Zum Hauptinhalt springen

30 deutsche Jahre: 1950 bis 1980

Von den Wirtschaftswunderjahren bis zur Entspannungspolitik – drei deutsche Jahrzehnte im Überblick.

16.05.2019
Konrad Adenauer
© picture-alliance/dpa

Die fünfziger Jahre

Ende und Neubeginn: Im Mai 1945 kapituliert der Nazistaat. Zwölf Jahre nationalsozialistische Diktatur haben Europa in den Abgrund getrieben, brachten Rassenwahn und grausamste Verbrechen und kosteten im Zweiten Weltkrieg und in den Vernichtungslagern fast 60 Millionen Menschen das Leben. Die alliierten Sieger teilen Deutschland in vier Zonen. Die Westmächte fördern den Aufbau einer parlamentarischen Demokratie, die Sowjetunion ebnet im Osten dem Sozialismus den Weg. Der Kalte Krieg beginnt. Am 23. Mai 1949 wird im Westen mit der Verkündung des Grundgesetzes die Bundesrepublik Deutschland gegründet. Am 14. August finden die ersten Bundestagswahlen statt, und Konrad Adenauer (CDU) wird Bundeskanzler. In der „Ostzone“ wird am 7. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik (DDR) gegründet. Damit ist Deutschland faktisch in Ost und West geteilt.

Die junge Bundesrepublik bindet sich intensiv an die westlichen Demokratien: 1951 gehört sie zu den Gründungsstaaten der Montanunion, 1957 zu den sechs Ländern, die in Rom die Gründungsverträge der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft – der heutigen Europäischen Union – unterzeichnen. 1955 tritt die Bundesrepublik dem westlichen Verteidigungsbündnis Nato bei. Die wirtschaftliche und soziale Stabilisierung schreitet rasch voran: Die Soziale Marktwirtschaft bringt in Verbindung mit der Währungsreform von 1948 und dem US-amerikanischen Marshallplan einen konjunkturellen Aufschwung, der bald als „Wirtschaftswunder“ bezeichnet wird. Gleichzeitig bekennt sich die Bundesrepublik zu ihrer Verantwortung gegenüber den Opfern des Holocaust: 1952 unterzeichnen Bundeskanzler Adenauer und Israels Außenminister Scharett ein Wiedergutmachungsabkommen. Gesellschaftliche Höhepunkte: der Sieg bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 und die Heimkehr der letzten deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion 1956.

Die sechziger Jahre

Der Kalte Krieg schwelt seinem Höhepunkt entgegen: Immer mehr Flüchtlinge verlassen die DDR in Richtung Wes­ten. Die „Zonengrenze“ wird daraufhin abgeriegelt, und am 13. August 1961 schließt die DDR-Regierung auch den bislang noch freien Zugang nach West-Berlin. Sie baut eine Mauer durch die Stadt, und die Grenze zur Bundesrepublik wird zum „Todesstreifen“: In den folgenden 28 Jahren verlieren viele Menschen ihr Leben bei dem Versuch, sie zu überwinden. Die amerikanische Garantie für die Freiheit West-­Berlins bekräftigt US-Präsident Kennedy in seiner gro­ßen Rede in Berlin 1963. Es ist ohnehin ein ereignisreiches Jahr: Im Januar wird der deutsch-französische Freundschaftsvertrag, der „Elysée-Vertrag“, als Akt der Versöhnung geschlossen. In Frankfurt am Main beginnen die „Auschwitz-Prozesse“, die die Deutschen intensiv mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit konfrontieren. Im Herbst wird Wirtschaftsminister Ludwig ­Erhard (CDU), der „Vater des Wirtschaftswunders“, nach dem Rücktritt Adenauers Bundeskanzler.

Drei Jahre später wird die Bundesrepublik zum ersten Mal von einer großen Koalition aus CDU/CSU und SPD regiert: Kurt Georg Kiesinger (CDU) ist Bundeskanzler, der Stellvertreter und Außenminister heißt Willy Brandt (SPD). Bis Mitte der sechziger Jahre floriert die bundesdeutsche Wirtschaft, mehr als zwei Millionen zusätzliche Arbeitskräfte werden in Südeuropa angeworben. Viele der „Gastarbeiter“ bleiben auf Dauer und holen ihre Familien nach.

Die zweite Hälfte der sechziger Jahre werden durch die Protestbewegung der Studenten und Intellektuellen gegen die „verkrusteten Strukturen“ und die starre Werteordnung geprägt. Sie verändert die politische Kultur und die Gesellschaft in Westdeutschland nachhaltig: Feminismus, neue Lebensformen, antiautoritäre Erziehung und sexuelle Freiheit, lange Haare, Diskussionen, Demonstrationen, Rebellion und neue Liberalität – die Demokratie in der Bundesrepublik testet sich in viele Richtungen aus. Die gesellschaftlichen Veränderungen dieser Zeit wirken bis heute nach. Im Oktober 1969 wird zum ersten Mal ein SPD-Politiker Bundeskanzler: Willy Brandt führt eine sozial-liberale Regierung, die zahlreiche innere Reformen vom Ausbau des sozialen Netzes bis zur Verbesserung des Bildungswesens umsetzt.

Die siebziger Jahre

Willy Brandt bezeugt seinen Respekt für die Opfer des Warschauer Ghettos mit einem Kniefall. Es ist der 7. Dezember 1970, und das Bild geht um die Welt. Es wird, 25 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, zum Symbol für die Bitte Deutschlands um Versöhnung. Am selben Tag unterzeichnet Brandt das deutsch-polnische Abkommen. Es legt als Teil der Ostverträge die Grundlage einer neuen Friedensarchitektur. Ade­nauers gelungener Westbindung will Brandt die Öffnung nach Osteuropa folgen lassen: „Wandel durch Annäherung“. Im März 1970 hatte in Erfurt in der DDR bereits das erste deutsch-deutsche Gipfeltreffen zwischen Brandt und dem Vorsitzenden des DDR-­Ministerrates Willi Stoph stattgefunden. 1971 wird Willy Brandt für seine Politik der Verständigung mit den Staaten Osteuropas mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Im gleichen Jahr erkennt die Sowjetunion mit dem Viermächteabkommen die faktische Zugehörigkeit West-Berlins zur Wirtschafts-, Gesellschafts- und Rechtsordnung der Bundesrepublik an. Es tritt zusammen mit den Ostverträgen 1972 in Kraft und entspannt die Lage im geteilten Berlin. 1973 vereinbaren die Bundesrepublik und die DDR im Grundlagenvertrag, dass sie „normale gutnachbarliche Beziehungen“ zueinander aufnehmen. Ebenfalls 1973 werden beide deutschen Staaten Mitglieder der Vereinten Nationen. Nach der Enttarnung eines DDR-Spions in seinem unmittelbaren Umfeld tritt Willy Brandt 1974 als Kanzler zurück. Sein Nachfolger wird Helmut Schmidt (SPD). Wirtschaftlich prägt seit 1973 die einsetzende Ölkrise das Land.

Die siebziger Jahre sind ein Jahrzehnt des äußeren Friedens, aber innenpolitisch unruhig: Die Terroristen der Rote Armee Fraktion (RAF) um Andreas Baader und Ulrike Meinhof wollen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft durch Anschläge und Entführungen erschüttern. 1977 ist der Terror auf dem Höhepunkt – am Ende steht der Selbstmord der führenden Terroristen in der Haft.