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„Russland hat sehr gute Möglichkeiten“

Martin Faulstich, Vorsitzender des deutschen Sachverständigenrats für Umweltfragen, über den Vorbildcharakter der Energiewende.

25.03.2014
© picture-alliance/dpa - Professor Martin Faulstich

Herr Professor Faulstich, inwieweit taugt Deutschlands Energiewende als internationales Vorbild?

Gegen den Klimawandel müssen alle Länder der Welt antreten. Damit ist klar, dass wir uns mittelfristig komplett von Öl, Gas und Kohle verabschieden müssen. Für Deutschland ist zudem der Ausstieg aus der Atomenergie wesentlich. Manche Länder argumentieren, die Atomenergie sei klimafreundlich – aber auch sie ist eine ressourcenabhängige Technologie und auf Uran angewiesen. Deshalb denken wir, dass der deutsche Weg ein Vorreiterweg ist. Wir können zeigen, dass die Energiewende langfristig zu den preiswertesten Energien führen wird – auch international betrachtet.

Für Russland spielt Gas als Energieträger eine herausragende Rolle.

Gas ist natürlich weniger klimaschädlich als Kohle, aber letztlich ebenfalls klimaschädlich. Somit wird auch Russland einen anderen Weg gehen müssen. Und Russland hat allein schon durch die Größe des Landes sehr gute Möglichkeiten, auf Wind, Sonne und Biomasse zu setzen. Im Vergleich dazu sind Deutschlands Voraussetzungen nur moderat. Aber auch hier gilt, dass die Erneuerbaren Energien die preiswerteste Energieform sind. Sonne und Wind können nicht teurer werden.

Die deutsche Industrie genießt in Russland einen besonders guten Ruf. Kann sie für die Energiewende werben?

Das ist sicherlich eine Chance, zu überzeugen: Wenn Deutschland als eine der führenden Industrienationen der Welt die Energiewende stemmen und somit langfristig gute Arbeitsplätze und günstigen Strom erreichen kann, dann ist das ein Modell, das Russland übernehmen kann. Deutschlands Technologien sind seine Exportschlager; Rohstoffe können wir ja nicht exportieren und Energie eigentlich auch nicht. Aber auch intensive Kooperationen zwischen deutschen und russischen Universitäten, wie sie etwa der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) vorantreibt, sind eine Chance. Der Ideenaustausch ist die einfachste und unkomplizierteste Form der Zusammenarbeit.

Als Geschäftsführer des Clausthaler Umwelttechnik-Instituts CUTEC beschäftigen Sie sich auch intensiv mit dem Thema Recycling, das aktuell in Russland an Bedeutung gewinnt. Liegt hier eine weitere Chance für ökologisches Umdenken?

Ja, denn auch Russland hat mit Rohstoffmangel zu kämpfen und braucht die Abfallwirtschaft. Seltene Erden werden beispielsweise aus China importiert. Die Energiewende benötigt Seltene Erden für Windkraftanlagen, spezielle Materialien für Photovoltaikanlagen sowie die Steuerungs- und Regelungstechnik. All diese Materialien lassen sich langfristig kaum noch abbauen; sie werden dann aus Recyclinganlagen kommen müssen. Energie- und Rohstoffwende sind Geschwister, die wir gemeinsam vorantreiben müssen.

Russland holt technologisch ohnehin auf...

Dazu ein Beispiel aus der Automobilindustrie: Nehmen wir an, Russland wollte versuchen, Dieselmotoren wie Deutschland zu bauen. Diesen Aufholwettbewerb kann es kaum gewinnen. Warum also nicht mit aller Kraft in die Elektromobilität einsteigen, wo der deutsche Vorsprung noch nicht so groß ist? Grundsätzlich sollte eher in die übernächste Technologiegeneration gesprungen werden, als sich an weniger innovativen Entwicklungsschritten zu orientieren. ▪

Interview: Johannes Göbel