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Willkommen in Berlin

Wie eine Schule und ehrenamtliche Helfer die Integration fördern, erfuhren internationale Besucher bei einem Rundgang durch den Ortsteil Moabit.

Helen Sibum, 21.04.2017
© dpa - Integration

Der Name ist gut gewählt: „Miriam-Makeba-Grundschule“ steht auf einem Banner vor dem Backsteinbau im Berliner Stadtteil Moabit. Der südafrikanischen Sängerin hätte es hier sicher gut gefallen: Musik spielt eine große Rolle an der Grundschule  – und multikulturell ist sie auch. Nur jedes fünfte der 470 Kinder hat Deutsch als Muttersprache. Die Familien der anderen stammen aus der Türkei, dem Libanon und zahlreichen weiteren Ländern. Zuletzt sind rund 50 Flüchtlingskinder hinzugekommen, die nun in vier sogenannten Willkommensklassen lernen. Die Situation in Moabit ist eine besondere Herausforderung für sie und ihre Kollegen, erklärt Schulleiterin Karin Nithammer-Kachel ihren internationalen Gästen. Die Journalisten und Wissenschaftler sind Teilnehmer des Besucherprogramms der Bundesrepublik Deutschland. Auf Einladung des Auswärtigen Amts beschäftigen sie sich eine Woche lang mit Einwanderung und Integration in Deutschland.

Die Miriam-Makeba-Grundschule will allen Kindern einen guten Start ins Bildungsleben ermöglichen. Karin Nithammer-Kachel erzählt von Sprachförderung, einer Fußballakademie und der Ausbildung von Schülern zu Streitschlichtern. Entscheidend sei aber das Lernen in kleinen Gruppen: „Nur so können wir die Schüler entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse fördern.“ Ob die Kinder aus Zuwandererfamilien denn überhaupt kein Deutsch sprechen, wenn sie in die Schule kommen, möchte Anrás Földes wissen, ein Journalist aus Ungarn. „Sie beherrschen häufig weder Deutsch noch ihre eigene Muttersprache richtig gut“, sagt Nithammer-Kachel. Trotzdem schaffen es am Ende 20 bis 30 Prozent der Kinder aufs Gymnasium, wo sie das Abitur erreichen können, den höchsten Schulabschluss in Deutschland. Das sind weniger als im Durchschnitt, für die Miriam-Makeba-Schule aber ist es ein Erfolg.  

Doch Herausforderungen bleiben. Ob der Sozialarbeiter der Schule dafür ausgebildet sei, mit traumatisierten Flüchtlingskindern umzugehen, fragt Craig Damian Smith aus Kanada. Der Politikwissenschaftler lehrt und forscht an der Universität Toronto zu internationaler Migration. Daneben leitet er das „Together Project“, das den persönlichen Austausch zwischen Flüchtlingen und der kanadischen Bevölkerung fördert. Karin Nithammer-Kachel muss ebenso verneinen wie bei der Frage, ob es einfach sei, die Eltern von Zuwandererkindern in den Schulalltag einzubeziehen.

 „Kiezmütter“ betreuen Zuwandererfamilien

Die Familien einbinden – hier setzen die „Kiezmütter“ an: Frauen aus dem Stadtteil, von denen die meisten selbst einen Migrationshintergrund haben. Das Haus der Initiative ist das nächste Ziel der internationalen Besucher bei ihrem Rundgang durch Moabit. Das helle, offene Gebäude liegt neben einem Spiel- und Sportplatz und hat einen kleinen Garten. Rund 20 Frauen empfangen die Gäste. Sie kommen aus der Arabischen Welt, der Türkei, Bulgarien und Russland. Als „Kiezmütter“ betreuen sie Familien, die nicht wissen, an wen sie sich mit Fragen wenden können, oder die sich scheuen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie besuchen die Familien zu Hause und weisen auf Bildungs- und Gesundheitsangebote hin, gehen mit ihnen zu Terminen bei Ämtern oder zur Anmeldung im Kindergarten. Für diese Arbeit sind sie extra geschult worden.

„Wir qualifizieren die Frauen, um den Familien zu helfen, aber diese Zeit macht auch etwas mit den Frauen selbst“, sagt Koordinatorin Shiva Saber Fattahy, die aus dem Iran stammt. „Sie finden ihren Weg, machen danach vielleicht eine Ausbildung und ergreifen einen Beruf.“ Mehr als 50 Frauen hat die Initiative bereits zu Kiezmüttern fortgebildet, für ihre Arbeit erhielt sie mehrere Integrationspreise. „Solche Beispiele brauchen wir“, lobte der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck bei einem Besuch, und auch den internationalen Besuchern gefällt das Konzept.

Soforthilfe für Flüchtlinge

Wie wichtig das Engagement der Zivilgesellschaft ist, erfahren sie an diesem Tag auch beim Gespräch mit Christiane Beckmann von „Moabit hilft“. Gegründet 2013 zur Unterstützung von bedürftigen Menschen aus dem Stadtteil, konzentriert sich der Verein seit dem Sommer 2015 auf die Arbeit mit Flüchtlingen. Anstoß war die schwierige Situation vor dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), das in Moabit liegt. Flüchtlinge mussten dort mitunter sehr lange Wartezeiten in Kauf nehmen, weil das Amt mit den hohen Zahlen zunächst überfordert war. Beckmann und ihre Mitstreiter riefen über Facebook zu Sachspenden auf, organisierten eine Essensausgabe, medizinische Versorgung und Unterkünfte für diejenigen, die abends oder am Wochenende ankamen. „Wir waren 16 bis 18 Stunden am Tag beschäftigt“, sagt Beckmann.

„Und heute – seid ihr immer noch im Einsatz?“, wollen die Besucher wissen. „Klar!“ Zwar kommen pro Tag nur noch etwa 25 Flüchtlinge am Lageso an – im Sommer 2015 waren es bis zu 1.000. Doch auch diejenigen, die schon eine Weile in Deutschland leben, können Unterstützung gut gebrauchen. Die rund 40 festen Mitglieder von „Moabit hilft“ – viele von ihnen kamen selbst als Flüchtlinge nach Deutschland – vermitteln Sprachkurse, helfen mit Formularen und bereiten die Flüchtlinge auf ihre Anhörung zum Asylverfahren vor. Christiane Beckmann hat inzwischen ihren Job aufgegeben und ist beim Verein fest angestellt. Sie will daran mitarbeiten, dass sich in ihrer Heimatstadt Berlin jeder willkommen fühlt.

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