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Mein Israel, mein Deutschland

Das Internet macht es möglich, dass es heute viele verbindende Stimmen zwischen Deutschland und Israel gibt. Blogs erzählen Geschichten, die in keiner Zeitung stehen.

Astrid Herbold, 19.12.2014
© Philipp Spalek - Israel, Deutschland

Eigentlich wollte sie nur ihr Sabbatical im sonnigen Israel genießen. Aber dann gab es so viel zu sehen und zu erzählen, dass die deutsche Journalistin Sophie Albers Ben Chamo einfach nicht aus ihrer Haut konnte. „Es hat mich ganz kirre gemacht, dass ich nichts zu tun hatte. Zumal an jeder Ecke eine Geschichte wartete“, sagt sie. So beginnt sie im März 2014 aufzuschreiben, was sie mit ihrem Mann in dessen Heimat erlebt. Die rasanten Fahrten mit den öffentlichen Bussen in Haifa, die ungewohnten Umarmungen der Großfamilie, das turbulente Straßenleben, die Bootsfahrt auf den Spuren der Schwieger-Großeltern, die aus Marokko flohen.

Auf der Webseite blogs.stern.de/meinisrael des Magazins „Stern“, für das Sophie Albers Ben Chamo schreibt, veröffentlicht sie ihre Texte. Entstanden ist ein Blog, der mehr ist als ein privates Reisetagebuch. Eher ein ungewöhnliches journalistisches und emotionales Experiment. Denn Sophie Albers Ben Chamo spart weder ihre persönliche Verunsicherung noch politische Konflikte aus: „Wir sitzen auf dem Balkon in der Sonne, nachdem meine Schwiegermutter die ganze Wohnung für den Schabbat geputzt hat. Und ich frage europäische Fragen, frage nach ihrer Meinung zu den Palästinensern.“

Nach einigen Monaten ist die berufliche Auszeit in Israel vorbei, und das Paar kehrt nach Deutschland zurück. Nun ist Ehemann Avi Albers Ben Chamo in der Rolle des beobachtenden Fremden. Er beginnt englische Texte für den Blog zu schreiben, über seine früheren Aufenthalte in Deutschland, über die Distanziertheit der Deutschen, das anonyme Leben in der Großstadt. Gerade das gefällt ihm jetzt: „Ich fühle mich jeden Tag inspiriert, ich bin in Berlin. Ich lebe im Jetzt und nicht in der Vergangenheit. Vielleicht ist das der Grund dafür, warum dieser kalte, dunkle Ort uns Israelis so gut tut. In Berlin erwartet niemand, dass ich mich erkläre. Und das ist genau das, was ich gerade brauche.“

Mittlerweile zieht die Website zwischen 10.000 und 27.000 Leser im Monat an, erzählt Sophie Albers Ben Chamo. Israelische und deutsche Nutzer lesen mit und die Kommentare seien „wirklich herzlich und nett“. Das liegt sicher an dem ungewöhnlichen Stil des Blogs. Beide Autoren sparen Kritik, Zweifel, Selbstironie und Alltagsabsurditäten nicht aus, blicken dabei aber immer respektvoll, ja fast liebevoll auf die Kultur des anderen.

Das Internet ermöglicht viele Formen des Dialogs. Dazu gehört auch ein differenzierter, ausgeruhter Journalismus. Ausführliche Hintergrundberichte und Interviews, Reportagen über Land und Leute, die im täglichen Mediengeschäft oft zu kurz kommen – das ist das Markenzeichen des deutschen Fernseh-Korrespondenten Richard C. Schneider. Der ARD-Journalist berichtet in seinem Videoblog „Zwischen Mittelmeer und Jordan“ http://www.tagesschau.de/videoblog/zwischen_mittelmeer_und_jordan/ seit Juni 2013 aus dem Nahen Osten. „Es sind diese krassen Gegensätze, die die Arbeit im Studio Tel Aviv so spannend machen. Die Diskrepanz zwischen Erster und Dritter Welt, die Wiege dreier Weltreligionen, die mehr oder weniger miteinander im Streit liegen, das Zentrum eines der wichtigsten Konflikte der Weltpolitik, Menschen aus über 120 Ländern auf kleinstem Raum, die alle ihre Kulturen mitgebracht haben“, schreibt Schneider. Über 40 Videoblog-Beiträge von Schneider sind mittlerweile im Netz abrufbar.

Den umgekehrten Blick, den auf „israelisches Leben in Deutschland“, hatten Volontäre der Axel Springer Akademie, einer Berliner Journalistenschule, vor einigen Jahren gestartet: die Website www.spree-aviv.de. Auf der Seite, die aufgebaut ist wie ein klassisches Onlinemagazin, geht es um jüdischen Humor, um Kulinarisches, um Zeitgeschichte, Medizin, Kultur – und die oft gemischten Gefühle, die für Israelis mit einem Leben in Deutschland einhergehen. Interviews und Reportagen wechseln sich ab mit sehr persönlichen Texten. Leider hat es die Autoren mittlerweile beruflich in alle Winde zerstreut. So ist die Seite zwar immer noch online und lesenswert, wird aber seit geraumer Zeit nicht mehr aktualisiert. Schade, denn sie hätte das Zeug dazu gehabt, neben dem Blog von Sophie und Avi Albers Ben Chamo eine echte Brücke zwischen den Ländern zu schlagen.

Manchmal sind die Websitebetreiber weder Journalisten noch Institutionen, sondern schlicht engagierte Bürger. Ilan Weiss, der vor 20 Jahren von Israel nach Berlin kam, wollte anderen Landsleuten den Umzug nach Deutschland erleichtern – und rief die hebräische-deutsche Seite www.israelisinberlin.de ins Leben. Heute hat die Seite rund 10.000 Besucher im Monat. Zu den meistgeklickten Texten gehören die mit den praktischen Erklärungen: Wie und wo findet man in Deutschland Wohnungen und Jobs? Was ist bei Anträgen und Behördengängen zu beachten? „Die Intention der Webseite ist es, Informationen bereitzustellen, wie man in Deutschland zurechtkommt“, sagt Weiss. Außerdem gibt es eine Rubrik mit Kleinanzeigen und einen Veranstaltungskalender für Berlin, der Filme, Lesungen und Ausstellungen auflistet. Besonders lebhaft geht es im Forum zu, wo sich die neu Zugezogenen gegenseitig austauschen und mit Tipps helfen. ▪

 

Bloggende Museen

Auch die Jüdischen Museen in Deutschland haben längst die Möglichkeiten des Internets für sich entdeckt. Ein Blog ist dabei informeller als die offizielle Museumswebseite, besticht gerade durch seinen Werkstattcharakter: Hier kann man einzelne Künstler vorstellen oder flankierende Informationen zu Ausstellungen bereitstellen.

Das Jüdische Museum Berlin bloggt mittlerweile ebenso wie das Jüdische Museum Franken und das Jüdische Museum München www.juedisches-museum-blog.de.