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„Katzenauge“ aus Deutschland auf dem Mond

Bei der Mondlandung vor 50 Jahren installierten die Astronauten ein Gerät, das bis heute wichtige Informationen liefert.

16.07.2019
Ein Laserreflektor des deutschen Unternehmens Heraeus steht auf dem Mond
Deutsches „Katzenauge“ auf dem Mond: der Laserreflektor von Heraeus © dpa

Hanau (dpa) - Wenn die Amerikaner am 20. Juli den 50. Jahrestag der ersten Mondlandung feiern, hat Deutschland einen kleinen Grund mitzufeiern. Denn seit jenem historischen Tag im Jahr 1969 steht deutsche Hightech auf dem Mond. Neil Armstrong und Buzz Aldrin stellten bei ihrem Besuch auf dem Erdtrabanten einen Laserreflektor aus Quarzglas ab, das vom hessischen Technologiekonzern Heraeus produziert wurde. Der Reflektor funktioniert bis heute - und dient unter anderem dazu, die Entfernung zwischen Erde und Mond genau zu bestimmen.

Wie ein Katzenauge wirft der aus 100 sogenannten Tripelprismen bestehende Reflektor seit 50 Jahren Laserstrahlen zurück, die von der Erde aus zu der Landestelle von Apollo 11 geschickt werden. Anhand der Zeit, die der Strahl für seine Reise zum Mond und zurück braucht, errechnen Wissenschaftler unter anderem den exakten Abstand zur Erde - im Schnitt rund 384.000 Kilometer.

Was ist das Besondere am Quarzglas aus Hanau?

Warum kam Quarzglas aus Hanau bei dem Prestigeprojekt der US-Raumfahrt zum Zuge? „Die Umweltbedingungen auf dem Mond sind extrem, und nur Heraeus war in den 1960er Jahre in der Lage, Quarzglas mit der geforderten Qualität herzustellen“, sagt Unternehmenssprecher Michael Schattenmann heute. Bei der Herstellung dieses Hightech-Werkstoffs, der den extremen Temperaturschwankungen und der aggressiven UV-Strahlung auf der Mondoberfläche standhalten müsse, habe das Familienunternehmen aus Hanau die Nase vorn. „Der patentierte Prozess zur Herstellung von optisch homogenem 3-D-Quarzglas war damals und ist heute immer noch weltweit einzigartig“, ergänzt der Sprecher.

Der Spiegel auf dem Mond ist gerade mal so groß wie ein Handkoffer. „Der Strahl fächert sich auf seinem Weg zur Mondoberfläche auf einen Durchmesser von rund zwei Kilometern auf“, erläutert der Heraeus-Sprecher. Damit überhaupt noch genau gemessen werden könne, dürfe es bei der Reflexion keinen Streuverlust mehr geben. Die Reinheit des Werkstoffs aus Hessen garantiere das. Zusätzlich zu dem Reflektor brachten 1971 die beiden Apollo-14- und Apollo-15-Missionen zwei weitere „Katzenaugen“ mit Hanauer Glas zum Mond. Sie helfen dabei, die schwankende Eigendrehung des Erdtrabanten genau zu vermessen.

Peter Hitzschke (r) und Gerhard Steiner, frühere Ingenieure bei Heraeus, präsentieren ein Tripelprisma.
Peter Hitzschke (r) und Gerhard Steiner mit einem Tripelprisma © dpa

„Wir waren auf dem Mond - alle miteinander“

Die Fernsehbilder von der Mondlandung verfolgten 1969 auch viele der rund 550 Mitarbeiter des Unternehmens, die direkt oder indirekt an der Produktion der Prismen beteiligt waren. „Wir wussten aber nicht, dass die Astronauten den Reflektor aufstellen“, erzählt der heute 82 Jahre alte Gerhard Steiner, der damals für die Qualitätsprüfung mitverantwortlich war.

„Als der Astronaut mit dem Koffer aus der Fähre ausstieg, wusste ich nicht, was es ist“, berichtet auch Peter Hitzschke (81). Als Ingenieur war er Ende der 60er Jahre Assistent des Fertigungsleiters bei Heraeus-Quarzglas. Dass es sich bei jenem Koffer um den Reflektor mit dem Hanauer Spezialglas handelte, sei erst in den Tagen nach der Landung bekannt geworden. Die Freude und die Begeisterung der Mitarbeiter sei dann riesig gewesen. „Und auch die Familienmitglieder waren stolz, dass ihr Mann oder ihre Tochter oder wer auch immer in so einer Firma arbeitete. Wir waren auf dem Mond - alle miteinander.“

Wie der Mond hilft, die Erde zu verstehen

Das vor 50 Jahre begonnene Experiment ist für die Wissenschaft kein alter Hut. Es nötigt auch heute noch Forschern Respekt ab. „Durch den Retroreflektor verstehen wir die Evolution der Mondbahn heute so genau, dass wir sie fast bis zur Erstehung des Mondes zurückrechnen können“, sagt der Mondexperte der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, Markus Landgraf. „Da der Mond und seine Umlaufbahn signifikante Effekte auf der Erde haben, verstehen wir auch die Bedingungen auf der Erde - etwa Gezeiten - in prähistorischen Zeiten.“

Doch damit nicht genug, wie Landgraf betont. Die Messung sei für die Wissenschaft wichtig, weil sie so genau sei. „Die Genauigkeit erlaubt die Untersuchung von Konzepten moderner Physik - speziell des Einsteinschen Allgemeinen Gravitationsgesetzes.“ Und der Reflektor funktioniere so gut, weil der Staub auf dem Mond - im Gegensatz zum Mars - meistens auf dem Boden bleibe, ergänzt Landgraf. „Im Allgemeinen bleiben Dinge auf der Mondoberfläche, zum Beispiel auch die Fußabdrücke der Apollo-Astronauten, auf dem Mond für Jahrzehntausende erhalten.“