Gemeinsamer Gesprächsfaden
Der Petersburger Dialog tagte erstmals seit der Ukraine-Krise wieder im Plenum. Unbequeme Themen wurden dabei nicht ausgespart.

Im alten Potsdamer Kaiserbahnhof empfing Wilhelm II. einst den russischen Zaren Nikolaus II. Im Oktober 2015 kamen hier gut 180 Vertreter der deutschen und russischen Zivilgesellschaft zum 14. Petersburger Dialog zusammen. In Zeiten der politischen Differenzen ist es ein Erfolg, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. So tagte das Diskussionsforum erstmals seit Beginn der Ukraine-Krise wieder im Plenum. Das Thema: „Modernisierung als Chance für ein gemeinsames europäisches Haus“. Doch das Verhältnis ist weiterhin nicht frei von Belastungen. Die deutsch-russischen Beziehungen „stehen derzeit auf einem harten Prüfstand“, ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem Grußwort ausrichten.
Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, wurde bei seiner Auftaktrede noch deutlicher: „Wir sind mit der Vision einer vertrauensvollen Partnerschaft – leider – gescheitert“, erklärte er vor Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien, und Kirchen. „Wenn wir ehrlich sind, sind wir heute weiter denn je von dem gemeinsamen europäischen Haus entfernt.“ Der Petersburger Dialog könne nur dann eine bedeutsame Rolle spielen, wenn „er eine ehrliche Auseinandersetzung über den Zerfall der europäischen Friedensordnung und seine Ursachen ermöglicht und fördert“. Er biete die Möglichkeit, politische Wandlungsprozesse wieder „gemeinsam zu beraten und anzupacken“, so Ischinger. „Denn eine friedliche Zukunft werden Russen und Deutsche nur gemeinsam haben.“
Ein Neustart war der Dialog nicht nur nach seiner einjährigen Pause, sondern auch aufgrund der Reformen, die besonders die deutsche Seite vorantrieb. So wurde der Vorstand erweitert und mehr Vertreter aus Nichtregierungsorganisationen waren anwesend, auch mehr jüngere Teilnehmer. „Die deutsche Seite des Petersburger Dialogs ist pluraler, vielschichtiger und auch bunter geworden“, erklärte Ronald Pofalla, der frühere Kanzleramtschef und neue Ko-Vorsitzende des Dialogs. Er sparte auch unbequeme Themen nicht aus, etwa den Grund für die Absage der Plenumsveranstaltung im letzten Jahr: Die Absage sei „notwendig und richtig“ gewesen, da auch ein zivilgesellschaftliches Forum „die Entwicklungen in der großen Politik nicht ignorieren kann“. Dennoch müssten beide Seiten im Gespräch bleiben, „auch wenn – oder gerade weil – der Weg zu einer Wiederherstellung gegenseitigen Vertrauens noch weit ist.“ Die Zusammenarbeit sei „heute wichtiger denn je“, erklärte Pofalla.
„Deutschland ist an einer verlässlichen Partnerschaft mit Russland gelegen“, hieß es auch im Grußwort der Kanzlerin. „Neue gemeinsame Anregungen“ erhoffte sich Russlands Präsident Wladimir Putin in seiner Grußbotschaft. Der Weg dahin ist noch weit.
Der russische Ko-Vorsitzende, der ehemalige Ministerpräsident Wiktor Subkow legte Wert auf die Feststellung, dass es in beiden Ländern „mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede“ gebe. Und der deutsche Ko-Vorsitzende Ronald Pofalla betonte, wie wichtig es sei, dass gerade jetzt beide Zivilgesellschaften „offen miteinander reden“ und „Vertrauen aufbauen“. ▪