gleich in mehreren Bereichen kooperieren. „Das Fraunhofer CEI bündelt die Expertise der Gründungspartner zur Entwicklung und Kommerzialisierung neuer Materialien und Technologien, um die Energiegewinnung und -speicherung der Zukunft zu verbessern“, sagt Prabhakar Singh, der Leiter des Zentrums. Ziel sei es, die globale Bereitstellung kostengünstiger und nachhaltiger Energieversorgungstechnologien zu beschleunigen.

„Noch ist das CEI in der Strukturierungsphase“, sagt Mihails Kusnezoff, Abteilungsleiter Werkstoffe und Komponenten am Fraunhofer IKTS. „Im Moment sind wir auf der Suche nach Industriepartnern in den USA, um Projekte zu initiieren. Im Juni 2014 wird es dafür einen Industrieworkshop geben.“ Geforscht wird dann zum Beispiel an neuen Materialien – Metalle, Keramiken, Mikro- und Nanostrukturen – für Batterien und Energiespeicherung. „In den gemeinsamen Projekten wird es darum gehen, neue Ansätze jenseits der gängigen Wege zu finden – wir suchen sozusagen die kommende Initialzündung bei Energietechnologien“, sagt Kusnezoff. Das Fraunhofer CEI hat eine Anschubfinanzierung für die nächsten vier Jahre – die Kooperation wird zudem vom Connecticut Department of Energy & Environmental Protection (DEEP) unterstützt. Das Interesse in Connecticut an den deutschen Forschern ist groß, seit Barack Obamas Regierung im vergangenen Jahr erklärte, man wolle nach dem Vorbild Fraunhofer ein nationales Netzwerk für Innovationen im Ingenieurswesen aufbauen.

Das IKTS hat bereits Erfahrung in der Zusammenarbeit mit der US-Industrie. Gemeinsam mit dem amerikanischen Brennstoffzellen-Hersteller FuelCell Energy gründete das Fraunhofer-Zentrum 2012 die FuelCell Energy Solutions GmbH, in der Forscher von beiden Seiten des Atlantiks neue Brennstoffzellen entwickeln. Auch bei der Kooperation mit der Universität Connecticut werden nicht nur Ideen ausgetauscht – das IKTS hat schon seinen ersten Forscher für ein Jahr in die USA geschickt, um dort zu arbeiten. „Wir wollen keine Parallelgesellschaften, sondern gemeinsam auf lange Sicht erfolgreich sein“, sagt Mihails Kusnezoff. Die nächste große Energie-Innovation könnte also durchaus eine deutsch-amerikanische sein. ▪

Boris Hänßler