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Deutsche Kunst in der Verbotenen Stadt

Die Ausstellung „Deutschland 8“ präsentiert die bekanntesten deutschen Künstler in Peking. Ein Interview mit Kurator Walter Smerling.

deutschland.de, 14.09.2017
Taimiao Tempel in der Verbotenen Stadt
Taimiao Tempel in der Verbotenen Stadt © Tojan76/wikipedia

Foto: Creative Commons

Herr Professor Smerling, nach „China 8“, einem Überblick über die zeitgenössische chinesische Kunst an acht Orten in Deutschland, kommt jetzt „Deutschland 8“ in China. Worauf können sich die Besucher freuen?

Auf eine Expedition durch 60 Jahre Kunst aus Deutschland. Wir zeigen rund 300 Werke von 55 Künstlern, die aus der deutschen Kunstszene nicht wegzudenken sind: Joseph Beuys, Andreas Gursky, Alicja Kwade, Neo Rauch oder Gerhard Richter, um nur ein paar Namen zu nennen. Die Ausstellung hat natürlich keinen enzyklopädischen Anspruch, aber sie bietet einen intensiven Einblick in die Entwicklung, Vielfalt, mitunter auch Gegensätzlichkeit der künstlerischen Positionen unseres Landes.

Walter Smerling, Kurator der Ausstellung „Deutschland 8“
Walter Smerling, Kurator der Ausstellung „Deutschland 8“ © Bernd Bodtlaender

Die Namen der Künstler entsprechen dem Who‘s who der aktuellen deutschen Kunstszene. Gibt es auch Überraschungen, etwa Künstler oder Werke mit besonderem Bezug zu China?

Werke von Kiefer, Polke oder Uecker in der Verbotenen Stadt, in einem kaiserlichen Ahnentempel – das ist für alle Beteiligten ein Markstein und die Überraschung war zunächst auf unserer Seite: Nie zuvor war im Taimiao Tempel zeitgenössische Kunst eines westlichen Landes zu sehen und wir fühlen uns geehrt, dass man uns diesen Ausstellungsort überhaupt angeboten hat.

Wir fühlen uns geehrt, dass man uns diesen Ausstellungsort in der Verbotenen Stadt überhaupt angeboten hat
Kurator Walter Smerling

Für das chinesische Publikum gibt es einige Überraschungen: Nicht wenige der Künstler sind im Westen bekannt, werden aber in China erstmals gezeigt. Bei der Auswahl haben wir individuelle Affinitäten zu China nicht berücksichtigt, wohl aber das Lehrer-Schüler-Verhältnis, das in der chinesischen Kunstszene traditionell große Bedeutung hat. Die Ausstellung im Yuan Art Museum beispielsweise setzt die Werke von Katharina Grosse und ihrem ehemaligen Lehrer Gotthard Graubner in Dialog.

Die Ausstellungsorte sind nach Themen und Gattungen unterteilt. Wie in etwa?

Im Red Brick Art Museum zeigen wir wichtige Vertreter der abstrakten und informellen Kunst. Die Werke von Peter Brüning, K.O. Götz, Gerhard Hoehme, Bernard Schultze, Emil Schumacher und Fred Thieler symbolisieren den Neuanfang der Kunst in Deutschland nach 1945 und den Anschluss an die internationale Gegenwartskunst mittels Abstraktion.

Herz der Ausstellung ist natürlich der Taimiao Tempel in der Verbotenen Stadt. Hier liegt der Fokus auf Werken derjenigen Nachkriegskünstler, denen es gelungen ist, mit ihren Werken international wahrgenommen zu werden. Künstler wie Joseph Beuys, Anselm Kiefer oder Gerhard Richter haben entscheidend dazu beigetragen, Kunst „made in Germany“ wieder als Qualitätsmerkmal zu etablieren.

Sigmar Gabriel, Bundesaußenminister, bei der Eröffnung der Ausstellung in Peking
Sigmar Gabriel, Bundesaußenminister, bei der Eröffnung der Ausstellung in Peking © dpa

Die Vielfalt der erfolgreichen deutschen Kunstszene belegen die Positionen im CAFA Art Museum. Ob Thomas Demand, Katharina Fritsch, Jörg Immendorff, Hubert Kiecol oder Rosemarie Trockel – hier treffen höchst unterschiedliche Herangehensweise aufeinander. Die Fotografie ist im Minsheng Art Museum mit Katharina Sieverding und Andreas Mühe sowie den großen Vorreitern der modernen Fotografie in Deutschland, Bernd und Hilla Becher, und wichtigen Vertretern der berühmten Becher-Schule prominent vertreten.

Ausgewählte Video- und Medienkunst von Harun Farocki bis Marcel Odenbach zeigt das Today Art Museum. Das Withebox Art Center schließlich gibt mit jüngeren Positionen von Alicja Kwade bis Matthias Weischer einen vielversprechenden Ausblick. Und das Yuan Art Museum zeigt den Dialog Graubner-Grosse. Der achte Ort ist eine „verbale Ausstellung“ in Form eines Symposiums, bei dem der interkulturelle Dialog und die Diskussion über Kunst, eines unserer zentralen Anliegen, als eigene Station gewürdigt wird.

Von „China 8“ haben Sie sich Nachhaltigkeit erhofft. Hat sich die Rezeption chinesischer Kunst in Deutschland durch die Ausstellung verändert? Wie war die Resonanz?

Die Resonanz hat unsere Erwartungen deutlich übertroffen, 118.000 Besucher haben die Ausstellung gesehen. Allein die Tatsache, dass sich neun Häuser in acht Städten zusammengetan haben und eine Region sich so geschlossen präsentiert hat, empfinde ich bis heute als wegweisend. Sicherlich wird chinesische Kunst hierzulande noch immer oft mit Ai Weiwei gleichgesetzt, aber ich denke, wir haben deutlich machen können, dass die chinesische Kunstszene enorm vielfältig  und vital ist und einige „China 8“-Künstler sind mittlerweile international sehr erfolgreich.

Vor allem aber hat sich ein so nachhaltiger Dialog entwickelt, dass es in der Folge überhaupt zu „Deutschland 8“ kommen konnte. Dass man uns eingeladen hat, diese Ausstellung ohne Wenn und Aber in Peking auszurichten, ist ohne die gute Kooperation und den Erfolg von „China 8“ nicht denkbar. Und dieser Vertrauensbeweis erfüllt mich mit großer Dankbarkeit.

Interview: Martin Orth

© www.deutschland.de