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Strategische Partnerschaft

Seit 2007 verbindet die EU und Afrika eine strategische Partnerschaft. Eine Anlayse.

Christine Hackenesch/Mark Furness, 13.08.2012
© picture-alliance/dpa

Gemeinsame Herausforderungen und Interessen wie der Kampf gegen den Klimawandel, die Reduzierung von Armut oder die Befriedung von Konfliktsituationen erfordern eine strategische Partnerschaft zwischen Europa und Afrika. Seit Europäer und Afrikaner im Dezember 2007 in Lissabon eine strategische Partnerschaft gegründet haben, hat die Kooperation in vielen Politikfeldern Fortschritte gemacht. Die Gemeinsame EU-Afrika-Strategie hat jedoch bisher nur teilweise dazu beigetragen, die politischen Beziehungen zu stärken und die Zusammenarbeit kohärenter zu gestalten.

Die Ziele, die sich Europa und Afrika in Lissabon gesetzt haben, sind heute relevanter denn je. Die gemeinsame Strategie sieht vor, die Beziehungen zwischen beiden Kontinenten zu stärken, um (auch) jenseits von Entwicklungszusammenarbeit und über afrikanische Themen hinaus gleichberechtigt enger zu kooperieren. Insbesondere bei der Stärkung von Frieden und Sicherheit, der Förderung von Demokratie und Menschenrechten, beim Kampf gegen den Klimawandel oder der Verbesserung von Energiesicherheit wollen Europäer und Afrikaner bilateral und in internationalen Gremien besser zusammenarbeiten. Verstärkter politischer Dialog zwischen Vertretern der Europäischen Union (EU), der Afrikanischen Union (AU) und deren Mitgliedsstaaten sowie Vertretern der Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft in acht thematischen Partnerschaften sollen dabei helfen. Durch die Verabschiedung der Strategie wollten Europa und Afrika eine Antwort auf geostrategische Veränderungen geben und politischen Entwicklungen in Europa und Afrika Rechnung tragen. Vor dem Hintergrund der verstärkten wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen China, Indien, anderen aufstrebenden Mächten und afrikanischen Ländern sollte die Etablierung der strategischen Partnerschaft dem europäisch-afrikanischen Verhältnis eine neue Bedeutung verleihen. Die Gründung der Strategie reflektiert außerdem die stärkere politische Integration auf beiden Kontinenten: Mit der Gründung der AU im Jahr 2002, ihrem Bekenntnis zu Werten, die auch in der EU gelten und der und Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon 2007 entstand auf beiden Seiten eine Dynamik, die politische Zusammenarbeit erleichtert.

In den fünf Jahren seit der Gründung der Strategie haben Europäer und Afrikaner vor allem in der Umsetzung der thematischen Partnerschaften Fortschritte gemacht. Die gemeinsame Bestandsaufnahme zum Gipfeltreffen 2010 in Libyen hat ergeben, dass insbesondere jene Partnerschaften Fortschritte gemacht haben, die auf Kooperationsstrukturen und Initiativen aufbauen konnten, die bereits vor der strategischen Partnerschaft existierten, beispielsweise im Bereich Frieden und Sicherheit, Energie oder der Partnerschaft für Infrastruktur. In anderen Bereichen – insbesondere bei der Kooperation zu Demokratie und Menschenrechten – steht die Umsetzung erst am Anfang. Die EU plant von 2014 bis 2020 eine Milliarde Euro für ein neues panafrikanisches Instrument zur Verfügung zu stellen, mit dem auch die Arbeit der thematischen Partnerschaften unterstützt werden könnte. Das Instrument bringt nicht nur mehr Geld für die Partnerschaften sondern ermöglicht auch eine einheitlichere Finanzierung – bisher wurden die Partnerschaften aus vielen verschiedenen Töpfen unterstützt, beispielsweise durch Gelder für die EU-Nachbarschaftspolitik.

Jenseits der konkreten Aktionspläne hat die Strategie jedoch begrenzt dazu beigetragen, ihre übergeordneten Ziele zu erreichen. Der politische Dialog läuft in einigen Partnerschaften wie im Bereich Frieden und Sicherheit oder beim Thema Energie relativ gut. In anderen Feldern wie Klimawandel oder Demokratie und Menschenrechte hat die Strategie bisher kaum zu einem Zusammenwirken von Europäern und Afrikanern oder zu einer besseren Abstimmung in internationalen Gremien geführt. Vor dem Klimagipfel 2009 in Kopenhagen haben Europäer und Afrikaner zwar eine gemeinsame Position verhandelt, sind aber während der Konferenz getrennte Wege gegangen. In VN-Gremien stimmen europäische und afrikanische Staaten in Menschenrechtsfragen immer häufiger unterschiedlich ab. Vor diesem Hintergrund hatte sich schon vor dem EU-Afrika-Gipfel in Tripolis der Enthusiasmus für die Strategie auf beiden Seiten gelegt. Meinungsverschiedenheiten in einer Reihe von politisch sensiblen Themen wie Migration oder der ungelösten Frage der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) belasten die Beziehungen nachhaltig. Im vergangenen Jahr 2011 hat zudem die militärische NATO-Intervention europäischer Staaten in Libyen für Streitigkeiten gesorgt.

Die Institutionen und Dialogstrukturen, die mit der Strategie geschaffen wurden, werden bisher kaum genutzt, um nach Lösungen kontroverser Themen zu suchen. Stattdessen konzentrieren sich Europäer und Afrikaner auf die Umsetzung der Aktionspläne und damit zu einem Großteil auf eher technische Fragen. Die Implementierung von Projekten und Programmen im Rahmen der acht Partnerschaften führt jedoch nicht per se dazu, dass die EU und afrikanische Länder „auf Augenhöhe“ und jenseits von Entwicklungszusammenarbeit enger politisch kooperieren. Hinzu kommt nach einer Einschätzung des Auswärtigen Amts, dass die Strategie von afrikanischer Seite zuweilen als weitere Quelle für finanzielle Unterstützung angesehen wird, während die EU und ihre Mitgliedstaaten sie vorrangig als Dialogplattform begreifen.

Den europäisch-afrikanischen Beziehungen fehlt es nicht an Relevanz und Themen. Auch wenn Afrikaner mit China und anderen aufstrebenden Mächten neue attraktive Partner hinzugewonnen haben, gibt es eine Vielzahl gemeinsamer Interessen mit der EU. Solange aber auf beiden Seiten auf höchster politischer Ebene wenig politischer Wille für die Stärkung der Partnerschaft besteht und kaum konkrete Schritte für die Umsetzung der gesetzten Ziele vereinbart werden, bleibt die Strategie ein Papiertiger ohne Zähne. Die Zeit bis zum nächsten EU-Afrika-Gipfel 2013 in Brüssel sollten beide Seiten deshalb nutzen, um die Instrumente ihrer Partnerschaft 
weiter auszugestalten.

Die Verfasser sind Wissenschaftliche Mitarbeiter in der Abteilung „Bi- und multilaterale Entwicklungspolitik“ des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn.