Zum Hauptinhalt springen

Erinnern und Versöhnen

Mit einer Kunstinstallation in Dresden verknüpft ein deutsch-syrischer Künstler das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg mit dem Bürgerkrieg in Syrien. Frank Richter, Geschäftsführer der Stiftung Frauenkirche, spricht im Interview über Erinnerung, Versöhnung und schwierige Gesprächspartner.

15.02.2017
© dpa - Art

Noch bis April 2017 mahnt eine Kunstinstallation in Dresden zum Frieden und verknüpft die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg mit dem heutigen Bürgerkrieg in Syrien. Frank Richter ist Geschäftsführer der Stiftung Frauenkirche Dresden und hat sein Büro keine hundert Meter entfernt vom Neumarkt, auf dem noch bis zum 3. April 2017 eine Skulptur aus hochkant stehenden Bussen an ein Schutzschild der Bevölkerung in Aleppo gegen Scharfschützen erinnert. Im Interview spricht Richter über Versöhnung, Erinnerung und die Besonderheit der Gedenkkultur in Dresden.

Frank Richter

Herr Richter, mit der Installation von Manaf Halbouni wird die Erinnerung an die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg direkt mit aktuellen Konflikten verknüpft. Warum wollte die Stadt damit ein Zeichen setzen?

Es geht um Mitmenschlichkeit. In Dresden sind während des Zweiten Weltkriegs und insbesondere am 13. und 14. Februar 1945 viele Tausende Menschen ums Leben gekommen; Historiker sprechen von 25.000. Wenn man daran erinnert, denkt man natürlich auch daran, dass durch den von Deutschland verursachten Krieg vorher viele Millionen Menschen in anderen Ländern und Städten Europas ums Leben gekommen sind. Die eine Erinnerung kann von der anderen nicht getrennt werden. Ebenso gelingt es mir nicht, an den Zweiten Weltkrieg zu denken, ohne mich daran zu erinnern, dass der Krieg aktuell an vielen Orten dieser Welt herrscht und wiederum Menschen sterben. Dafür steht das Kunstwerk. Es ist in der Deutung sehr offen gehalten. Aber eine Deutung ist evident: die Weitung des Erinnerns auf die Aktualität des Krieges in Syrien und anderswo. Aus diesem Grund tat und tut diese Kunstinstallation gut.

Als die Skulptur „Monument“ aufgebaut wurde, waren einige Bürger erzürnt und sahen das Andenken an die Toten Dresdens geschmälert, weil die Skulptur die Aufmerksamkeit auf Aleppo richte. Wie sollte man diesen Kritikern am besten begegnen?

Die alltägliche Wirklichkeit begegnet den Kritikern am besten und nimmt sie zugleich ernst. Seit über einer Woche steht die Installation nun auf dem Neumarkt. Ich gehe täglich hin und sehe jedes Mal Menschen, wie sie innehalten, stehen bleiben und miteinander sprechen. Inzwischen ist das Denkmal von Blumen bedeckt, auch Texte und kleine Botschaften wurden abgelegt. Die Installation hat bewirkt, dass Menschen ins Gespräch kommen, die sonst aneinander vorübergegangen wären. Ja, es ist richtig, dass am Tag der öffentlichen Präsentation eine kleine und laute Minderheit das Bild beherrscht hat. Das war nicht nur ärgerlich; es war zum Teil abstoßend. Wichtiger scheint mir die Mehrheit der Bevölkerung. Es gibt viele Dresdner und auch Gäste, die der Installation kritisch gegenüber stehen. Sie kommen, nicht um zu brüllen, sondern um sich ein eigenes Urteil zu bilden und mit anderen zu diskutieren.

Viele im Zweiten Weltkrieg zerstörte Städte haben eine eigene Erinnerungs- und Gedenkkultur entwickelt. Die Intensität und auch die Kontinuität, mit der Dresden an den 13. Februar 1945 erinnert, ist allerdings besonders ausgeprägt und damit einzigartig. Woran liegt das?

Es gibt viele Gründe. Einer ist sicher die schwere Traumatisierung, die das Bombardement bei vielen Betroffenen ausgelöst hat. Ich möchte an dieser Stelle nur an den verheerenden Feuersturm erinnern, der dazu führte, dass Menschen bei lebendigem Leibe verbrannten. Man muss konstatieren, dass die nach dem 13. Februar 1945 einsetzende, nationalsozialistische Propaganda tiefe Spuren hinterlassen hat. Bestimmte Formulierungen fanden sich wieder in ideologisch aufgeladenen Ansprachen und Texten zu Zeiten der DDR. Teile der Bürgerschaft Dresdens allerdings sind der sozialistischen, gedenkpolitischen Instrumentalisierung des 13. Februar niemals gefolgt und haben sich um eine differenzierte Darstellung bemüht, insbesondere kirchliche und künstlerische Kreise. Um die richtige politische Form des Gedenkens wurde immer wieder gestritten, auch um die unterstellte oder tatsächliche Selbstbezogenheit des Dresdner Gedenkens.

Bis heute fühlen sich die Dresdner ihrer Stadt besonders verbunden.

Die Dresdner lieben ihre Stadt! Wenn 12.000 Menschen zum Gedenktag eine Menschenkette durch die ganze Stadt bilden, dann ist das ein zutiefst eindrückliches Ereignis. Es belegt, dass sich die Dresdner zahlreich und intensiv mit ihrer Stadt identifizieren. Die Schattenseite dessen, auch die Schattenseite der Prominenz Dresdens, ist ein übertrieben positives Selbstbild. Vieles, was sich in Dresden abspielt, findet in anderen Städten auch statt, wird aber nicht im selben Maße wahrgenommen. Meine Empfehlung ist, dass die Stadt etwas entspannter mit sich selbst umgehen sollte.

Interview: Sarah Kanning

Markantes Kunstwerk

© www.deutschland.de