Zum Hauptinhalt springen

„Wir müssen mit Donald Trump in ein Gespräch kommen“

Die USA nach der Wahl: Laura von Daniels, Leiterin der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik, über den transatlantischen Dialog.

Johannes_GöbelInterview: Johannes Göbel, 21.11.2024
Laura von Daniels: „Wladimir Putin etwas entgegensetzen“
Laura von Daniels: „Wladimir Putin etwas entgegensetzen“ © Peter Himsel

Frau Dr. von Daniels, dass sich die transatlantischen Beziehungen wandeln, war schon vor der US-Präsidentschaftswahl am 5. November 2024 klar. Worauf wird es nach dem Wahlsieg Donald Trumps besonders ankommen?

Es ist im ureigenen Interesse Deutschlands und der EU, die transatlantischen Beziehungen, etwa in der Nato, verbindlich aufrechtzuerhalten und alles dazu beizutragen, dass Donald Trump nicht erneut unterschiedliche Bereiche miteinander vermischt. Es ist gefährlich, wenn Trump seine Unzufriedenheit über das US-Handelsdefizit mit einer Absage an sicherheitspolitische Zusammenarbeit verbindet. Wir müssen mit ihm in ein Gespräch kommen, wie eine Sicherheitsordnung gemeinsam gestaltet werden kann. Es geht auch darum, Wladimir Putin etwas entgegenzusetzen und ihn davon abzuhalten, weiter Grenzen zu versetzen. 

Es bleibt wichtig, auch die Beziehungen zur Demokratischen Partei zu pflegen.
Laura von Daniels, Stiftung Wissenschaft und Politik

Zum einen muss der neuen Trump-Regierung mit Offenheit begegnet werden. Es wird darauf ankommen, mit den entscheidenden Kräften in Außen-, Sicherheits-, Verteidigungs- und Wirtschaftspolitik einen Dialog zu ihren Interessen und Prioritäten aufzubauen und gemeinsame Ziele der USA und Europas zu identifizieren. Zugleich bleibt es wichtig, auch die Beziehungen zur Demokratischen Partei zu pflegen und zu schauen, wer dort die künftigen Ansprechpartner sein werden.

Kurz vor der Wahl haben Sie in einem gemeinsamen Beitrag mit Ihrer Kollegin Layla Schoenfeld von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) veranschaulicht, dass – unabhängig vom Wahlausgang – eine neue Riege progressiver Politikerinnen die Zukunft der USA und der Demokratischen Partei entscheidend mitgestalten wird. Könnten Sie das bitte ausführen?

Die Demokratische Partei steht vor einem Neuaufbau, der in allen Bereichen der Politik stattfinden muss und Bundesstaaten und Kongress gleichermaßen betrifft. Gretchen Whitmer, Gouverneurin von Michigan, ist ein wichtiger Motor für die Erneuerung der Partei und spricht mit ihren progressiven Positionen und zugleich pragmatischem Politikstil auch breite Wählerschichten an. Ein Zeichen für den Wandel in der amerikanischen Bevölkerung ist die Wahl von Angela Alsobrooks als Senatorin für Maryland. Mit ihr und Lisa Blunt sind nun immerhin zwei schwarze Frauen im US-Senat vertreten. Für Michigan wurde Elissa Slotkin in den Senat gewählt. In einer Region, die mit ökonomischen und sozialen Problemen zu kämpfen hat, setzt sie nicht auf Rechts- und Wirtschaftspopulismus, sondern auf eine – wie wir in Deutschland sagen würden – sozialdemokratische Herangehensweise. Dieser pragmatische Ansatz ist aus deutscher Sicht zum Beispiel auch in der Klimapolitik wertvoll.

„Es ist durchaus auch nach der Wahl im Interesse der USA, dass Wladimir Putins Russland nicht weiter einfach Grenzverschiebungen vornimmt.“
Laura von Daniels, Stiftung Wissenschaft und Politik

In den USA, aber auch in Europa hat der deutliche Sieg Donald Trumps viele überrascht. Muss sich die europäische Perspektive auf Amerika grundsätzlich verändern?

In Deutschland und Europa wurde nicht ausreichend berücksichtigt, wie sehr wirtschaftspolitischer Populismus angesichts ökonomischen Niedergangs in bestimmten Regionen verfangen kann. Man konnte ahnen, dass dieser Niedergang negative Auswirkungen auf das politische Gefüge haben würde. Aber es gab lange die Fehlwahrnehmung, dass die Wählerinnen und Wähler – vor dem Hintergrund der marktwirtschaftlichen und kapitalistischen Prägung der USA – eher für wirtschaftliche Öffnung und Freihandel stimmen würden. Das ist offensichtlich nicht mehr sicher.

Welche Grundlage gibt es dennoch für die transatlantische Partnerschaft?

Es ist durchaus auch nach der Wahl im Interesse der USA, dass Wladimir Putins Russland nicht weiter einfach Grenzverschiebungen vornimmt, sei es in der Ukraine oder andernorts. Das gilt insbesondere, da Putin eng mit China kooperiert, dem erklärten größten strategischen Rivalen der USA. Es braucht eine gemeinsame Analyse der transatlantischen Partner, inwieweit es möglich ist, China gemeinsam Grenzen zu setzen, von der Wirtschafts- bis zur Sicherheitspolitik. Das Beispiel zeigt, dass die EU-Staaten zunächst ihre eigenen außenpolitischen Prioritäten setzen sollten. Sie sollten dabei aber auch Optionen für eine Kooperation mit der US-Regierung nicht unnötig schon im Vorfeld ausschließen.