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„Liberale Werte vermitteln“

Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit arbeitet mit einem palästinensisch-israelischen Team von Ost-Jerusalem aus.

Gisela Dachs, 28.06.2017
© Meirav Yitzhak - Seminar with Tzipi Livni

1983 wurde das Israel-Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit eröffnet. Sie steht der Freien Demokratischen Partei (FDP) nahe. Im Zuge des Osloer Abkommens kam elf Jahre später dann eine Vertretung in den Palästinensischen Gebieten hinzu. Heute ist sie die einzige deutsche parteinahe Stiftung, die mit einem gemischten Team von gemeinsamen Räumlichkeiten aus an der historischen Grenzlinie zwischen West- und Ost-Jerusalem sowohl nach Israel wie auch in die palästinensischen Gebiete jenseits der Grünen Linie hineinwirkt.

Als natürlicher politischer Partner in Israel galt die 2005 vom damaligen Ministerpräsidenten Ariel Scharon gegründete Kadima-Partei. Sie sah sich als liberale Kraft in der Mitte des Parteienspektrums, löste sich aber 2015 nach internen Konflikten wieder auf. Die indirekte Nachfolge-Partei ist Hatnua, angeführt von der ehemaligen Außenministerin und Kadima-Vorsitzenden Zipi Livni. Mittlerweile jedoch gehört Hatnua, gemeinsam mit der Arbeitspartei, dem „Zionistischen Lager“ an.

Da die wesentliche Auslandsstrategie der Stiftung in der Verbreitung der politischen Ideen und Ziele des Liberalismus besteht, hat sich für sie eine Lücke aufgetan. Nach dem „Zusammenbruch des organisierten Liberalismus in Israel“ hat die Stiftung daher das „Liberale Projekt“ initiiert, das die Sammlung liberaler Kräfte in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sowie eine Neubelebung der liberalen Bewegung in Israel zum Ziel hat.

4 Fragen an Ulrich Wacker, Leiter des Jerusalem-Büros:

Ulrich Wacker

Welche Schwerpunkte setzen Sie in der Stiftungsarbeit 2017 thematisch?

Wir vermitteln liberale Werte, um demokratisches und rechtsstaatliches Denken zu festigen. Wir wollen zur Verbesserung des Verhältnisses von jüdischer Mehrheit und arabischer Minderheit beitragen und im Rahmen israelisch-palästinensischer und israelisch-türkischer Dialogplattformen stabilisierend wirken. Zudem analysieren wir die gesellschaftspolitischen Folgen der historischen Ereignisse, die sich 2017 jähren: 50 Jahre Sechstagekrieg, 70 Jahre UN-Teilungsplan für Palästina und 120 Jahre Zionistischer Kongress.

Was unterscheidet Ihre Arbeit in Israel von der anderer Institutionen?

Organisatorisch: In unserem Projektbüro in Ost-Jerusalem betreut ein israelisch-palästinensisches Team die Stiftungsarbeit auf beiden Seiten. Das funktioniert seit 1994. Inhaltlich: Dem liberalen Wert der individuellen Freiheit verpflichtet, schenken wir dem problematischen Verhältnis von Staat und Religion in Israel besondere Aufmerksamkeit: Zivilehe, Religion in Erziehung und Militär, die Rolle des Rabbinats und der Charakter als jüdischer Staat sind Themen im Fokus der Arbeit mit unseren Partnern.

Wen möchten Sie gern mit Ihrer Arbeit erreichen? Und wie gut gelingt Ihnen das?

Wir möchten Menschen in Israels Gesellschaft erreichen, die mit uns ein gemeinsames liberales Anliegen haben: Die Stärkung demokratischer und rechtsstaatlicher Institutionen, den friedlichen Ausgleich zwischen Israel und den Palästinensern in einer Zwei-Staaten-Lösung, einen marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen und eine offene Gesellschaft. Zwischen Deutschland und Israel wollen wir einen stärkeren Austausch von Start-up-Unternehmern fördern und zur Gestaltung der Digitalisierung unserer Gesellschaften anregen.

Worin sehen Sie die größte Herausforderung für die deutsch-israelischen Beziehungen?

Es ist nicht einfacher geworden, Israels Politik in Deutschland zu erklären. Aber wir dürfen uns nicht entfremden. Deshalb ist der vielfache Dialog so wichtig, dem die einzigartige Tiefendimension von Deutschlands Verantwortung für die Shoah zugrunde liegt. Unsere verwobene Geschichte hat das kollektive Selbstverständnis und das politische Handeln unserer Länder geprägt, mit gemeinsamen wie konträren Lehren. Hier bestehen weiterhin Missverständnisse, über die es aufzuklären gilt, um Israels Politik besser zu verstehen.

Friedrich-Naumann-Stiftung

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