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„Wir erschließen völlig neue Wissenschaftsfelder“

Die Afrika-Initiative der DFG gibt neue Impulse. Programmdirektor Andreas Strecker über falsche Vorurteile und attraktive Anreize.

25.03.2015

Herr Strecker, im Jahr 2007 startete die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Afrika-Initiative. Was war der Anlass?

Es mag auf den ersten Blick vielleicht etwas ungewöhnlich erscheinen, aber Anlass war der 100. Geburtstag der Deutschen Gesellschaft für Hygiene- und Mikrobiologie im Jahr 2006. Die Afrika-Initiative war das Geburtstagsgeschenk des damaligen DFG-Präsidenten Ernst-Ludwig Winnacker an die Fachgesellschaft. Dahinter verbirgt sich natürlich ein zweiter Beweggrund: Deutschland verfügte damals in der Forschung kaum über Kontakte und Verbindungen nach Afrika. In den wenigsten Ländern dort gibt es zudem Forschungsförderungsorganisationen, so dass Kooperationen nur selten zustande kamen.

Seit 2007 wurden im Rahmen der Afrika-Initiative 30 deutsch-afrikanische Forschungsprojekte zu bestimmten Infektionskrankheiten gefördert. Warum ist Ihnen der inhaltliche Fokus so wichtig?

Uns geht es um die Erforschung sogenannter vernachlässigter Infektionskrankheiten. Das sind Erkrankungen, die in Afrika zwar extrem hohe Fallzahlen haben – zum Teil wesentlich mehr als etwa Malaria –, die aber trotzdem so gut wie unerforscht sind. Die Pharmaindustrie hat an der Wirkstoffentwicklung kaum ein Interesse, weil die Medikamente für viele Patienten unbezahlbar sind. Einige durch die DFG geförderte Projekte forschen zum Beispiel an pathogenen Würmern. Sie lösen etwa die Flusskrankheit aus oder die Elefantiasis. Auch das sogenannte „Fever of Unknown Origin“, zu Deutsch ein Fieber mit unbekannter Ursache, führt zu massiven Gesundheitsproblemen, hier sind vermutlich Viren oder Bakterien verantwortlich. Millionen von Menschen, vor allem Kinder, sterben jedes Jahr daran.

Die Afrika-Initiative legt großen Wert auf die Gleichberechtigung der Forschungspartner. Sollte das nicht eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein?

Sicher, aber die Realität sieht anders aus. Wir haben vor dem Start der Afrika-Initiative festgestellt, dass afrikanische Forscher in internationalen Projekten vielfach als Probensammler betrachtet werden und kaum in die eigentliche Forschungsarbeit integriert sind. Oft herrscht das Vorurteil vor, in Afrika gebe es keine ebenbürtigen Forschungseinrichtungen. Das stimmt so nicht. Eine etablierte Einrichtung ist zum Beispiel das Albert-Schweitzer-Spital im gabunischen Lambaréné. Die 1913 von Albert Schweitzer gegründete Klinik ist Partner einiger von der DFG-geförderter Projekte. Inzwischen wurde die Klinik zu einer Art Exzellenzcluster ausgebaut, das die Regierung substanziell fördert. Dadurch werden nun auch internationale Geldgeber angezogen. Ein Dominoeffekt: Wenn mit diesen finanziellen Mitteln neue Projekte angestoßen werden, führt das auch dazu, dass sich der Status afrikanischer Wissenschaftler verbessert – und damit gerade für Nachwuchswissenschaftler Anreize geschaffen werden, in die Forschung zu gehen.

Damit sprechen Sie einen weiteren wichtigen Punkt der Afrika-Initiative an. Was sind denn in der afrikanischen Forschungslandschaft zunächst die Herausforderungen für Nachwuchswissenschaftler?

Ein großes Problem ist, dass der wissenschaftliche Nachwuchs nach dem Studium oder während der Promotion in die Rohstoffindustrie oder in die Telekommunikation geht, weil die Verdienstmöglichkeiten dort wesentlich besser sind und feste Stellen angeboten werden. Wer forschen will, verlässt in der Regel das Land oder sogar den Kontinent. Die Afrika-Initiative schafft einen vielleicht banal klingenden Anreiz – nämlich zunächst ein gesichertes Einkommen. Und wir sorgen für eine ordentliche wissenschaftliche Ausbildung. In den von uns geförderten Projekten lernen die Jungforscher, was es heißt, Wissenschaftler zu sein. Neben der administrativen Seite geht es uns vor allem auch um das Erlernen international eingesetzter wissenschaftlicher Methoden. Damit wollen wir auch erreichen, dass gut ausgebildete Forscher oder wissenschaftliche Mitarbeiter ihr Wissen in die Provinz tragen, es dort weitergeben und anwenden. Immer wieder stellen wir fest, dass sich viele afrikanische Wissenschaftler nicht kennen, obwohl sie im gleichen Land und oft sogar am gleichen Thema forschen – es gibt also wenig Austausch. Die DFG veranstaltet deshalb einmal im Jahr einen Workshop, der die Vernetzung fördert.

Und worin besteht der Anreiz für deutsche Forscher, in Afrika oder mit afrikanischen Partnern zu arbeiten?

Für die deutschen Wissenschaftler ist es sehr attraktiv, überhaupt Kontakt zu bestimmten Patienten zu bekommen. Und damit zu speziellen Krankheiten. Dabei stellen sie oft fest, dass die afrikanischen Partner in der Praxis sehr viel wissen. Uns geht es daher auch darum, dass sich eine Kultur entwickelt, die den afrikanischen Partner anerkennt. In vielen Projekten ist uns das schon gut gelungen. Insbesondere bei den europäischen Nachwuchswissenschaftlern hat in diesem Punkt schon ein Umdenken stattgefunden.

Auf welche Forschungserfolge sind Sie besonders stolz?

Neben der Tatsache, dass einige der geförderten Projekte hochkarätige Publikationen hervorgebracht haben – und das ist übrigens ein Anreiz für alle beteiligten Forscher und Institutionen – ist es gelungen, für die DFG völlig neue Wissenschaftsfelder zu erschließen. Oft erkranken Menschen in Afrika nämlich an sogenannten Koinfektionen, also an mehreren Krankheiten. Ein Beispiel ist Malaria-HIV. Koinfektionen wie diese beeinflussen sich gegenseitig und rufen völlig neue Krankheitsbilder hervor. Die große wissenschaftliche Herausforderung besteht darin, an möglichst viele Patienten mit ein und derselben Kombination von Krankheiten heranzukommen. Durch die bessere Vernetzung und den kontinuierlichen Austausch ist das nun einfacher. Damit hat auch die DFG für sich Neuland betreten – bisher wurden diese Themen eher epidemiologisch von großen internationalen Stiftungen gefördert, die weniger auf die Erforschung biologischer Ursachen ausgerichtet sind. ▪

Interview: Clara Görtz

ZUR PERSON

Dr. Andreas Strecker ist verantwortlich für die Afrika-Initiative der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Seit 2007 hat die DFG 30 Projekte gefördert und insgesamt etwa 25 Millionen Euro investiert. Das Programm unterstützt die Zusammenarbeit deutscher und afrikanischer Wissenschaftler bei der Erforschung vernachlässigter Infektionskrankheiten.

www.dfg.de/internationales/afrika