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Viermal „K“

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum „Marshallplan mit Afrika“

Marvin Kumetat, 07.06.2017
© dpa - Marshall plan

Es ist ein großes Vorhaben, das Entwicklungsminister Gerd Müller angestoßen hat und es geht um nicht weniger als eine neue Partnerschaft für Entwicklung und Frieden mit Afrika. Zusammenfassen lässt es sich mit viermal „K“: Kampf gegen Korruption, Kooperation, Konzentration und Konditionierung. Sein klangvoller Name: Marshallplan mit Afrika. Ausgearbeitet haben ihn deutsche und afrikanische Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Er reiht sich ein in weitere Konzepte, die im Jahr 2017 entscheidende Weichen der internationalen Afrikapolitik stellen: Die Europäische Union arbeitet an einem neuen Afrikakonzept; zudem ist Afrika Schwerpunkt der deutschen G20-Präsidentschaft. Was sind die zentralen Eckpunkte des Marshallplans? Wir haben die wichtigsten Fakten zusammengestellt:

1. Warum braucht es einen Marshallplan mit Afrika?

Afrika ist der „Chancen- und Wachstumskontinent dieses Jahrzehnts oder dieses Jahrhunderts“ – davon ist Entwicklungsminister Gerd Müller überzeugt. Auch in Medien und Forschung zeichnen Experten das Bild einer „afrikanischen Renaissance“, eines Kontinents im Aufbruch. Doch die Realität spricht eine andere Sprache: Im weltweiten Vergleich hinkt Afrika weiterhin hinterher. In der Armutsbekämpfung etwa wurden bislang kaum Fortschritte erzielt. Rund 40 Prozent der Bevölkerung in Subsahara-Afrika lebt unterhalb der Armutsgrenze. Obwohl mehr als 16 Prozent der Weltbevölkerung in Afrika leben, trägt der Kontinent nur magere drei Prozent zum weltweiten Bruttoinlandsprodukt bei Zahlreiche bewaffnete Konflikte, Naturkatastrophen und Epidemien führen zu dramatischen Migrations- und Flüchtlingsbewegungen. Müller ist überzeugt: „Lösen wir die Probleme nicht gemeinsam vor Ort, kommen sie irgendwann zu uns“.

2. Was soll mit dem Plan erreicht werden?

Der „Marshallplan mit Afrika“ folgt der Erkenntnis, dass in erster Linie nicht die Symptome, sondern die Ursachen von Flucht und Migration bekämpft werden müssen. Wer nur Mauern und Zäune errichtet oder lückenlos das Mittelmeer überwacht, trägt nicht zur Lösung der gegenwärtigen Probleme bei. Der Marshallplan ist damit auch eine Vision für die Zukunft deutscher und europäischer Entwicklungszusammenarbeit. Der Plan sieht laut Minister Müller eine grundlegende Neuordnung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika vor. Um zwei grundsätzliche Effekte geht es im Marshallplan: Der wirtschaftliche Austausch mit Afrika soll erhöht, die langfristige Entwicklung nachhaltig angekurbelt werden.  

3. Wie sollen die Ziele des Plans erreicht werden?

Afrika – das ist für viele Menschen vor allem der Kontinent der Krisen, Kriege, Katastrophen und Krankheiten. Der Marshallplan möchte diese verzerrte Wahrnehmung korrigieren. Afrika ist eben nicht nur Empfänger von Entwicklungshilfe aus Europa, sondern vielmehr ein Kontinent voller Perspektiven für Investitionen und ein wichtiger Handelspartner.

Müller setzt in seinem Konzept daher auf „4 K“:  Kampf gegen Korruption, Kooperation, Konzentration und Konditionierung. Gelingt es, das Image Afrikas bei privaten Unternehmern deutlich zu verbessern, könnte dies mittelfristig zu umfangreichen Investitionen in allgemeine wirtschaftliche Entwicklung, Bildungssysteme, Infrastruktur und Zukunftssektoren wie den Bereich der erneuerbaren Energien führen. Der Marshallplan sieht auch Reformen in der Handels- und Agrarpolitik vor. Sie sollen vor allem afrikanische Kleinunternehmen unterstützen. Besonders reformwillige Staaten sollen zudem mehr finanzielle Unterstützung erhalten. Geld, das reformunwilligen Ländern abgezogen würde.

4. Welche Chancen bietet der Plan für Afrika?

Neben den Vorteilen für Partner in Afrika eröffnet der Plan auch in anderen Bereichen Perspektiven. Engagiert sich Europa stärker in Afrika, steht es in direkter Konkurrenz mit anderen Weltmächten. China, Russland und Indien beispielsweise haben schon lange das Potenzial des Kontinents erkannt und investieren verstärkt. Afrikanische Staaten können davon profitieren und bessere Handels- und Investitionsabkommen mit potenziellen Partnern aushandeln. Mehr Selbstbewusstsein für afrikanische Staaten – das könnte zudem zur Folge haben, dass sie deutlich mehr Mitspracherecht in internationalen Foren einfordern. Denkbar wäre beispielsweise ein ständiger Sitz eines afrikanischen Staates im Weltsicherheitsrat.

5. Welche Perspektiven bietet der Plan für Deutschland?

Es sind vor allem zwei wichtige Chancen, die sich aus deutscher Sicht ergeben: Werden die angestrebten Ziele konsequent und erfolgreich umgesetzt, eröffnet der Marshallplan deutschen Unternehmen neue Märkte auf dem afrikanischen Kontinent. Afrikas rasant wachsende Bevölkerung von derzeit 1,2 Milliarden Menschen stellt potenziell einen gigantischen Absatzmarkt dar. Eine positive wirtschaftliche Entwicklung schafft auch neue Perspektiven für Afrikas Jugend – und könnte dazu führen, dass sich Migrations- und Flüchtlingsströme verringern.

6. Unter welchen Voraussetzungen kann der Marshallplan für Afrika Erfolg haben?

Afrikas 55 Staaten könnten kaum unterschiedlicher sein. Es finden sich ressourcenreiche und -arme, fragile und stabile Staaten, vitale Demokratien und absolute Monarchien, winzige Inselstaaten und „Riesen“ wie die Demokratische Republik Kongo, die immerhin fast siebenmal so groß ist wie Deutschland. Diese Diversität müssen weltweit alle entwicklungspolitischen Akteure anerkennen. Zudem müssen nicht nur die in Deutschland involvierten Ministerien, sondern auch europäische und internationale Partner an einem Strang ziehen und gemeinsam Initiative ergreifen. Das ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg des Marshallplans. Und zuletzt: Afrikanische Partner müssen glaubwürdig und auf Augenhöhe in den Prozess involviert sein. Viele Politiker sind sich einig: Die Lösung afrikanischer Probleme können letztlich nur Afrikaner selbst bewirken. Bereits bestehende Initiativen auf dem Kontinent, wie beispielsweise die Agenda 2063 der Afrikanischen Union, müssen daher eingebunden und als Grundlage deutscher Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika dienen.

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