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Viele Gipfeltreffen, viele Kooperationen

Deutschland und die Türkei verbindet ein besonders intensiver Austausch, der auch über die Flüchtlingskrise hinausgeht.

Johannes Göbel, 19.04.2016

Der historischen Einigung zwischen der Europäischen Union und der Türkei im Rahmen der Tagung des EU-Rats am 17. und 18. März 2016 ist eine Vielzahl von Gesprächen auf unterschiedlichsten Ebenen vorausgegangen. Besonders bemerkenswert war der intensive deutsch-türkische Austausch, der nicht nur auf europäischen Gipfeltreffen stattfand, etwa während des EU-Türkei-Gipfels am 29. November. Schon im September 2015 stand beim Besuch von Bundesaußenminister Steinmeier in der Türkei die Flüchtlingskrise im Fokus, ebenso bei den Türkei-Besuchen von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Oktober und im Februar 2016 sowie bei den Deutsch-Türkischen Regierungskonsultationen, die im Januar 2016 zum ersten Mal stattfanden. Noch unmittelbar vor dem Europäischen Rat am 17. und 18. März betonte Bundesaußenminister Steinmeier in einem Interview: „Zur europäischen Lösung gehört eine Einigung mit der Türkei, die endlich verhindert, dass sich Menschen in die Hände von skrupellosen Schleppern und auf eine lebensgefährliche Reise begeben.“

Diesem Ziel sind die Europäische Union und die Türkei nach der Tagung des Europäischen Rats einen großen Schritt näher gekommen. Bundeskanzlerin Merkel zog im Anschluss an das Gipfeltreffen das Fazit, „dass Europa es schaffen wird, auch diese schwierige Bewährungsprobe zu bestehen, und zwar mit allen 28 Mitgliedsstaaten zusammen, gemeinsam auch mit der Türkei“. Ein zentraler Punkt der gemeinsamen Beschlüsse ist es, Schleusern die Grundlage für ihre Geschäfte mit den Leben von Flüchtlingen zu entziehen. Um den kriminellen Aktivitäten konkret zu begegnen, haben Deutschland und die Türkei in den vergangenen Monaten ihre polizeiliche Zusammenarbeit intensiviert (s. a. Artikel auf den Seiten 20 u. 21).

Kooperation gegen kriminelle Geschäfte

Im Februar 2016 unterzeichneten Deutschland und die Türkei in Ankara Gemeinsame Erklärungen in den drei Themenfeldern Migration, grenzpolizeiliche Zusammenarbeit und Bekämpfung der Schleusungskriminalität sowie Terrorismusbekämpfung. Die Dokumente bilden die Grundlage für eine intensivere Zusammenarbeit der Innenministerien beider Länder und zielen auf einen stärkeren Austausch der beteiligten Behörden, etwa im Bereich des Expertenaustauschs zu Fragen des Grenzmanagements, der irregulären Migration und der Bekämpfung von Terrorgruppen.

Beim Treffen von Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident Davutoğlu Anfang Februar in Ankara brachten die beiden Regierungschefs zudem eine Zusammenarbeit des Technischen Hilfswerks (THW) und des türkischen Katastrophenschutzes AFAD zur Hilfe für Flüchtlinge an der türkisch-syrischen Grenze auf den Weg. Das THW eröffnet ein Büro an der türkischen Grenze zu Syrien, um dort Absprachen zwischen türkischen Behörden und deutschen Hilfsorganisationen zu vermitteln, die bei der Versorgung syrischer Flüchtlinge tätig sind. Das Auswärtige Amt koordiniert und finanziert die humanitären Hilfsleistungen der Bundesregierung für Flüchtlinge in der Türkei. Vielfältige Projekte tragen unter anderem dazu bei, Flüchtlingen aus Syrien Zugang zum lokalen Bildungssystem und Arbeitsmarkt zu eröffnen.

Zusammenarbeit im europäischen Kontext

Deutschland will sich umfassend dafür einsetzen, dass die zwischen der Europäischen Union und der Türkei erreichte Einigung effizient umgesetzt werden kann. Die Rückführung irregulär nach Griechenland gelangter Flüchtlinge in die Türkei hat im April 2016 begonnen. Im Gegenzug nimmt die EU für jeden illegal eingereisten Syrer einen syrischen Flüchtling aus der Türkei legal auf. Bundeskanzlerin Merkel sicherte „einen wesentlichen Beitrag“ Deutschlands bei der Bewältigung der anstehenden Aufgaben zu. So wird die EU auch Griechenland logistisch zur Seite stehen. Deutschland und Frankreich haben angeboten, die EU-Grenzschutzagentur mit jeweils bis zu 200 Polizisten zusätzlich zu unterstützen. Jeweils bis zu 100 Experten aus Deutschland und Frankreich sollen zudem dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) zur Verfügung gestellt werden.

Auf europäischer Ebene soll es künftig zweimal jährlich politische Gipfeltreffen zwischen der EU und der Türkei geben. Und auch die Deutsch-Türkischen Regierungskonsultationen werden regelmäßig stattfinden. Die Bewältigung der Flüchtlingskrise wird die gemeinsamen Gespräche aller Voraussicht nach ebenso prägen wie die weitere Annäherung der Türkei an die Europäische Union. Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident Davutoğlu betonten bei den Konsultationen in Berlin ihre Absicht, die Verhandlungen zwischen der EU und der Türkei über die Aufhebung der Visapflicht für türkische Staatsangehörige für den Schengenraum bis Oktober 2016 konkret voranzutreiben. Auch werde der gemeinsame Kampf gegen den Terrorismus weiterhin entschlossen geführt. Der Ministerpräsident hob die Bedeutung der Regierungskonsultationen hervor: „Die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland sind sehr gut und sehr eng. Sie entwickeln sich weiter. Dazu gehören diese Regierungskonsultationen in dieser neuen Phase, aber auch der strategische Dialog zwischen unseren Außenministern und zwischen den Ministern, die für Wirtschaft zuständig sind“, so Davutoğlu. „Dies werden sehr wichtige Maßnahmen für eine Festigung der Beziehung sein.“ ▪