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„Vom Unternehmergeist kann Deutschland lernen“

Katja Böhler erläutert im Interview, warum die deutsch-afrikanische Zusammenarbeit im digitalen Bereich so fruchtbar ist.

19.12.2014
© Stiftung Partnerschaft mit Afrika e.V./Torsten Seidel - Katja Böhler

Frau Böhler, Ihre Stiftung fördert zivilgesellschaftliches Engagement in Deutschland und in Afrika. Warum spielt in vielen Ihrer Projekte die Digitalisierung eine so wichtige Rolle?

Digitale Medien, insbesondere das Internet, ermöglichen eine grenzenlose Kommunikation und bieten vielfältige Instrumente für zivilgesellschaftliche Akteure, um Mitstreiter für ihre Anliegen zu finden und Informationen zu verbreiten. Entsprechend ist Medienkompetenz heute ein Erfolgsschlüssel für zivilgesellschaftliche Kooperationen.

Müsste es beim zivilgesellschaftlichen Engagement nicht unterschiedliche Projekte für Deutschland und Afrika geben?

Die Arbeit an gemeinsamen Projekten ist der Kern unseres besonderen partnerschaftlichen Ansatzes: Deutsch-afrikanische Zusammenarbeit bedeutet für uns: Beide Seiten können von Anfang an gleichberechtigt Ziele und Bedürfnisse formulieren, Ideen entwickeln und Projekte planen. Menschen kommen bei uns nicht in erster Linie als Deutsche und Afrikaner zusammen, sondern als Fachleute und Interessierte an Themen, die ihnen wichtig sind und die ihren Alltag bestimmen. Dadurch stehen unsere Projekte auf einem nachhaltigen Fundament, das durch die persönlichen Beziehungen zementiert wird. Wir glauben, dass eine solche Zusammenarbeit in viel mehr Bereichen möglich und sinnvoll ist, als wahrgenommen wird.

Was können innovative Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) insbesondere im zivilgesellschaftlichen Bereich leisten?

Sie ermöglichen deutsch-afrikanische Schulterschlüsse, die aufgrund der räumlichen Distanz und größerer Hürden für persönliche Begegnungen – sowohl finanzieller wie administrativer Natur – sonst nicht ohne weiteres möglich wären. Ein gutes Beispiel dafür ist unser Projekt Fieldworks. Mehrere Monate haben sich unsere „Fieldworker“ – eine Gruppe von ehrenamtlichen Laienforschern in Berlin und Cotonou (Benin) – intensiv mit dem Verhältnis von Stadt und Land und dabei insbesondere mit Konzepten für eine sozial und ökologisch nachhaltige Gestaltung globaler Ernährungssysteme beschäftigt. Dieser Austausch wäre ohne Internet nicht möglich gewesen. Unser Netzwerk reicht übrigens bislang in 25 afrikanische Länder, darunter Äthiopien, die demokratische Republik Kongo, Ghana, Kamerun, Kenia, Namibia, Nigeria, Südafrika, Tansania und Uganda.

Wie stark unterscheiden sich die digitalen Voraussetzungen in Deutschland und in Afrika?

Auch hier entsprechen die gängigen Annahmen häufig nicht der Realität, das gilt für beide Seiten: Der afrikanische Kontinent ist im Bereich Mobilfunk auf der Überholspur. Entsprechend ist die Infrastruktur für unsere Arbeit häufig besser, als man in Deutschland denken würde. Unser afrikanischen Partner wären wiederum sicherlich erstaunt, wenn sie erfahren würden, dass deutsche Schüler mit ihren Computerkenntnissen weltweit nur im Mittelfeld liegen und sich an unseren Schulen im Durchschnitt elf Schüler einen PC teilen. Von gemeinsamen Projekten profitieren beide Seiten.

In einem Ihrer Projekte, „Pixel statt Kreide“, geht es um die digitale Revolution im Klassenzimmer – was genau ist Ihr Ziel?

Wir vermitteln Lehrenden in zahlreichen Workshops Wissen und Fertigkeiten, die es ihnen ermöglichen, die Chancen der digitalen Medien im Unterricht zu nutzen und sie weiterzugeben. Neben der Vermittlung von Medienkompetenzen steht interkulturelles und globales Lernen im Mittelpunkt der bundesweiten Veranstaltungsreihe. Den Teilnehmenden wird eine Plattform geboten, sich über digitale Innovationen im Bildungsbereich auszutauschen. Diese Begegnungen tragen zum Aufbau von Innovationspartnerschaften im Bereich der IKT bei. Wir fördern die Potenziale des digitalen Afrikas und lernen umgekehrt von den Fortschritten unserer afrikanischen Partner.

Im Oktober 2014 veranstalteten Sie die erste deutsch-afrikanische Gründermesse in Berlin. Welches Potenzial sehen Sie in gemeinsamen Gründungen?

In vielen Gebieten Afrikas wächst eine immer größere Gruppe innovativer, technisch hervorragend ausgebildeter Unternehmer und Entwickler heran. Jedes Jahr entstehen viele neue Co-Working Spaces, Business-Inkubatoren und ICT-Hubs, an denen sie sich treffen und austauschen, um Neues zu wagen. Und das nicht nur in Nairobi und Kapstadt. Nun erleben wir auch in Deutschland einen Boom in der IKT-Gründerszene. Allerdings wissen wir, dass Deutschland noch viel lernen kann vom afrikanischen Unternehmergeist und Erfindungsreichtum. Genau hier setzen wir an: Wir verbinden Entwickler, Tüftler, Gründer und Investoren im Bereich IKT aus Deutschland und Afrika, um gegenseitige Mehrwerte zu schaffen. Ideen werden ausgetauscht, Lösungsansätze geprüft und diskutiert, Kooperationen und Joint Ventures begonnen.

Ein wichtiger Bestandteil der Gründermesse sind die von Ihnen direkt geförderten ICT@frica-Startups. Welche Teams haben sich gebildet?

Seit 2013 arbeiten wir daran, deutsche und afrikanische Gründer in Teams zusammenzubringen, damit sie innovative Ideen gemeinsam entwickeln und in einem neuen deutsch-afrikanischen Unternehmen gewinnbringend umsetzen. Bisher haben sich zehn deutsch-afrikanische Start-up-Teams gebildet, aus den Bereichen Automobile, Kühltechnik, Warenwirtschaft, Bewässerungstechnik, Ingenieurwesen, Solar- und Windtechnik, sowie Sanitär- und Elektrotechnik.

Welches deutsch-afrikanische Projekt finden Sie persönlich besonders spannend?

Die Idee von „AquaCubus“ beeindruckt mich. In einem Pilotprojekt möchte das Gründerteam bioenergetisch nachhaltige aquaponische Fischzuchtanlagen in Cote d’Ivoire und Brandenburg aufbauen. Aquaponik ist eine Fischzuchttechnik, in einem geschlossenen Wasser- und Nährstoffkreislauf den Anbau von Nutzpflanzen und die Fischzucht verknüpft – unter enormen Effizienzgewinnen. Dabei kann sogar überschüssige Energie erzeugt werden.▪

Interview: Clara Görtz