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Das sind unsere Lieblingsbücher

Lesend lernen sie Deutsch: Neun junge Leute aus vier Ländern stellen ihre Lieblingslektüre vor. Ein spannendes Spektrum.

deutschland.de, 26.10.2017
Radina Karaivanova
Radina Karaivanova © privat

Deutschland. Wir haben junge Deutschlernende nach ihren deutschsprachigen Lieblingsbüchern gefragt. Sie besuchen Sprachdiplomschulen, die zum Netzwerk der Initiative „Schulen: Partner der Zukunft (PASCH)“ gehören.

Radina Karaivanova (17) aus Bulgarien, Fremdsprachengymnasium „Exarch Josif I“ in Lovech

„Mein deutschsprachiges Lieblingsbuch ist ‚Die Bücherdiebin‘ von Markus Zusak. Eine berührende Geschichte. Beeindruckend ist der Schreibstil, denn der Tod ist der Erzähler. Die Geschichte spielt während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland. Das Mädchen Liesel Meminger entdeckt seine Leidenschaft für Bücher und dass Worte ein mächtiges Mittel der Manipulation sein könnten. Liesel freundet sich mit einem jüdischen Mann an und beweist, dass weder kulturelle noch religiöse Unterschiede einer echten Freundschaft Grenzen setzen. Die Geschichte ist zwar fiktiv, hält sich aber an historische Fakten.“

Wang Yiqi (18) aus China, Shanghai Foreign Language School

„‚Das Glasperlenspiel‘ von Hermann Hesse ist mein Lieblingsbuch, weil Hesse darin eine perfekte Bildungszivilisation beschrieben hat. Es wundert mich, wie die Hauptfigur Knecht ein Gleichgewicht zwischen Realität und Utopie erreicht. Faszinierend sind die Erlebnisse der Erleuchtung bei der Meditation. Das Buch bietet eine europäische Perspektive auf die östliche Philosophie.“

Yang Yichen (17) aus China, Shanghai Foreign Language School

„Mit gefällt ‚Die Verwandlung‘ von Franz Kafka am besten. Es handelt vom Geschäftsreisenden Gregor Samsa, der sich in einen Käfer verwandelt. Ich war sehr beeindruckt, wie detailliert der Autor die Bewegungen und den seelischen Zustand Gregors beschrieben hat. Außerdem vermittelt das Buch, wie man aus Profitgier die Menschlichkeit verlieren kann.“

Wang Yiqi, Yang Yichen
Wang Yiqi, Yang Yichen © privat

Tsvetoslava Nikolova (18) aus Bulgarien, Fremdsprachengymnasium „Exarch Josif I“ in Lovech

„Mein Lieblingsbuch ist ‚Ruhm‘ von Daniel Kehlmann aus dem Jahr 2009. In neun Geschichten zeigt er, wie moderne Kommunikationstechniken zum Wirklichkeitsverlust führen können. Dieses Buch gefällt mir sehr, weil es abwechslungsreich ist. Die Figuren tauchen auf und verschwinden wieder, verändern oder tauschen ihre Identität, werden vergessen. Neun Episoden ordnen sich zu einem romanhaften Gesamtbild — ein raffiniertes Spiel mit Realität und Fiktion. Ich habe darin Helden mit positiven und negativen Seiten kennengelernt. Es war ein Lesevergnügen! Das Buch hat mir geholfen, viele interessante deutsche Wörter zu lernen.“

Sophie Susanne Odenthal (12) aus Brasilien, Colégio Sinodal Doutor Blumenau in Pomerode/Santa Catarina

„Ich lese sehr gerne Bücher aus Deutschland. Mein Lieblingsbuch im Moment ist ‚Winston – Agent auf leisen Pfoten‘ von Frauke Scheunemann. Es handelt von Winston, einem Kater, der ein berühmter Geheimagent sein will und einen Kriminalfall löst. Ich finde dieses Buch sehr spannend und konnte gar nicht aufhören zu lesen.“

Tsvetoslava Nikolova, Sophie Susanne Odenthal
Tsvetoslava Nikolova, Sophie Susanne Odenthal © privat

Romane Esmingeaud (17), Schülerin des Lycée Henri-IV in Paris, Frankreich

„‚Gefühltes Deutschland‘ von Katja Berlin (2015) enthält zahlreiche Grafiken, die humorvoll Fakten über Deutschland vermitteln und mit Klischees über Land und Leute spielen. Zum Beispiel habe ich im Säulendiagramm ‚Schwierigkeitsgrad‘ gelesen, dass das deutsche Steuerrecht zweimal schwerer sei als die deutsche Sprache - aber das schwerste überhaupt sei die deutsche Mülltrennung. Ich habe oft gelacht und sehr viele Kleinigkeiten über Deutschland gelernt, die nicht im Unterricht behandelt werden.“

Romane Esmingeaud
Romane Esmingeaud © privat

Anne Weiler (17), Schülerin des Lycée Henri-IV in Paris, Frankreich

„Die ‚Schachnovelle‘, die Stefan Zweig zwischen 1938 bis 1941 schrieb, hat mich besonders berührt. Diese fesselnde Novelle handelt vom Schicksal eines Häftlings und gibt gleichzeitig Hoffnung: Auch in den schlimmsten Lagen kann der Mensch frei bleiben - dank Vernunft, Mut, Intelligenz und festem Willen.

Es geht um das psychische Überleben eines Mannes, der tagelang allein eingesperrt ist und Verhören unterzogen wird. Um nicht verrückt zu werden, lernt er mit Hilfe eines gestohlenen Buches, weltberühmte Schachpartien nachzuspielen. Dadurch gelingt es ihm nicht nur den Schachweltmeister zu schlagen, sondern auch dem Wahnsinn zu entgehen. Doch auch die Leidenschaft für Schachpartien droht zur Besessenheit zu werden. Der Leser wird in die Gedanken des Spielers hineingezogen und ist mit von der Partie.“

Tiffany Tran-Heinerich, Stefan Remond
Tiffany Tran-Heinerich, Stefan Remond © privat

Tiffany Tran-Heinerich (17), Schülerin des Lycée Henri-IV in Paris, Frankreich

„Eins meiner deutschsprachigen Lieblingsbücher ist ‚Tschick‘ von Wolfgang Herrndorf  (2010). Es ist mit Frische und Humor geschrieben, trotzdem ist der Inhalt sehr ernst. Maik Klingenberg und Andrej Tschichatschow (‚Tschick‘) erleben mit 14 Jahren zum ersten Mal Freiheit und staunen über die Welt, die sie entdecken. Die Überraschung dieser Jungs angesichts ungewöhnlicher Menschen und Situationen ist ansteckend. Das ist die Meisterleistung von Wolfgang Herrndorf: Er schafft es, dass wir an diese so ungewöhnliche Geschichte glauben.“

Stefan Remond (17), Schüler des Lycée Henri-IV in Paris, Frankreich

„Mein Lieblingsbuch ist ‚Die Leiden des jungen Werther‘ von Goethe, weil es so poetisch geschrieben ist, dass ich nachempfinden konnte, was Werther fühlt. Goethes Sprache ist wunderbar. Selten ist es Schriftstellern gelungen, das Gefühl der Liebe so fein auszudrücken. Deshalb habe ich dieses Buch mit Herz und Seele gelesen. Außerdem hat es mir vermittelt, was ‚Sturm und Drang‘ bedeutet."