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Die digitale Gesellschaft und ihre Freunde

Drei Deutsche in Nordamerika erleben den digitalen Wandel auf ihre eigene Weise.

Johannes Göbel, 19.12.2014
© Website Leon Draisaitl

Neon Leon“ – der Internet-Auftritt ist gelungen. Etwas kühl und sehr futuristisch sieht Leon Draisaitl aus, wie er einen von der Startseite seiner Homepage anblickt. Der Schutzanzug seines Eishockey-Dresses lässt weniger an den Spieler der Edmonton Oilers als an einen Mann aus der Zukunft denken. Und ein bisschen stimmt das ja auch: Draisaitl ist eine große Hoffnung seines Sports – und ein Athlet einer neuen Zeit.

Als Leons Vater Peter Draisaitl 2001 seine Karriere beendete, gab es Facebook noch nicht; die allererste Twitter-Nachricht sollte erst fünf Jahre später versendet werden. Leon Draisaitl twittert und postet; die Icons der sozialen Medien blinken am linken Rand seiner neongrün umrahmten Internet-Startseite. Vor seiner ersten Saison in der National Hockey League (NHL) betonte er im Sommer 2014: „Ich würde mich über viele Follower und Likes natürlich freuen.“ Auf Twitter wurde der damals noch 18-Jährige jedenfalls von den Oilers-Fans sehr wohlwollend begrüßt. Ob Lob oder Kritik – Reaktionen auf die Leistungen von Sportlern werden durch die sozialen Medien massiv beschleunigt und können die Stars auch unmittelbarer treffen. Als Draisaitl Ende Oktober sein erstes NHL-Tor schoss, twitterten die Oilers auf ihrem offiziellen Kanal ein Foto aus der Spieler-Kabine: Leon Draisaitl hält stolz den Puck seines Premieren-Treffers in die Kamera. Kurz darauf zweifelte David Staples, Hockey-Blogger des Edmonton Journal, an allzu euphorischem Lob für das Ausnahmetalent, das mittlerweile auch schon erste Krisen mit den Oilers durchstehen musste.

Exzellente Vernetzung

Es kann dauern, bis man sich in einem neuen Umfeld etabliert. Vor 20 Jahren waren selbst Spitzenfunktionäre der deutschen Fraunhofer-Gesellschaft, Europas größter Organisation für anwendungsorientierte Forschung, etwas unsicher, wie weit es die Neugründung „Fraunhofer USA“ bringen würde. Zum Jubiläum der Tochtergesellschaft im Jahr 2014 sind die Zweifel verflogen. „Wir haben allen Grund stolz zu sein“, sagt Frank Treppe, der neue Präsident von Fraunhofer USA. Und er blickt nach vorne: „Wir wollen die deutsche Industrie in den USA stärker in unsere Forschungskooperationen einbeziehen und mehr transatlantische Forschungsvorhaben mit Partnern aus Deutschland und den USA initiieren, etwa Industrie 4.0. Die US-Amerikaner sind in IT- und Kommunikationstechnologien exzellent, die Deutschen im Maschinenbau und der Produktionstechnik.“

Die Fraunhofer-Gesellschaft gilt als Pionier der digital vernetzten Produktion; ihr Erfolg in den USA hat viel mit dem Engagement von Frank Treppe zu tun. Als er in den 1970er-Jahren sein Maschinenbaustudium begann, war der digitale Wandel noch recht weit entfernt. Treppe prägt ihn heute als Forschungsmanager. Vor seiner Ernennung zum Präsidenten von Fraunhofer USA hatte er als Vizepräsident und „Chief Operating Officer“ der amerikanischen Tochtergesellschaft den Aufbau des umfangreichen Netzwerks verantwortet. Mittlerweile arbeiten sieben Fraunhofer Center und zwei Marketing-Büros an zahlreichen Innovationen – allerdings nicht nur im Bereich der Industrieproduktion. Das Center for Experimental Software Engineering in Maryland entwickelt effizientere Software und beschäftigt sich auch mit Fragen der Datensicherheit. Das Audio- und Multimediabüro von Fraunhofer USA in San Jose vermarktet unter anderem modernste Audiocodierverfahren; das Fraunhofer Heinrich Hertz Institute in Cambridge, Massachusetts, wirbt für innovative Technologien aus den Bereichen 3D-Multimedia und der optischen drahtlosen Datenübertragung. Herzstück der Fraunhofer-Arbeit in den USA bleiben aber die Forschungszentren. Frank Treppe betont: „Die Centers sind eng vernetzt mit exzellenten Universitäten des Landes und entwickeln – genau wie die deutschen Fraunhofer-Institute – maßgeschneiderte Lösungen für die Industrie.“

Vom „Soofa“ ins digitale Netz

Eine intelligente deutsch-amerikanische Zukunftslösung steht heute schon im Dutzend in Boston, der Stadt, in der vor Kurzem das Jubiläum von Fraunhofer USA gefeiert wurde: das „Soofa“, eine Parkbank mit WLAN-Anschluss und Ladestation, alles solarbetrieben. Entwickelt wurde die besondere Sitzgelegenheit von dem Unternehmen „Changing Environments“, das drei junge Frauen aus Deutschland gegründet haben: Jutta Friedrichs, Sandra Richter und Nan Zhao.

Die digitale Vernetzung ist mit dem „Soofa“ besonders umweltfreundlich; mit Sensoren können die Bänke zudem auch Geräuschpegel und Luftqualität messen und ökologisches Bewusstsein wecken. Die Stadt Boston hat das Konzept schon überzeugt. Geschäftsführerin Sandra Richter kann auch auf Anfragen aus Südamerika, China und Deutschland verweisen. Im Interview mit dem deutschen Online-Magazin jetzt.de hat sie unlängst gesagt: „Ich selbst bin ein Naturkind, ich komme aus dem Schwarzwald. Ich liebe es, draußen zu sein. Trotzdem komme ich durch mein Netzwerk in die ganze Welt, mein Telefon ist mein Schlüssel zu Informationen: nicht nur arbeitstechnisch, sondern auch für private Nachforschungen.“ Mit Changing Environments möchte Sandra Richter Möbel für die Städte der Zukunft entwickeln. Der Erfolg des „Soofa“ macht Mut: Auf der White House Maker Faire konnte sich die Jungunternehmerin mit Präsident Obama über ihre Ideen unterhalten. Übermütig wird sie aber nicht und hofft vielmehr, dass ihr und ihren Kolleginnen weitere Innovationen glücken: „Es ist eine riesige Herausforderung, Städte zukunftsfähig zu machen.“