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Engere Beziehungen erwünscht

Die EU und Israel sind sich näher gekommen, aber so eng, wie es sich viele in Israel wünschen, sind die Beziehungen nicht.

Nadine Mensel, 13.08.2012
© picture-alliance/dpa

Wir haben nicht nur schmerzhafte Erinnerungen, sondern auch eine strahlende Zukunft vor uns“, gab David Ben-Gurion dem ersten israelischen Botschafter bei der Europäischen Gemeinschaft (EG), Gideon Rafael, mit auf den Weg. Im Februar 1959 nahmen Israel und die EG (damals noch Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) diplomatische Beziehungen auf. Schritt für Schritt haben beide Seiten ihr Verhältnis zueinander ausgebaut und vertraglich erweitert: Seit 1975 besteht ein Freihandelsabkommen, im Oktober 1995 vereinbarten die Europäische Kommission und die israelische Regierung ihre Zusammenarbeit auf dem Gebiet von Forschung und Entwicklung und im Juni 2000 trat das Assoziationsabkommen zwischen Israel und der Europäischen Union (EU) in Kraft. Zudem handelte Brüssel mit Israel als erstem Staat überhaupt einen Aktionsplan im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) aus. Stärker multilateral ausgerichtet ist die Mitgliedschaft Israels in der Union für das Mittelmeer, die 2008 auf Initiative des damaligen französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy hin gegründet wurde.

Vielstimmigkeit der Europäer

Aber die israelisch-europäischen Verbindungen gestalten sich komplexer, als hunderte Vertragsseiten abbilden könnten. Zwar geben beide Seiten immer wieder zu verstehen, dass ihr Verhältnis zueinander auf gemeinsamen Werten beruht. Doch geht aus öffentlichen Bekundungen von Politikern oder gemeinsamen Erklärungen selten klar hervor, welche Werte konkret gemeint sind. Hinzu kommt, dass unter den EU-Mitgliedstaaten sowie innerhalb der EU-Institutionen wie der Europäischen Kommission oder dem Europäischen Parlament Vielstimmigkeit herrscht, mitunter sogar erhebliche Dissonanzen. Das rührt vor allem daher, dass Israel in erster Linie durch die Brille des Nahost-Konflikts betrachtet wird. Andere Facetten des Landes wie die reiche Kultur- und Wissenschaftslandschaft oder die hoch entwickelte Wirtschaft verlieren dadurch zu Unrecht an Bedeutung. Zudem liegen die Verhandlungen über eine Intensivierung der bilateralen Beziehungen zwischen der EU und Israel, das sogenannte Upgrade, seit mehr als drei Jahren auf Eis.

Deutschland – gefragt und gefordert

Die Europäer wollen zunächst Fortschritte im Friedensprozess sehen, bevor sie erneut am Gesprächstisch mit den Israelis zusammenkommen. Gleichzeitig ist die Union momentan selbst nicht in der Lage, sich stärker bei der Lösungssuche für den Konflikt einzubringen. Zu sehr bestimmt gegenwärtig die Wirtschafts- und Finanzkrise die politische Agenda Brüssels und der Hauptstädte der EU-Mitgliedstaaten.

Bei dem EU-internen Krisenmanagement richten sich viele Augen auf Deutschland. Aber auch mit Blick auf das israelisch-europäische Verhältnis übt Berlin eine Schlüsselfunktion aus. Innerhalb der EU sind es die Deutschen, die am prononciertesten für die Vertiefung dieser Beziehungen werben – eine Konstante bundesdeutscher Außenpolitik seit Konrad Adenauer. In beeindruckender Weise hat dies jüngst der Staatsbesuch von Bundespräsident Joachim Gauck in Israel gezeigt. „Deutschland sollte das allerletzte Land sein, dass Israel seine Freundschaft und Solidarität aufkündigt“, betonte der ehemalige Pfarrer und Bürgerrechtler.

Mehrheit der Israelis für einen EU-Beitritt

Mit ähnlicher Deutlichkeit in Brüssel aufzutreten, könnte für Deutschland in Zukunft schwieriger werden. Mit dem Vertrag von Lissabon hat die EU sich selbst in die Pflicht genommen, ihre Außenpolitik einheitlicher zu gestalten. Positionen ohne mehrheitlichen Rückhalt unter den Mitgliedstaaten laufen dann Gefahr, weich gespült zu werden. Die Politik gegenüber Israel könnte davon betroffen sein. Daher ist Deutschland als Partner Israels gefragt und gefordert, sowohl in Brüssel und Straßburg als auch in Jerusalem die Wiederannäherung voranzutreiben.

Doch was bewegt eigentlich Israelis, wenn man sie nach Europa oder der EU befragt? Überraschen mag die große Mehrheit in der israelischen Bevölkerung, die nicht nur engere Beziehungen zu Europa wünscht, sondern ebenso die EU-Mitgliedschaft ihres Landes befürwortet. Und im Grunde gehören bereits Tausende Israelis zur Europäischen Union, denn sie besitzen den Pass eines EU-Mitglieds. Berlin ist eines der beliebtesten Reiseziele in Europa, im sozialen Netzwerk Facebook tummeln sich mehrere Gruppen unter dem Stichwort „Israelis in Berlin“. Darüber hinaus entdecken israelische Studenten zunehmend die europäischen Universitäten für ihre Auslandssemester. Die gestiegene Nachfrage hat mittlerweile die Ben-Gurion Universität in Beer Sheva dazu veranlasst, mit Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung Israel ein „Bologna Training Center“ einzurichten. Langfristiges Ziel ist die Einführung eines Bologna-kompatiblen Curriculums auch an israelischen Hochschulen. Brücken wie diese führen in genau die „strahlende Zukunft“, von der Israels Staatsgründer David Ben-Gurion bereits vor mehr als 50 Jahren überzeugt war, dass sie eintreten würde. ▪

Nadine Mensel ist Mitarbeiterin der Konrad-Adenauer-Stiftung Israel und dort vor allem zuständig für die Themen „Nachhaltigkeit“ und „Europa“.