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Sea-Watch-Kapitänin verteidigt ihr Handeln

Im Zusammenhang mit der Festnahme Carola Racketes kritisiert Bundespräsident Steinmeier die italienischen Behörden.

02.07.2019
Carola Rackete
Carola Rackete © dpa

Es könne ja sein, dass es italienische Rechtsvorschriften gebe, wann ein Schiff einen Hafen anlaufen dürfe, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Nur: Italien sei nicht irgendein Staat. Italien liege inmitten der Europäischen Union, sei Gründungsstaat der EU. Und deshalb dürfe man von einem Land wie Italien erwarten, "dass man mit einem solchen Fall anders umgeht", sagte Steinmeier im ZDF mit Blick auf die 40 Migranten, die 17 Tage unter widrigen Bedingungen auf dem Schiff der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch ausgeharrt hatten.

Er verteidigte die "Sea-Watch 3"-Kapitänin Carola Rackete: "Wer Menschenleben rettet, kann nicht Verbrecher sein", sagte Steinmeier. Unabhängig von dem konkreten Einzelfall werde die Flucht von Menschen aus Afrika über das Mittelmeer weitergehen, sollte sich die Situation etwa in Nordafrika nicht beruhigen. Der Bundespräsident forderte eine europäische Antwort auf das Sterben im Mittelmeer: "Da muss mehr geschehen, da muss Europa eine kräftigere Rolle spielen."

Spätestens am Dienstag wird Rackete einem Richter vorgeführt. Es wird erwartet, dass der Haftbefehl gegen die 31-Jährige bestätigt wird. Derzeit steht sie unter Hausarrest. Ihr drohen laut italienischen Medienberichten bis zu zehn Jahre Gefängnis.

Rackete steht zu ihrer Entscheidung

Carola Rackete hat nach Angaben ihres Anwalts ihre Entscheidung verteidigt, unerlaubt mit der "Sea-Watch 3" in den Hafen von Lampedusa zu fahren. Die Situation sei hoffnungslos gewesen und das Ziel seiner Mandantin sei gewesen, die verzweifelten Migranten an Bord des Schiffes an Land zu bringen, bestätigte der Rechtsanwalt Alessandro Gamberini der Deutschen Presse-Agentur.

Der Vater der Kapitänin, Ekkehart Rackete, sagte der italienischen Zeitung "Corriere della Sera" seine Tochter sei nicht impulsiv, "sie weiß immer, was sie macht, und sie ist eine starke Frau". Er sei sicher, dass sie sich der Konsequenzen ihres Handelns schon vor der Ankunft in Lampedusa bewusst war.

Italien sieht bei Rackete ein ganzes Bündel von Vergehen

Rackete hatte die "Sea-Watch 3" in der Nacht zum Samstag trotz eines ausdrücklichen Verbots der italienischen Behörden in den Hafen von Lampedusa gesteuert. Ihr drohen mehrere Anklagen, unter anderem wegen Beihilfe zur illegalen Migration und Verletzung italienischer Hohheitsgewässer. Weil sie ein Schnellboot der Polizei im Einsatz behinderte, wird ihr auch Widerstand gegen ein Kriegsschiff vorgeworfen.

Für Italiens rechtspopulistischen Innenminister Matteo Salvini ist die Lage klar: Das unerlaubte Anlegen der "Sea-Watch 3" sei ein Beweis dafür, dass es sich bei den Seenotrettern um "Kriminelle" handele. "Sie haben die Maske abgelegt: Das sind Verbrecher." Dass seiner Einschätzung nicht alle Italiener folgen, zeigen die Solidaritätsbekundungen für Rackete in Rom.

Aus Deutschland erreichte die Kapitänin eine Welle der Solidarität. Die Fernsehmoderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf riefen zu Spenden für die Seenotretter auf. Das wirkte: Bis Sonntagabend kamen mehr als 687.000 Euro zusammen. Mehr als 25.000 Menschen spendeten Geld. Eine in Italien gestartete Sammelaktion erbrachte bislang Spenden in Höhe von mehr als 410.000 Euro.