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Partner für Ökologie und Effizienz

Deutschland und die Türkei verbindet eine vielfältige Zusammenarbeit im Energiebereich

25.03.2014
© IBC Solar - Photovoltaic system, Konja/Turkey

Der wirtschaftliche Erfolg der vergangenen Jahre hat für die Türkei nicht nur rundum positive Folgen. So wird der Energiebedarf bis zum Jahr 2020 Schätzungen zufolge um jährlich 7,5 Prozent zunehmen. Und weil das Land seinen Energiebedarf nicht aus eigener Kraft decken kann, muss es importieren: 93 Prozent des Erdöls und 97 Prozent des Erdgases werden eingeführt. Das ist nicht nur teuer, sondern es bringt die Türkei auch in energiepolitische Abhängigkeiten.

Abhilfe schaffen soll deswegen die enge Energiezusammenarbeit mit Deutschland – eine Partnerschaft, wie sie die Türkei mit keinem anderen Staat derart intensiv führt. Zentrale Säule der Kooperation wird das Deutsch-Türkische Energieforum sein, das der türkische Energieminister Taner Yildiz und der damalige deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler im November 2012 in Istanbul vereinbarten. Das erste Deutsch-Türkische Energieforum trat im April 2013 in Ankara unter Vorsitz der beiden Minister zusammen. Das Forum bietet deutschen und türkischen Akteuren der Energiewirtschaft eine Plattform zur Zusammenarbeit und zum Erfahrungsaustausch in fünf Arbeitsgruppen. Jedes Jahr kommen so Politiker, Unternehmen und Verbände aus dem Energiebereich zusammen. Politisch unterstützen die Aktivitäten auf deutscher Seite insbesondere das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und das Bundesumweltministerium, auf türkischer Seite das Ministerium für Energie und Natürliche Ressourcen. Das Deutsch-Türkische Energieforum habe eine hohe Bedeutung für den Ausbau bestehender und den Aufbau neuer Kooperationen zwischen türkischen und deutschen Unternehmen, betont Taner Yildiz den Stellenwert der Zusammenarbeit.

Die Regierung Erdogan hat das Ziel den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung bis zum Jahr 2023 auf 30 Prozent zu treiben. Die Voraussetzungen, das zu erreichen, scheinen gut: „Die Türkei ist wie nur wenige andere Länder der Welt mit erneuerbaren Energiequellen gesegnet“, sagt Frank Kaiser, Stellvertretender Geschäftsführer der Deutsch-Türkischen Industrie- und Handelskammer in Istanbul. Das gelte für Wasser-, Wind- oder Solarkraft, Erdwärme – und die Produktion von Strom über Biomasse, da die Landwirtschaft in der Türkei eine große Rolle spielt. Genutzt wird bislang aber dank großer Stauseeprojekte insbesondere die Wasserkraft. Das soll sich ändern.

Einen Schub versprechen sich die türkischen Energiemanager dank des deutschen Expertenwissens in den Bereichen Windkraft und Solarenergie. Gerade für Photovoltaikanlagen sind die Bedingungen ideal: 7,2 Stunden beträgt die Sonneneinstrahlung pro Tag. In Deutschland dagegen sind es nur 4,5 Stunden. Diese Vorzüge haben mittlerweile auch Investoren erkannt: 2013 hatte die türkische Regierung Lizenzen für PV-Projekte mit einer Gesamtkapazität von 600 Megawatt ausgeschrieben. Fast 500 Projektanträge mit einem Volumen von 8000 Megawatt gingen daraufhin ein. Nun sind weitere Lizenzausschreibungen geplant. Aber noch längst nicht alle Potenziale der regenerativen Energien werden genutzt. Beispiel Abfall: Von den täglich 70 000 Tonnen Müll, die in der Türkei täglich anfallen, werden nur 40 000 Tonnen verwertet und in Strom umgewandelt. Beispiel Geothermie: Rund 15 Prozent des Energiebedarfs könnten gedeckt werden, würde die Türkei die Erdwärme im eigenen Land nutzen.

Ganz oben auf der Agenda der binationalen Kooperation steht neben Themen wie der Modernisierung von Kohle- und Gaskraftwerken oder dem Ausbau der Stromnetze auch das Thema Energieeffizienz. Aus gutem Grund: Bislang, so hat das der Handelskammer-Vertreter Kaiser beobachtet, sei der Energieverbrauch immer dann besonders hoch gewesen, wenn die Wirtschaft florierte. „Es wäre deshalb von großer Bedeutung, wenn Unternehmen effizienter sein könnten“, sagt er. Doch das Thema ist nicht ganz einfach: Mancher türkische Unternehmer ist der Meinung, man könnte am Energieverbrauch und den damit verbundenen Ausgaben nur wenig ändern. „Energieeffizienz muss deshalb stärker in das Bewusstsein der türkischen Partner rücken“, sagt Nargis Wieck, bei der Deutschen Energie-Agentur (dena) für die Türkei zuständige Projektleiterin. Deutschland gelte dabei als Vorbild. „Dort hat man gesehen, dass sich durch bessere Technologien und ein effizientes Energiemanagement der Energieverbrauch reduzieren lässt.“

Der Bedarf an Know-how wiederum erhöht die Aussichten für Deutschlands Firmen, ihre Technologie zu exportieren: „Deutsche Produkte sind extrem energieeffizient, davon können türkische Unternehmen profitieren“, sagt Frank Kaiser. Die Vorzüge sieht auch Hildegard Müller, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft. „Die deutsche Energiewirtschaft kann weitreichende Erfahrungen mit den modernsten Kraftwerken, intelligenten Netztechnologien, dem Ausbau Erneuerbarer Energien und einem international beispielhaften Energieeffizienzniveau einbringen“, erklärte sie anlässlich des Deutsch-Türkischen Energieforums 2013 in Ankara.

Dass die breit angelegte deutsch-türkische Energiekooperation Früchte trägt, davon ist auch das Bundeswirtschaftsministerium überzeugt: „Die Türkei hat im Energiebereich einen enormen Nachholbedarf, und Deutschland hat eine Expertise vorzuweisen, von der das Land profitieren kann“, teilt das Ministerium mit. Hieraus würden sich große Chancen ergeben, die Zusammenarbeit zwischen deutschen und türkischen Unternehmen auszuweiten. Auch in der Forschung könnte die Kooperation Erfolge bringen: So soll es Pläne des Teknoparks Istanbul geben ein Büro im Berliner Technologiepark Adlershof zu eröffnen.

Benjamin Haerdle