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Der Kardinal und die Muslima

Das Auswärtige Amt hat führende Religionsvertreter aus Asien eingeladen. Auch die Scharia wird dabei zum Thema.

Christoph Strack, 20.06.2018
Friedensverantwortung der Religionen
© dpa

Da stehen sie - der Katholik und die Muslima: Kardinal Orlando Beltran Quevedo leitet das katholische Erzbistum Cotabato auf der Insel Mindanao, Mariam B. Barandia ist engagierte Friedensarbeiterin und gründete auf Mindanao eine Organisation für junge Muslime. Ja, sagt der Kardinal, die Christen hätten zu leiden unter den Angriffen muslimischer Extremisten: Kürzlich sei eine katholische Kirche angegriffen worden, eine evangelische Schule habe gebrannt. Aber Barandia gehe es schlechter, sagt er. Die Armee habe im Kampf gegen Kämpfer der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) ihren Ort in Schutt und Asche gelegt.

Der Kardinal und die Friedensarbeiterin sind zwei von vielen besonderen Gästen im Auswärtigen Amt in Berlin. Gut 70 Religionsvertreter aus Asien sind für drei Tage bei der Konferenz "Friedensverantwortung der Religionen". Da sitzen buddhistische Mönche in leuchtendem Orange, ein japanischer Shintoist in feinem Gewand, Hindus mit Turban und Muslima mit Kopftuch. Gekommen sind auch jüdische Rabbiner, lutherische Pastorinnen und einige Wissenschaftler. Quevedo übrigens ist an seiner Kleidung lediglich als Priester, nicht als Kardinal oder Erzbischof erkennbar.

Die "dunkle Seite" der Religion

"Ein großes Ziel eint uns: Frieden zu schaffen und dem Frieden zu dienen", sagt Michael Roth. Und dann verwendet der Staatsminister im Auswärtigen Amt einen Satz, den vor 13 Monaten fast wortgleich der damalige Außenminister Sigmar Gabriel sprach: "Ich kenne keine Religionsgemeinschaft, die nicht den Anspruch hat, Frieden zu stiften." Gabriel begrüßte damals die erste Konferenz seines Ministeriums zur "Friedensverantwortung der Religionen", die Repräsentanten der monotheistischen Religionen Christentum, Judentum und Islam zusammenführte.

Nun geht der Blick nach Asien. Und wieder geht es der deutschen Diplomatie darum, die Religionen zum Dialog zu ermuntern und zu vernetzen. Das Auswärtige Amt sieht es als langfristige Aufgabe, richtete dafür einen eigenen Arbeitsbereich ein. Roth sagt, Kirchen und Religionsgemeinschaften seien dauerhaft "ganz zentrale Partner unserer Friedensarbeit" und nennt doch auch den Missbrauch von Religion in Konflikten. Das sei die "dunkle Seite" von Religion.

Die Rolle der Frauen

2018 zählen doppelt so viel Frauen zu den Gästen wie 2017. Und so stellen sich im presseöffentlichen Teil der Konferenz zwei Juristinnen dem Gespräch. Zaleha Kamarudin ist Rektorin der Internationalen Islamischen Uni Malaysia. Sie betont die Rolle der Frauen und Mütter in der Friedensarbeit. Frauen seien in islamischen Gesellschaften "unbeachtete Mächte" sagt sie: "Ich weiß nicht, ob das so wahrgenommen wird im Westen." Frauen müssten viel mehr gesellschaftliche Verantwortung tragen. Es liege an ihnen, sich stärker einzusetzen für den Frieden.

Und dann spricht Kamarudin die Frage der Scharia an, des islamischen Rechts. Man müsse die Scharia "entmystifizieren", aber dürfe deren Seele nicht "verdammen". Sie habe auch Schutzfunktion. Da schaltet sich Staatsminister Roth ein: "Wir brauchen ein klares Signal, dass bestimmte Regeln in einer modernen Gesellschaft einfach nicht mehr anwendbar sind. Wir brauchen diesen Konsens." Da stehen - so wirkt es - zwei Rechtssysteme einander gegenüber: das Recht der einzelnen Person und das Recht der Religion.

Für Frieden braucht es Kreativität

Die Juristin Dishani Jayaweera vom "Centre for Peace Building and Reconciliation" auf Sri Lanka berichtet von der zähen, Geduld fordernden Arbeit der Versöhnung. "Frieden bedeutet auch Wandel", sagt sie. Sie habe in ihrer Arbeit gelernt, wie viel Kreativität das erfordere.

Von diesen zähen Schritten können wohl viele berichten im Weltsaal des Auswärtigen Amtes. Der Großteil der Tagung aber läuft hinter verschlossenen Türen. Da geht es in Arbeitsgruppen um Mediation, die Beziehung von Religion und Medien, Friedenserziehung und die Rolle von Frauen in Friedensprozessen. Das Thema Erziehung zum Frieden weist auf einen bemerkenswerten Kooperationspartner hin.

Das deutsche Außenministerium hat sich für die Tagung Unterstützung aus Europa geholt. Es veranstaltet die Konferenz in Zusammenarbeit mit dem finnischen Außenministerium, das mit zehn Mitarbeitern nach Berlin gekommen ist. Helsinkis Unterstaatsministerin Anne Sipiläinen schildert ihre Erfahrung: "Statt den Staat und die Religionen als inkompatibel darzustellen, sollten wir Möglichkeiten der Kooperation suchen."