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Paletten aus Dattelpalmen

Tunesien ist eine junge Demokratie mit einer sehr hohen Jugendarbeitslosigkeit. Dem möchte ein deutsches Projekt entgegenwirken.

Kim Berg, 18.11.2019
Tunesien: Wirtschaftliche Stabilisierung und Jugendbeschäftigung
© dpa

Wie kann die tunesische Wirtschaft angekurbelt und so die Jugendarbeitslosigkeit nachhaltig gesenkt werden? Dieser Frage stellt sich der Tobias Seiberlich. Im Büro der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Tunis leitet er zahlreiche Projekte, die der tunesischen Wirtschaft helfen und so bessere Jobs auf dem Arbeitsmarkt schaffen sollen. Eines davon ist das Projekt „Wirtschaftliche Stabilisierung und Jugendbeschäftigung“.

Herr Seiberlich, die Jugendarbeitslosigkeit in Tunesien liegt bei etwa 35 Prozent. Woher kommt diese hohe Quote?

Das ist ein komplexes Phänomen. Wir haben eine strukturelle Arbeitslosigkeit in Tunesien. Das heißt, dass die offenen Stellen nicht direkt dem Profil der Menschen entsprechen, die auf Jobsuche sind. So gibt es auf der einen Seite gut ausgebildete junge Menschen, auf der anderen Seite gibt es etwa 100.000 offene Stellen im Arbeitsmarkt, die nicht besetzt werden können. So haben es zum Beispiel junge Menschen, die arabische Literaturwissenschaften studiert haben, schwer in diesem Bereich auch einen Job zu finden. Wenn sie aber nicht auf einen festen Tätigkeitsbereich festgelegt sind, sind die Aussichten auf einen Job besser..

Was will die GIZ mit dem Projekt „Wirtschaftliche Stabilisierung und Jugendbeschäftigung“ erreichen?

Das Ziel ist die Beschäftigungssituationen junger Frauen und Männer in bestimmten Regionen Tunesiens zu verbessern. Das ist eine sehr allgemeine Formulierung. Das Projekt „Wirtschaftliche Stabilisierung und Jugendbeschäftigung“, kurz, Iseco, hat einen speziellen Fokus auf das Unternehmertum, beziehungsweise die Existenzgründung. Mit Iseco wollen wir junge Menschen ansprechen, die eine Geschäftsidee haben. Wir begleiten sie bei der Umsetzung ihrer Geschäftsidee, bis zur Existenzgründung und auch noch mehrere Jahre nach dem Produktionsbeginn.

Das Projekt läuft seit 2015. Was hat sich seitdem verändert?

Das Projekt hat sich über die Jahre hinweg entlang der Bedürfnisse auf dem Markt weiterentwickelt. Wir sind mit einer direkten Begleitung der jungen Unternehmer gestartet und ziehen uns jetzt nach und nach zurück.. In den 14 Regionen, in denen wir arbeiten, möchten wir die lokalen Strukturen unterstützen und so Netzwerke aufbauen, die junge Menschen bei ihrer Existenzgründung begleiten. Das sind sogenannte Unterstützungskomitees. Mit ihnen wollen wir Strukturen erschaffen, die auch fortbestehen, wenn das Projekt 2022 ausläuft.

Wer finanziert die Unterstützungskomitees?

Wir arbeiten mit der tunesischen Regierung zusammen. In diesem Projekt mit dem Industrieministerium. Zusammen mit dem Ministerium versuchen wir, im Haushalt Tunesiens eine bestimmte Summe für die Unterstützungskomitees einzuplanen. Dafür stehen wir im Dialog mit dem Finanzministerium.

Wie werden die Gründer beraten?

Die Unterstützungskomitees haben einen Servicekatalog. Der startet mit der Einschätzung, ob eine Idee überhaupt zukunftstauglich ist. Gibt es Bedarf auf dem Markt? Danach entwickeln die Berater gemeinsam mit den angehenden Unternehmern ein Geschäftsmodell. Die Unterstützungskomitees bereiten die Gründer außerdem auf ihr Unternehmertum vor. Wie verwalte ich mein Budget? Wie erschließe ich Märkte? Wie funktioniert das Marketing für mein Produkt? Wie spreche ich mit den Kunden? Das sind wichtige Kompetenzen, die ein Jungunternehmer haben muss. Diese Unterstützung bieten die Komitees je nach Bedarf an.

Könnten Sie ein Projektbeispiel nennen?

Wir arbeiten am Rande der Sahara, in Tozeur und Kebili. Dort gibt es eine junge Frau, die hat herausgefunden, wie man aus Resten von Dattelpalmen Paletten pressen kann. Sie hat ein Unternehmen gegründet, das aus Palmabfällen gepresste Paletten verkauft. Das fand ich eine geniale Idee.

Wir haben ihr geholfen einen Geschäftsplan zu entwickeln, Absatzmärkte für die Paletten zu finden und Analysen durchzuführen. Paletten müssen bestimmten Kriterien entsprechen. Sie brauchen eine gewisse Haltbarkeit und müssen bestimmte Gewichte aushalten. Dafür braucht man Ingenieurswissen, das die Frau nicht mitgebracht hat. Wir haben sie mit Institutionen vernetzt, mit denen sie diese Analysen und Studien durchführen konnte.

Das wären zum Beispiel Aufgaben, die regionale Unterstützungskomitees in Zukunft übernehmen sollen.

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