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Anneliese und die anderen

Von Bülent Ceylan bis „Türkisch für Anfänger“: Lachen für die Integration.

Johannes Göbel, 13.08.2012
© picture-alliance/dpa

Anneliese hat ein Integrationsproblem. Ihr Deutsch, nun ja, lässt zu wünschen übrig. Als Mannheimerin sagt sie statt „wir“ stets „mir“, „mein Name“ heißt bei ihr „mein Noame“. Und auch sonst hat die überkandidelte Pelzverkäuferin Schwierigkeiten, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Für relevante Themen, etwa das Arbeitslosengeld Hartz IV, hat sie kein Verständnis. Annelieses Welt kreist vielmehr um so exquisite Kleidungsstücke wie Ozelot-Waschlappen, Zebra-Socken und – als Dessous – Pinguin-Federn.

Vorbildlich integriert ist dagegen der Mann, der Anneliese zur hellen Freude einer beständig wachsenden Fangemeinde auf den großen Bühnen Deutschlands spielt. Erst im April 2012 erhielt der Comedian Bülent Ceylan die höchste Auszeichnung seines Heimatbundeslandes Baden-Württemberg: Den Verdienstorden des Landes bekam der Sohn einer Deutschen und eines Türken laut dem zuständigen Staatsministerium „für seine Verdienste um die Integration und das interkulturelle Verständnis, für seinen Einsatz gegen Rassismus und für Toleranz“. Der 36-Jährige Ceylan ist Botschafter der Initiative „Respekt! Kein Platz für Rassismus“. Zudem engagiert er sich für das Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ nennt Bülent Ceylan „die humoristische Integrationsfigur eines Landes, in dem fast drei Millionen Menschen türkischstämmig sind“.

Ceylan ist in der Tat herausragend: Anfang Juni 2012 besuchten über 40000 Fans seine Show in der Frankfurter Commerzbank-Arena. 2011 trat der Musikfan Ceylan als erster Comedian im Rahmen des weltberühmten Metal-Festivals „Wacken Open Air“ in Schleswig-Holstein sogar vor rund 70000 Menschen auf; im gleichen Jahr wurde ihm der Deutsche Comedypreis in der Kategorie „Bester Komiker“ verliehen (bereits 2009 war er in der Kategorie „Bester Newcomer“ ausgezeichnet worden). Doch fällt auch auf, dass mittlerweile eine Vielzahl deutsch-türkischer Comedians erfolgreich ist.

Kaya Yanar, geht – allerdings als Inder Ranjid – zur Bundeswehr; Fatih Çevikkollu wird in der Türkei ob seines Drangs, sich zu beschweren, sofort als Deutscher erkannt. Murat Topal, der sich aufgrund seiner erfolgreichen Comedy-Laufbahn vom Polizeidienst freistellen ließ, berichtet von seiner (Ordnungs-)Liebe zum Berliner Stadtteil Kreuzberg. Und Django Asül hilft als Kolumnist dem seriösen Fußballfachblatt „Kicker“ regelmäßig humoristisch auf die Sprünge.

Ceylan spielt mit Klischees

Allen gemein ist, dass sie erfolgreich mit Klischees spielen. Bülent Ceylan etwa treibt das auf die Spitze, wenn er den türkischen Proleten Hasan ebenso verkörpert wie den fremdenfeindlichen Mannheimer Hausmeister Manfred. Ceylans Humor ist auch deshalb so erfolgreich und verbindend, weil er kaum Rücksicht auf deutsch-türkische Befindlichkeiten nimmt. Sein unverkrampfter Blick auf das Thema Integration lässt sie oft selbstverständlich erscheinen.

Dass seine türkischen Wurzeln ihm helfen, hat Ceylan im Interview mit der Berliner Tageszeitung „taz“ betont: „Wenn ich mich selbst Kanake nenne, können und dürfen die deutschen Zuschauer darüber lachen. Wenn ein deutscher Komiker das sagt, setzt er sich dem Verdacht aus, es könnte rassistisch gemeint sein. Und wenn jemand wie ich sich über Hitler lustig macht, indem er ihn nachahmt und parodiert, wissen die Leute: Der ist Türke, der kann kein Nazi sein. Wenn ein Deutscher das machen würde, kämen gleich ganz andere Fragen hoch: Meint der das ernst?“

Ernst wird Bülent Ceylan allerdings, wenn er auf den umstrittenen Publizisten Thilo Sarrazin und dessen Thesen zur mangelnden Integrationsbereitschaft muslimischer Zuwanderer angesprochen wird. „Sarrazin hat vieles kaputt gemacht, und ich muss es jetzt wieder aufbauen“, sagt Ceylan und macht deutlich, wie diese Aufbauarbeit aussehen soll. „Ich stelle mich auf die Bühne, bringe Deutsche, Türken, wen auch immer zum Lachen und zeige, dass auch Menschen mit Migrationshintergrund ganz nett sind.“

Vorurteile mit Humor widerlegen

Einen – recht derben – Seitenhieb auf Sarrazin konnte sich auch der aktuelle deutsche Kinoerfolg „Türkisch für Anfänger“ nicht verkneifen. In einer der ersten Szenen des Films (der das Entstehen der aus der gleichnamigen TV-Serie bekannten deutsch-türkischen Patchwork-Familie Öztürk-Schneider schildert) wird ein Foto Thilo Sarrazins zur Dartscheibe umfunktioniert. Doch „Türkisch für Anfänger“ verbindet vor allem das unverkrampfte Spiel mit Klischees mit dem Erfolg der deutsch-türkischen Comedians. Der 21-Jährige Berliner Cem Öztürk (gespielt von dem österreichisch-tunesischen Schauspieler Elyas M’Barek) erscheint als purer Macho, der seine Schwester Yagmur rüde herumkommandiert. Vater Metin Öztürk fehlt zumeist jede südländische Lebensfreude; der Polizeikommissar ist von geradezu preußischer Korrektheit. Ganz anders Doris Schneider, die mit ihrem multikulturellen Esoterik-Faible nicht nur Tochter Lena überfordert.

„Türkisch für Anfänger“ erzählt von Menschen, die letztlich alle irgendwie anders sind, als der erste Eindruck vermuten lässt; Vorurteile werden humorvoll widerlegt. Regisseur Bora Dagtekin sagt über den Erfolg seines Films nicht zuletzt bei türkischstämmigen Zuschauern: „Ich glaube, dass viele Ausländer wenige Identifikationsfiguren im Komödienbereich haben. Es geht oft in Richtung Melodram und da schwebt immer das Damoklesschwert der Integration über allem und niemand traut sich, mal so richtig witzig zu sein.“ Dass Mut zur Lockerheit aber von vielen honoriert wird, hat auch „Türkisch für Anfänger“ nun erlebt: Rund 2,5 Millionen Zuschauer machten den Film in Deutschland zum großen Überraschungshit.