Trend in Berlin und Tokyo
In der deutschen und japanischen Hauptstadt entstehen immer mehr Kleinbrauereien.

Ein Trend geht um in Berlin und Tokyo: Es entstehen immer mehr Kleinbrauereien. Mit originellen Produkten und nachhaltigen Rohstoffen treten sie gegen die großen Anbieter an. Längst Kult ist in Tokyo das „Dry Dock“ unter den Gleisen der Tokioter Ringbahn am Rande des Vergnügungsviertels Shimbashi. Dort stehen acht Craft-Biere, wie die Erzeugnisse von Mini-Brauereien in Japan genannt werden, vom Fass zur Auswahl, dazu über 30 in der Flasche. Die Mikrobrauerei „Harvestmoon“ in Maihama, 15 Minuten vom Bahnhof Toyko entfernt, schwört auf Schwarzbier. Außerdem werden regelmäßig Pilsener, Pale Ale, Brown Ale und Belgian Wheat sowie monatlich wechselnde Sorten wie Coffee-Stout oder das fruchtige Grapefruit-Ale gebraut. Nur zwei von vielen Beispielen.
In Berlin war Helmut Kurschat einer der Vorreiter dieses Trends. 2006 übernahm er das heruntergewirtschaftete „Brauhaus Südstern“ mit einem Braumeister in Kreuzberg. Heute hat er ständig drei Biersorten im Angebot – überwiegend für den eigenen Ausschank. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Berlin noch 200 Brauereien. Heute dominieren Konzernmarken. Aber in den vergangenen Jahren sind bereits wieder ein Dutzend Klein-Brauereien entstanden. Dazu gehört auch die Privatbrauerei „Am Rollberg“ in Neukölln. Die Betreiber Wilko Bereit und Nils Heins liefern die Rollberger-Biere inzwischen an knapp 50 Gastronomen in der Bundeshauptstadt und dem umliegenden Brandenburg. Sogar das Bundespräsidialamt haben die Privatbrauer als Kunden gewonnen.
Aber auch in der deutschen Provinz floriert das Nischenbier. Noch nie gab es mit rund 6000 Biersorten so viel Auswahl wie heute. Mit über 1300 Braustätten boomt in Deutschland die Bierlandschaft (trotz sinkendem Pro-Kopf-Verbrauch). Der „Karpfentrunk“ der „Schlossbrauerei Friedenfels“ in der Oberpfalz oder die Bio-Biere der bayerischen Neumarkter „Lammsbräu“ sind begehrte Spezialitäten.
Woher kommt dieser Trend? Experten sehen in Zeiten der Globalisierung eine Rückkehr zum Regionalen und den Wunsch zu individuellem Genuss – vereint mit hohen Qualitätsansprüchen. Die Gasthaus-Brauereien sind so etwas wie „die neuen Wilden“ unter den Bierherstellern. Sie zeigen sich experimentierfreudig, setzen aber dennoch auf Qualität. Das Reinheitsgebot – die älteste lebensmittelrechtliche Vorschrift der Welt – ist unantastbar. Es besteht seit 1516 und besagt: Bier darf ausschließlich aus Gerste, Hopfen und Wasser gebraut sein. P.S.: Eine ähnliche Entwicklung hat sich übrigens auf dem Softdrinkmarkt seit Erfindung der „Bionade“ in der Rhön, einem Mittelgebirge zwischen Hessen, Bayern und Thüringen, im Jahr 1995 abgespielt.