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Stärkung der Medienfreiheit

Der deutsche OSZE-Vorsitz 2016 legt besonderen Wert auf die Förderung unabhängiger und unvoreingenommener Berichterstattung.

Беньямин Хердле, 19.04.2016

Die Krise in und um die Ukraine hat den Fokus der OSZE auch auf Fragen von Medien- und Meinungsfreiheit gerichtet. Auf allen Seiten wird dabei in unterschiedlichem Maße mit Desinformation in Zeitungen, Fernsehkanälen und über Online-Medien gearbeitet. Gezielte Desinformationen haben auch unmittelbar zu Irritationen in Deutschland geführt, wie offenbar bewusst irreführende russische Medienbeiträge im Fall einer vermeintlichen Vergewaltigung einer russlanddeutschen Minderjährigen Anfang 2016 zeigten.

Es gibt also gute Gründe zur Stärkung der Presse- und Meinungsfreiheit, der Unabhängigkeit der Medien oder der Sicherheit von Journalisten, die Deutschland mit Übernahme des OSZE-Vorsitzes 2016 auf die Agenda hob. Dies betonten Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und Gernot Erler, Sonderbeauftragter der Bundesregierung für den deutschen OSZE-Vorsitz, mehrere Male. „Zeiten des Konflikts sind leider ebenso oft Zeiten von Propaganda und verzerrter Darstellung“, erklärte Steinmeier bereits im Juli 2015 vor dem Ständigen Rat der OSZE in Wien. „Genau dagegen sollte die OSZE gemeinsam Standards setzen.“

Umgesetzt wurde das deutsche Ansinnen konkret erstmals im Rahmen eines Workshops, zu dem Medienexperten, Journalisten, Diplomaten, Politiker und Regierungsvertreter auf Einladung der OSZE-Medienbeauftragten und des deutschen OSZE-Vorsitzes Mitte Februar 2016 nach Wien kamen. Sie sprachen dort über „Kriegs- und Hasspropaganda“ und deren Auswirkungen auf Medienfreiheit und Gesellschaft. „Die Diskussionen haben gezeigt, dass auf verlässlichen Fakten basierende Berichte mehr denn je notwendig sind“, erklärte Botschafter Eberhard Pohl, Leiter der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der OSZE. Die OSZE-Medienbeauftragte hat dabei auch Empfehlungen an die OSZE-Staaten formuliert. So sollten die Regierungen beispielsweise in einen internationalen Dialog über Kriegs- und Hasspropaganda treten und erörtern, welche Frühwarn-Mechanismen dafür notwendig seien.

Die OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, Dunja Mijatović, hat während ihrer bislang sechsjährigen Amtszeit zu genüge Beispiele sammeln können, wie schlecht es um die Freiheit der Medien mancherorts bestellt ist. „Das freie Wort im Journalismus war noch nie so gefährdet wie heute“, sagte die Medienbeauftragte in einem Interview anlässlich ihrer Auszeichnung mit der Karlsmedaille für europäische Medien 2015. Es müsse besser geschützt werden – und zwar von allen, die Demokratie und freie Meinung ehrten und schätzten, betonte Mijatović. Im Dezember 2015 erinnerte sie aus Anlass des Gedenktags für in Russland getötete Journalisten daran, dass alle Angriffe auf Journalisten „von den staatlichen Behörden energisch untersucht sowie die Täter und Hintermänner belangt werden müssen“. Zur Entwicklung der Presselandschaft in der Ukraine äußerte sich Mijatović besorgt, nachdem dort die Arbeitsbedingungen für russische Journalisten drastisch eingeengt wurden. Sämtliche Maßnahmen, Medien einzuschränken, müssten auf Grundlage von Gesetzen und internationalen Verpflichtungen beruhen und von Gerichten entschieden werden, schrieb sie Anfang 2016 dem ukrainischen Außenminister Pawlo Klimkin. Auch zu zahlreichen weiteren aktuellen Fällen mit Medienbezug aus anderen OSZE-Teilnehmerstaaten nimmt Mijatović regelmäßig in eigenem Ermessen Stellung, wo es ihr gemäß ihrem Mandat geboten scheint.

Deutschland will bis zum Ende seines OSZE-Vorsitzes 2016 das Thema Medien- und Pressefreiheit als eine Priorität hervorheben. „Wir möchten den Dialog über die Herausforderungen und die Mechanismen von Propaganda und die Berichterstattung in Krisenzeiten weiterhin fördern“, kündigte Botschafter Pohl in Wien an. Man wolle deshalb ethische Grundlagen des Journalismus und selbstregulierende Mechanismen kontinuierlich über das gesamte Jahr unterstützen und dabei auch einen genaueren Blick auf Online-Medien werfen. So laden der deutsche OSZE-Vorsitz und die taz-Panter-Stiftung mit Unterstützung der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ Anfang Juni 2016 15 Journalisten aus Zentralasien und Osteuropa zu einem einwöchigen Workshop nach Berlin ein, um sich über die Themen Ethik im Journalismus in Krisenzeiten und Sicherheit von Journalisten auszutauschen. Ende Oktober beabsichtigt Deutschland die OSZE-Delegationen zu einem zweitägigen Treffen in Wien zum Thema Medienfreiheit vor dem Hintergrund der aktuellen Krise der europäischen Sicherheitsordnung einzuladen. Der deutsche OSZE-Vorsitz unterstützt auch einen Workshop von Nichtregierungsorganisationen zum Thema Meinungsfreiheit, der voraussichtlich im Sommer in Almaty stattfinden wird. Veranstaltet werden soll zudem gemeinsam mit dem Europarat eine Konferenz zum Thema Internetfreiheit in Straßburg im Herbst. Die Bundesregierung fördert darüber hinaus seit 2014 mit über 11 Millionen Euro den Auf- und Ausbau von Informations-, Meinungs- und Medienvielfalt im Rahmen des Programms „Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland“. 2016 greifen mehr als die Hälfte der zu fördernden Maßnahmen thematische Schwerpunktthemen des OSZE-Vorsitzes auf. Unterstützt werden neben Trainings für Journalisten zum Beispiel auch die Beratung der Deutschen Welle beim Umbau des ukrainischen Fernsehens zu einer öffentlich-rechtlichen Medienanstalt und die Verleihung des ADAMI-Medienpreises für Kulturelle Vielfalt in Osteuropa, der herausragende Arbeiten von Medienschaffenden in den Ländern der Östlichen Partnerschaft auszeichnet.

Der deutsche OSZE-Vorsitz kann bei seinen Aktivitäten zur Medienarbeit auch von der Arbeit der Beauftragten für die Freiheit der Medien profitieren. „Wir bauen auf ihre exzellente Arbeit“, erklärte Bundesaußenminister Steinmeier. Die OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit hat zum Beispiel seit 2014 immer wieder russische und ukrainische Journalisten unter dem Motto „zwei Länder, ein Beruf“ zu Gesprächen zusammengebracht.

Wie ernst es Deutschland mit seinen Ansprüchen im Kampf gegen gezielte Desinformation meint, belegt auch ein Blick auf die Historie. Denn dass es die Institution der OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit überhaupt gibt, geht auf eine deutsche Initiative im Vorfeld des OSZE-Gipfels in Lissabon 1996 zurück. 1997 wurde dann das entsprechende Mandat in Kopenhagen verabschiedet. Und 1998 wurde der langjährige Bundestagsabgeordnete Freimut Duve zum ersten OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit ernannt. ▪