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In Japan geht die Sonne auf

Deutsche Unternehmen beteiligen sich in Japan am Aufbau von Solarkraftwerken.

17.06.2013
Solar
© picture-alliance/Kyodo - Solar

Fukushima hat große Ziele. Wenn es nach den Plänen von Gouverneur Yuhei Sato geht, will sich die Präfektur 2040 allein aus erneuerbaren Energien versorgen. Die Region, dessen Name seit 2011 in der ganzen Welt mit dem verheerenden Unfall im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi in Verbindung gebracht wird, soll dank Photovoltaik und Windkraft wiederauferstehen. Das teilweise in der Sperrzone liegende Dorf Kawauchi machte nun den Anfang – gemeinsam mit einem deutschen Partner. Das Öko-Zentrum NRW investiert zusammen mit einer japanischen Ingenieursgesellschaft 1,8 Milliarden Yen (ca. 15 Millionen Euro) in ein 6-Megawatt-Solarkraftwerk am westlichen Rande der Gemeinde. Im März unterschrieben Manfred Rauschen, Geschäftsführer des Öko-Zentrums, und Bürgermeister Yuuko Endo die Pachtverträge für das 9 Hektar große Areal. „Man hat uns sehr unbürokratisch geholfen, die Genehmigungen zu bekommen“, sagt Rauschen. Auf den Feldern und Wiesen, deren Nutzung für die Energieerzeugung ursprünglich ausgeschlossen war, wollen die Westfalen ab dem nächsten Jahr grünen Strom für 2000 Haushalte produzieren. Das „Pilotprojekt“ ist eine echte deutsch-japanische Koproduktion: Deutschland liefert die Solarmodule, Japan die Wechselrichter.

Fukushima ist kein Einzelfall. Von Hokkaido bis Okinawa setzen sich tausende Privatleute Photovoltaikanlagen aufs Dach, viele Investoren bauen auf der grünen Wiese Solarkraftwerke, in Japan „Mega Solar“ genannt. Fährt man durch das Land, springen einem immer öfter die silbern glänzenden Solarpanels ins Auge: auf Fabrikdächern, Wohnblöcken, Supermärkten und Freiflächen. Die seit Juli 2012 geltende Einspeiseverordnung verpflichtet die großen Versorger dazu, Strom aus erneuerbaren Energiequellen für 20 Jahre zu festen Tarifen abzunehmen. Das Einspeisegesetz, ein System nach deutschem Vorbild, hat zu einem regelrechten Run auf die grüne Energietechnik geführt. Viele Haushalte entschlossen sich noch im März vor Ende des Finanzjahres dazu, eine Solaranlage zu bestellen, rechtzeitig, bevor der Tarif um zehn Prozent gesenkt wurde. Doch selbst mit der aktuell geltenden Einspeisevergütung büßt Japan nichts an seiner Attraktivität ein. Für 2013 erwarten Industrieanalysten eine regelrechte Explosion der Nachfrage. Nach Prognosen des Marktforschungsunternehmens IMS Research wird sich der Markt für Photovoltaik 2013 mehr als verdoppeln. Mit mehr als 5 Gigawatt an neuer Kapazität könnte Japan zum zweitgrößten Markt weltweit aufsteigen, sogar noch vor Deutschland.

Deutschland gilt in Japan als Vorreiter in Sachen Umweltschutz und Nutzung von erneuerbaren Energien. Als der Bundestag kurz nach Fukushima den Ausstieg aus der Kernkraft beschloss, staunten viele über die „Weitsichtigkeit“ der deutschen Politik. Das Interesse auf japanischer Seite, von der deutschen Energiepolitik zu lernen, ist groß. Immer wieder laufen auf NHK und anderen TV-Sendern Berichte über die Energiewende in Deutschland. Veranstaltungen in Tokyo wie der „Solar Day“ der Fraunhofer-Gesellschaft oder das im Frühjahr durchgeführte deutsch-japanische Windkraftsymposium der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Japan sind voll besetzt. Auch japanische Delegationsreisen nach Deutschland haben seit der Katastrophe vom 11. März zugenommen. Viele Unternehmer und Regierungsvertreter besuchen Windparks an der Nordsee oder suchen das Gespräch mit Energieexperten und lokalen Bürgerinitiativen.

„Wir wollen Japan bei der Energiewende helfen“, sagt Öko-Zentrum-Chef Rauschen. Denn Japan habe Nachholbedarf. Trotz der jüngsten Zubauten ist der Anteil der Erneuerbaren noch bescheiden. Während Deutschland schon mehr als ein Fünftel seines Stroms aus alternativen Energieträgern speist, decken Sonne, Wind und Biomasse bisher nur wenige Prozent des japanischen Bedarfs. Das soll sich nun ändern – auch dank deutscher Unterstützung. Photovoltaik-Zulieferer wie der Weltmarktführer bei Wechselrichtern SMA aus Kassel und der Gerüstbauer Schletter haben sich inzwischen in Japan erfolgreich niedergelassen und bauen ihr Vertriebsnetz aus.

Für die großen Megasolarfabriken, die nun im ganzen Land entstehen sollen, ist aber vor allem Projekt-Know-how gefragt. Davon haben deutsche Unternehmen in den letzten Jahren reichlich gesammelt: Die Firma Juwi aus Rheinhessen etwa, 1996 als Zweimann-Büro gegründet, hat mit ihren inzwischen mehr als 1800 Mitarbeitern Dutzende von Windparks, Solarstromanlagen und Biomasseprojekte in den USA, Indien und vielen europäischen Ländern inklusive Deutschland realisiert. Seit Jahresbeginn bringen die Deutschen ihre Erfahrung in ein neu gegründetes Gemeinschaftsunternehmen mit der japanischen Firma Shizen Energy ein. Im Dezember ging bereits das erste Megawatt-Projekt auf der Südinsel Kyushu am Rande der Stadt Kumamoto in Betrieb. „Erneuerbare Energien sind eine große Chance für Japan“, sagt Martin Winter, Finanzvorstand der juwi-Gruppe. Nicht nur wegen der großzügigen Förderung, sondern auch wegen der vielen Sonnenstunden. Für dieses Jahr plant die Gemeinschaftsfirma juwi Shizen Energy Projekte mit einer Leistung von 120 Megawatt. Bis 2017 könnte sich die Leistung auf ein Gigawatt verachtfachen.

Juwi ist nicht allein. Mit ihrem Projekt-Know-how wollen auch andere deutsche Firmen in Japan punkten: Die Berliner Firma Photovolt Development Partners berichtete im April, sie habe die Genehmigung des Wirtschaftsministeriums (METI) erhalten, auf der südwestlichen Insel Ukushima in der Präfektur Nagasaki ein riesiges 475-Megawatt-Solarkraftwerk zu errichten. Das Kraftwerk soll in den Jahren 2015 bis 2016 in Betrieb gehen. Einfach ist das Unterfangen nicht. Um den Solarstrom ins Netz einspeisen zu können, muss die Insel noch per Unterseekabel mit dem 75 Kilometer entfernten Festland verbunden werden. Auch in Miyagi, Tochigi, Chiba und Shiga hat das Unternehmen kleinere Anlagen geplant. Während der Solarmarkt boomt, will sich der Markt für Windkraft noch nicht so richtig entwickeln. Die vom METI bewilligten Anträge für Windkraft machen nur ein Zehntel der Solarstromkapazitäten aus. Die im Vergleich zur Photovoltaik geringeren Einspeisetarife sind ein Grund für die Zurückhaltung. Oft scheitern Pläne aber auch am mangelnden Platz und dem Widerstand der Anwohner. Außerdem fehlen die Übertragungsleitungen, die den grünen Strom aus Hokkaido in die Hauptstadt Tokyo transportieren könnten. Probleme, die man aus Deutschland kennt.

Dabei gibt es unter japanischen Investoren durchaus Interesse an dem Netzausbau. Mitsubishi Corporation, Japans größtes Handelshaus, hat jüngst angekündigt, 240 Millionen Euro in den Bau von zwei Unterwasserkabeln für große Windparks zu investieren. Doch das Geld fließt nicht in ein Projekt im Heimatland. Mitsubishi beteiligt sich damit an der deutschen Energiewende. Gemeinsam mit dem Netzbetreiber Tennet will der japanische Konzern die großen Offshore-Windparks vor der deutschen Nordseeküste ans Netz anschließen. ▪

Pascal Gudorf