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Die Reise der Glücksvögel

Tausende Kraniche stoppen jährlich in Israel. Ein deutsch-israelische Projekt will Naturschutz, Landwirtschaft und Tourismus verbinden.

Christina Pfänder, 09.10.2018
Faszinierender Anblick: Kraniche auf dem Weg in den Süden
Faszinierender Anblick: Kraniche auf dem Weg in den Süden © Proma/stock.adobe.com

Glück, Frieden, Wachsamkeit, Klugheit: Seit Jahrtausenden verbinden Menschen mit dem Kranich positiven Eigenschaften. Noch heute ziehen die großen Schwärme in Nord- und Ostdeutschland viele Touristen an – ebenso wie im israelischen Hula-Tal, wo die Tiere aus dem Osten Europas überwintern. An dem von der Stiftung Deutsch-Israelisches Zukunftsforum (DIZF) unterstützten  Projekt „Kranich auf Reisen“ arbeiten je zehn Teilnehmer der deutschen Naturschutzjugend (NAJU) und der israelischen Society for the Protection of Nature (SPNI) sowie zwei hauptamtliche Mitarbeiter der Organisationen zusammen. Sie setzen im interkulturellen Dialog auf die Symbolkraft des Zugvogels und machen dabei aktuelle Herausforderungen deutlich: die Verbindung von Naturschutz, Landwirtschaft und Tourismus.

Lebendige Naturkunde: Die Jugendlichen beobachteten die Vögel mit Profiausrüstung
Lebendige Naturkunde: Die Jugendlichen beobachteten die Vögel mit Profiausrüstung © NAJU

Deutsch-israelische Tandems

„NAJU und SPNI stehen bereits seit mehreren Jahren im Austausch, da für beide Organisationen die Kinder- und Jugendbildung Priorität hat“, erläutert Nadav Israeli, der für SPNI das Projekt koordiniert. Auch „Kranich auf Reisen“ steht ganz im Zeichen der Bildung für nachhaltige Entwicklung: „In deutsch-israelischen Tandems haben wir eine Broschüre entwickelt, die spielerisch verschiedene Facetten des Kranichs – sein Aussehen, seine mythologische Bedeutung, seine Gefährdung und seinen Schutz – vermittelt“, sagt der deutsche Projektleiter Manuel Tacke, Referent für Internationales der NAJU. „Die Materialsammlung werden wir in Schulen, Kindergärten oder bei Veranstaltungen mit Kindern und Jugendlichen einsetzen.“

Zwei Workshops, Hospitationen und eine Online-Plattform brachten die Teilnehmer zusammen – und bestärkten sie in ihrem Ziel, junge Menschen für den Naturschutz zu gewinnen: „Es war schön zu sehen, dass in Israel Menschen mit der gleichen Leidenschaft für die gleiche Sache kämpfen und mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind, auch wenn sie aus einem anderen kulturellen Kontext kommen“, erzählt Tacke. Denn obwohl der Kranichbestand in Europa insgesamt zunimmt, ist der Zugvogel von der Zerstörung seiner Lebensräume bedroht. Auch der Tourismus setzt ihm zu: „Und je mehr die Tiere aufgeschreckt werden, desto mehr Energie, also Nahrung benötigen sie“, erklärt Manuel Tacke.

Das Hula-Tal als Rastplatz

Ein großes Problem, denn neben Insekten, Würmern, kleinen Fischen und Fröschen stehen unter anderem auch Mais-und Getreidekörner sowie Bohne, Erbsen und Erdnüsse auf der Speisekarte des Vogels. Die Leidtragenden sind die Landwirte, die große Ernteeinbußen hinnehmen müssen. SPNI, die größte Naturschutzorganisation in Israel, hat Abhilfe geschaffen. „Im Hula-Tal machen jedes Jahr etwa 45.000 Kraniche Station“, sagt Nadav Israeli. „Damit sie nicht die Felder plündern, füttern wir sie von Dezember bis Februar an ausgewählten Plätzen.“ Im Zuge von „Kranich auf Reisen“ beobachtete er gemeinsam mit dem deutsch-israelischen Team im Hula Naturreservat die faszinierenden Zugvögel und profitierte wie seine deutschen Kollegen von neuen Impulsen für die Bildungsarbeit. Nicht zuletzt deshalb soll die Kooperation, die im November 2018 nach zwei Jahren zu Ende geht, fortgesetzt werden: mit einem weiteren spannenden Projekt ab 2019.

Diese beiden Frauen engagieren sich für das deutsch-israelische Kooperationsprojekt:

Yael Lehnardt
© Privat

Yael Lehnardt aus Jerusalem engagiert sich als Umweltbildnerin für SPNI

„Ich arbeite als Koordinatorin der israelischenYouth Birding Clubs für SPNI. Das Projekt Kranich auf Reisen hat mich insbesondere wegen des Erfahrungsaustauschs mit anderen Umweltbildern interessiert. Die größte Herausforderung war zu verstehen, wie groß die Unterschiede zwischen den Gruppen sind, mit denen wir arbeiten, und inwiefern das unsere pädagogische Arbeit beeinflusst. Von vielen positiven Erfahrungen ist mir besonders die Exkursion zum Hula-Naturschutzgebiet in Erinnerung geblieben: Dort tauschten wir uns nicht nur hinsichtlich der Bildungsprogramme aus, sondern teilten auch unser Wissen über die Natur, die wir mithilfe unserer Ausbildung erhalten wollen. Beeindruckt hat mich, wie ähnlich sich die deutschen und israelischen Naturschützer in Bezug auf ihre Motivation, Erfahrungen und Ziele sind – und der Einsatz der Jugendlichen, die sich in unseren Vogelclubs engagieren.“

Anja Zimmermann leitet in Erfurt die NAJU-Kindergruppe

„Ich betreue seit über zehn Jahren in Thüringen Ornicamps, zu denen jedes Jahr im Herbst ein Kranichcamp am Stausee Kelbra gehört. Mein Wissen und meine Erfahrungen wollte ich gerne in das Kooperationsprojekt einbringen, und die gemeinsam erstellte Materialsammlung werde ich nun für die Veranstaltungen nutzen. Die Zusammenarbeit mit meiner israelischen Tandempartnerin hat sehr gut und unkompliziert funktioniert. Da ich in Erfurt die NAJU-Kindergruppe ehrenamtlich leite, hatte ich die Möglichkeit, die neuen Methoden und Spiele zu testen und die Erfahrungen in die Broschüre einfließen zu lassen. Was uns vereint, wurde uns beispielsweise während eines Besuchs im Beit Ussishkin Museum deutlich: Dort haben wir miterlebt, wie Kindern ornithologisches Wissen spielerisch und mit minimaler Ausrüstung vermittelt wurde. Es war toll zu sehen, wie die Demonstration der Flügelspannweite des Pelikans alle Kinder in Staunen versetzte.“

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