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Menschen und ihre Heimat verstehen

Gutes Auge: Fotograf Andreas Teichmann hat Deutschland von West nach Ost durchwandert. Dabei hat er Überraschendes beobachtet.

15.12.2017
Andreas Teichmann: Deutschland zu Fuß
© Andreas Teichmann

Deutschland. 1.000 Kilometer in 50 Tagen, durch grüne Wälder, Felder, kleine Städte, Ballungsräume. Für sein Projekt „Durch Deutschland: Verstehen und verstanden werden – das ist Heimat“ hat sich der Fotograf Andreas Teichmann vertraute und neue Lebenswelten erlaufen, viele Gespräche geführt – und überraschende Einsichten gewonnen. Die Begegnungen und Landschaften hat er in Fotos festgehalten und in einem Blog dokumentiert.

Herr Teichmann, Sie waren in der heißen Phase des Wahlkampfs in Deutschland von Aachen imM Westen nach Zittau im Osten unterwegs und sind am Tag der Bundestagswahl am Ziel angekommen. Hat das Ihren Blick geprägt?

Andreas Teichmann: Die Bundestagswahl war nicht direkt Anlass meiner Reise, doch der Wahlkampf war vor allem in den letzten Wochen und Tagen vor der Wahl sehr präsent. Die Motivation zu der Tour war eine andere: Ich wollte auf Spurensuche in meiner Heimat gehen und gleichzeitig andere Heimaten, Regionen und Biografien kennenlernen und verstehen. Dafür habe ich während der Tour viel Zuspruch erhalten. Ich wohne in meiner Geburtsstadt, der Ruhrmetropole Essen, die sich im Lauf der Jahrzehnte von einer Kohle- und Stahlstadt zur Grünen Hauptstadt Europas 2017 entwickelt hat. Dieser Wandel prägt auch die Menschen hier. Für mich ist er eine Quelle für Kreativität und die Motivation, sich immer wieder auf Neues einzulassen. Hier leben auf relativ kleinem Raum viele unterschiedliche Menschen und Kulturen friedlich zusammen. Auch deshalb ist das Ruhrgebiet der Ort, an dem ich gerne mit meiner Familie zu Hause bin.

Sie haben Nordrhein-Westfalen, Hessen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen durchquert. Wie verändert sich Deutschland von West nach Ost?

Die Weite der West-Ost-Achse ist enorm faszinierend. Auch die Landschaft hat mich beeindruckt: In dieser Region, die ich bislang kaum kannte, sind nur wenige Gebiete industrialisiert. Ich bin manchmal stundenlang durch den Wald gewandert, ohne jemandem zu begegnen. Im Osten waren allerdings erstaunlich viele Pilzsammler unterwegs. Ich hatte den Eindruck, dass Selbstversorgung, beispielsweise durch den Anbau von Obst und Gemüse, im Osten eine größere Rolle spielt als etwa in Nordrhein-Westfalen.

Die Menschen wollen in ihrer persönlichen Umgebung wahrgenommen und respektiert werden.
Fotograf Andreas Teichmann

Wieso haben Sie die Strecke zu Fuß zurückgelegt?

Durch meinen Beruf als Fotograf bin ich schon immer viel gereist, national und international. Meist war ich in größeren Städten unterwegs, und immer mit dem Auto. Aber ich träumte schon als Teenager davon, Deutschland zu Fuß zu erkunden. Die Perspektive eines Wanderers, der einen Fuß vor den anderen setzt und jeden Meter wahrnimmt, ist eine besondere. Als Spaziergänger bin ich mit den Menschen viel leichter ins Gespräch gekommen.

In Ihrem Blog erzählen Sie von diesen Begegnungen.

Ja, ich habe die Leute einfach spontan angesprochen und gemerkt: Hört man ihnen zu, erfährt man manchmal unglaubliche Geschichten. Die Menschen wollen in ihrer persönlichen Umgebung wahrgenommen und respektiert werden. Das ist ihnen wichtig – und kommt im politischen Alltag zu oft zu kurz. Die Diversität, die Deutschland sowohl in der Landschaft als auch im Habitus der Menschen zeigt, war für mich eine bereichernde Erfahrung.

Interview: Christina Pfänder

© www.deutschland.de