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Partner auf dem Weg zur ökologischen Energieversorgung

Energieeffizienz spielt eine besondere Rolle in der Zusammenarbeit der Deutschen Energie-Agentur mit Russland.

25.03.2014
© picture-alliance/dpa - Stephan Kohler

Jeden Winter geht das so in Russland: Wenn der Frost das Thermometer ins Minus drückt, öffnen die Menschen die Fenster in ihren Wohnungen. Klingt verrückt? Sie haben kaum eine andere Wahl. Denn Heizkraftwerke pumpen zentral gesteuert Hitze in die Haushalte. Thermostate sind in russischen Wohnungen noch immer die Ausnahme. Manchmal lassen sich die Heizkörper zwar an- und ausstellen, regeln lässt sich die Temperatur ansonsten aber nicht. Außer über das Fenster.

Dass dabei viel Energie verschwendet wird, galt lange Zeit als zweitrangig, zumal das Umweltbewusstsein meist fehlte. Es schien ohnehin keine Alternativen zu geben, dafür aber gigantische Energiereserven im Land. Doch weicht Russland inzwischen immer weiter von dieser Haltung ab. Auch hier steigen die Energiepreise, Staat und Unternehmen wollen die Verluste durch verschwendete Energie eindämmen. Seit 2009 gilt im Land ein Energieeffizienzgesetz; 2010 hat die Regierung ein Programm für mehr Energieeffizienz verabschiedet. Moskau will bis zum Jahr 2020 den Verbrauch pro Wirtschaftseinheit um mindestens 40 Prozent senken, bislang ist er drei Mal so hoch wie in Westeuropa. Mehr als 11,2 Billionen Rubel (derzeit umgerechnet etwa 230 Milliarden Euro) sollen in den nächsten Jahren in die Modernisierung der Energiewirtschaft fließen.

Deutschland ist auf diesem Weg zu mehr Energieeffizienz ein willkommener Partner; die Bundesrepublik genießt einen guten Ruf in Sachen sparsamer Verbrauch und alternative Energiequellen. Schon seit einigen Jahren kooperieren beide Länder. Die Arbeit koordiniert auf der einen Seite die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena). Stephan Kohler, Vorsitzender der Geschäftsführung, beschreibt die dena im Interview als „Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft“. Deutschland will Russland mit Know-how und Technik unterstützen. Auf der anderen Seite ist der wichtigste Partner die Russische Energieagentur. Sie ist dem Energieministerium unterstellt und begleitet die Umsetzung staatlicher Programme für Energieeffizienz.

Schwerpunkte der deutsch-russischen Zusammenarbeit liegen auf Energieeffizienz in der Industrie, bei Gebäuden und kommunaler Infrastruktur sowie auf der Modernisierung elektrischer Netze und dem Einsatz regenerativer Energiequellen. „Das Interesse nimmt immer mehr zu“, sagt Kohler.

Am intensivsten arbeiten beide Seiten derzeit in Jekaterinburg zusammen. In der Millionenstadt am Uralgebirge, das Russland in eine europäische und eine asiatische Hälfte teilt, hat der lokale Wärmeversorger die dena mit einer Bestandsaufnahme beauftragt. Gemeinsam mit deutschen Projektpartnern arbeitet man derzeit an einem Plan zur Modernisierung des Fernwärmenetzes. Das Projekt gilt als Vorbild, nicht nur für die Industrieregion, sondern für ganz Russland. Weitere Städte haben bereits Interesse bekundet.

Außerdem wurde im Kraftwerk der Universität „Boris Jelzin“ in der Ural-Stadt eine moderne Kraft-Wärme-Kopplungsanlage installiert, in der die bei Erzeugung von Strom in einer Gasturbine entstehende Wärme fast vollständig über einen Abhitzekessel genutzt wird. Das Kraftwerk soll damit nicht nur Strom und Wärme für die Hochschule liefern, sondern auch für die Haushalte der gut 70 000 Einwohner im benachbarten Stadtbezirk.

Modernisierungsbedarf gibt es aber nicht nur bei der Wärmeerzeugung und -verteilung, sondern auch beim Wärmeverbrauch. Der durchschnittliche Energieverbrauch von Gebäuden ist in Russland deutlich höher als in Ländern mit vergleichbaren Klimabedingungen, heißt es in einem Bericht der dena. Um die Energieeffizienz in Wohngebäuden und kommunalen Einrichtungen zu steigern, arbeitet die dena beispielsweise in der Stadt Tscherepowez im Norden Russlands an einer energetischen Gebäudesanierung. Auch hier geht es um die Entwicklung von Modellen, die auf andere Regionen des Landes übertragbar sind.

Die Modernisierung der Stromversorgung will die russische Regierung in Zukunft ebenfalls stärker vorantreiben. Energieminister Alexander Nowak hat eine „Strategie zur Entwicklung des Stromnetzkomplexes“ vorgelegt. Deren Ziel ist es, die Qualität, den Service und die Effizienz der Stromversorgung zu verbessern, die Tarifstruktur neu zu regeln und die Attraktivität für Investitionen zu erhöhen. Mit der Netzbetreibergesellschaft Rosseti vereinbarte die dena im Sommer 2013 eine Kooperation bei der Weiterentwicklung des russischen Stromnetzes. Im Fokus steht die Modernisierung der Technik und des Betriebs der Netze.

In der Startphase ist aktuell ein weiteres gemeinsames Projekt zur Nutzung von Biogas. Bei der Nutzung regenerativer Energiequellen steht Russland erst am Anfang. Gerade mal 0,8 Prozent tragen sie derzeit zur Energieversorgung bei. Bis zum Jahr 2020 jedoch, soll der Anteil auf immerhin 2,5 Prozent steigen, so sieht es ein Regierungsprogramm vor. Mehr als sechs Gigawatt Kraftwerksleistung sollen dann aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen werden.

Die Energiewende in Deutschland nennt Stephan Kohler „das beste Schaufenster für innovative, effiziente Technologien, Maschinen und Produkte made in Germany“. Sie eröffne neue Exportchancen. Überhaupt spielen bei den deutsch-russischen Projekten Geschäftsmöglichkeiten für die deutsche Industrie eine wichtige Rolle. „Die russische Regierung hat sich ehrgeizige Energieeffizienzziele gesetzt und zeigt großes Interesse für deutsche Technologie, sei es bei der Kraft-Wärme-Kopplung, der Wärme- und Stromversorgung oder der Sanierung von Gebäuden“, betont Kohler.

Allerdings sind in einigen Fällen gesetzliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen noch anzupassen oder zu erarbeiten. Allzu große Euphorie bremsen die Experten von „Germany Trade & Invest“ (GTAI), der deutschen Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing – vor allem beim Wohnungsbau. „In Russland gibt gesetzliche Vorschriften für energieeffizientes Bauen, und auch die Mittel, um die Projekte umzusetzen. Das beschert Ausrüstern schon heute einen gewaltigen Markt“, heißt es in einem GTAI-Bericht. „Die Umsätze, die für deutsche Unternehmen dabei abfallen, sind allerdings überschaubar. Das liegt in erster Linie an intransparenten Strukturen. Energieeffizienzmaßnahmen am Bau werden zentral gesteuert.“

Bei Neubauten gibt es inzwischen Vorschriften für mehr Energieeffizienz, die den Einbau von Heizkörperreglern, Wasser- und Wärmezählern verlangen. Auch die Bevölkerung ist angehalten einen Teil zu mehr Energieeffizienz beizutragen – etwa indem man nicht mehr das Fenster öffnet, um die Zimmertemperatur zu regeln. Die russische Regierung will in der Bevölkerung in Zukunft das Bewusstsein für Energieeffizienz im Alltag stärken. Die dena wird sie auch dabei unterstützen. ▪

Oliver Bilger