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Starke Partner mit gemeinsamen Zielen

Drei beispielhafte Projekte zeigen, wie vielfältig die im deutsch-türkischen Wissenschaftsjahr gestärkten Partnerschaften sind.

Johannes Göbel, 26.03.2015

Die Mega-Stadt Istanbul bietet eine besondere Perspektive auf den Klimawandel“: Kerstin Krellenberg vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig ist froh über den Austausch, der ihr im „Deutsch-Türkischen Jahr der Forschung, Bildung und Innovation“ ermöglicht wurde. Bereits von Dezember 2012 bis September 2013 war die Umweltwissenschaftlerin als Mercator-IPC-Stipendiatin am Istanbul Policy Center der Sabancı-Universität und suchte seinerzeit den Austausch mit türkischen Wissenschaftlern und Entscheidungsträgern über den Umgang mit dem Klimawandel. Der steht auch im Mittelpunkt des von Krellenberg initiierten Projekts im Rahmen des deutsch-türkischen Wissenschaftsjahrs. Im Oktober 2014 hat sie gemeinsam mit ihren Partnern von der Marmara-Universität, dem Regional Environmental Center Istanbul und dem türkischen Zweig des United Nations Development Programme einen ersten Workshop veranstaltet. Ebenfalls mit an Bord: Die United Cities and Local Governments Middle East and West Asia Section (UCLG-MEWA), deren Präsident der Bürgermeister von Istanbul ist.

„Durch die Verbindung zur UCLG-MEWA haben auch viele Vertreter der Istanbuler Stadtverwaltung an unserem Austausch teilgenommen“, berichtet Kerstin Krellenberg. Die würde zwar angesichts des Klimawandels schon viele Daten ermitteln und Maßnahmen ergreifen, aber Krellenberg wirbt dennoch für ein Umdenken: „In der Türkei wird der Klimawandel insbesondere als technologische Herausforderung, etwa für neue Metrolinien und Hightech-Busse, wahrgenommen. Unsere Arbeit am UFZ steht dagegen für einen interdisziplinären Ansatz, der auch Natur- und Sozialwissenschaften miteinbezieht.“ Zugleich betont sie: „Wir müssen unterschiedliche Antworten aus allen Teilen der Welt zusammenführen.“ Dementsprechend haben Krellenberg und ihre türkischen Kollegen auch Wissenschaftler aus den USA, Mexiko und Großbritannien für ihren nächsten Workshop im Frühjahr 2015 eingeladen. Sie sagt: „Ich bin mir sicher, dass der Austausch auch über das Wissenschaftsjahr hinausgehen wird.“

Medizinische Spitzentechnologie

Ein nachhaltiges Netzwerk aufbauen – das planen auch die deutsch-türkischen Partner von der Universitätsmedizin Greifswald und dem Public-Health-Department der Dokuz Eylül Universität Izmir. Im Wissenschaftsjahr intensivierten sie ihre Kontakte und trafen sich im Januar 2015 zu einem dreitägigen Austausch in Norddeutschland. „Die bisherigen Gespräche verdeutlichen die Verfügbarkeit exzellenter wissenschaftlich-technologischer Potenziale an den beteiligten Standorten“, betont Projektleiter Carsten Oliver Schmidt von der Universitätsmedizin Greifswald. „Wir sind zwar im Vergleich zu der Dokuz Eylül Universität eine relativ kleine Einrichtung, aber im Bereich der populationsbasierten Forschung international führend.“ Schmidt kann auf die beeindruckenden Arbeit der „Study of Health in Pomerania“ (SHIP) verweisen, die seit 1997 die Gesundheit der Bevölkerung in der Region Nordpommern erforscht und dabei auf außergewöhnliche Technologie wie zum Beispiel Ganzkörper-MRT setzt. „Unser Ziel ist die bestuntersuchte Bevölkerung der Welt“, sagt Schmidt. „Daraus wollen wir innovative Erkenntnisse hinsichtlich Gesundheit, Krankheitsrisiken und möglichen Interventionen gewinnen.“

Einen großflächigen Ansatz, mit Schwerpunkt auf Herz-Kreislauferkrankungen, verfolgt auch die „Balcova Heart Study“ in der Türkei bei rund 16 000 Erwachsenen. Koordiniert wird sie von der Dokuz Eylül Universität. Sie verfügt mit dem International Biomedicine and Genome Center Izmir über einen ähnlich international erfahrenen Kooperationspartner wie die Greifswalder Kollegen mit dem Interfakultären Zentrum für Funktionelle Genomforschung. In Zusammenarbeit mit Gesundheitswirtschaft und Politik sollen Impulse für innovative Gesundheitsforschung erarbeitet werden. Carsten Oliver Schmidt sagt dazu: „Unsere wertvollen wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Allgemeinbevölkerung sollten eine praktische Relevanz haben, zum Beispiel auch mit Blick auf neue gesundheitliche Herausforderungen durch den demografischen Wandel.“

Perspektiven für Studierende

„Demografiefestigkeit und Personaldiagnostik stehen im Mittelpunkt unserer Projektarbeit“, sagt Norbert Gülke, Professor an der Leibniz Fachhochschule (Leibniz FH) Hannover und dort unter anderem verantwortlich für den berufsbegleitenden Studiengang Wirtschaftsinformatik. Im studentischen MAVE(„Modular Avatar Virtualization Expandable“)-Projekt werden innovative Lösungen für Geschäftsprozesse und Personalsuche von Unternehmen entwickelt, im deutsch-türkischen Wissenschaftsjahr konnte für MAVE eine Partnerschaft mit der Mevlana-Universität in Konya geschlossen werden. Es ist das erste von zwei deutsch-türkischen Kooperationsprojekten der Leibniz FH, die Norbert Gülke initiiert hat. Gülke war als Manager jahrelang in leitender Position für die MAN Nutzfahrzeuge AG in der Türkei tätig und hat durch seine Kontakte frühzeitig das Interesse der Mevlana-Universität an einem Austausch wecken können.

Bei MAVE werden durch die Programmierarbeit der Studierenden Tools für das Partnerprojekt HEAD (Hannoversche Eignungs- und Auswahldiagnostik) entwickelt, seit Kurzem knüpft auch das HEAD-Team Kontakte zur Mevlana-Universität. Gemeinsam wollen die deutschen und türkischen Studierenden eine passgenaue Personalsuche ermöglichen, etwa durch die softwaregestützte Analyse von Bewerberprofilen. Die Kommunikation untereinander läuft digital, etwa über Videotelefonie, wie auch durch einen wachsenden Studierendenaustausch. „Das Tolle ist, dass wir praktisch alles selbst erarbeiten und umsetzen“, sagt Merve Barutcu, MAVE-Projektleiterin und an der Leibniz FH Studentin im vierten Semester. Diese Selbstständigkeit ist ganz im Sinn von Norbert Gülke. „Eigenverantwortung ist in der Industrie besonders gefragt“, betont der Professor mit Blick auf das zukünftige Berufsleben seiner Studierenden. Er beobachtet, dass dieser Ansatz auch zunehmend in der Türkei geschätzt wird: „Unser Austausch nimmt immer größere Dimensionen an.“ ▪