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Mode mit Mehrwert

Der deutsche Designer und Dozent Jörn Fröhlich entwirft mit seinen Studierenden in Izmir ökologische Kleidung.

Interview: Johannes Göbel, 17.08.2020
Circular  Fashion: Kollektion einer Studentin aus Stoffresten
Circular Fashion: Kollektion einer Studentin aus Stoffresten © Ersan Çeliktaş/Kollektion Hilal Karakaş

Herr Fröhlich, schon seit zehn Jahren arbeiten Sie als Dozent an der İzmir Ekonomi Üniversitesi (İEÜ). Wie kam es zu Ihrer Lehrtätigkeit in der Türkei?

Ich hatte zuvor als Kostümbildner und Produktionsleiter im Bereich Schauspiel und Musiktheater gearbeitet und war 2005 als Visual Merchandising Manager zu einem Mode-Einzelhändler nach Stuttgart gewechselt. Dort entstanden über das Thema, wie man Ware emotional inszenieren kann, viele Kontakte zu internationalen Geschäftspartnern, unter anderem in der Türkei. Auf diesem Weg kam es zunächst zu einer Zusammenarbeit mit der Istanbuler Kunstuniversität Mimar Sinan und schließlich wurde ich eingeladen, Gastworkshops an der İzmir Ekonomi Üniversitesi zu halten. Dort bin ich seit 2010 als Dozent angestellt.

Jörn  Fröhlich: „Trend zu einem nachhaltigeren Konsummodell“
Jörn Fröhlich: „Trend zu einem nachhaltigeren Konsummodell“ © Jörn Fröhlich

Haben sich die Themen Ihrer Arbeit in Izmir in den vergangenen Jahren verändert?

Absolut. In der Anfangszeit lag mein Schwerpunkt klar auf Visual Merchandising, auf dem Storytelling rund um das Besondere eines Kleidungsstücks. Dann habe ich mich aber mehr und mehr auf das Thema nachhaltige Mode konzentriert. In Izmir konnte ich in den vergangenen Jahren beobachten, wie das Bewusstsein für Umweltthemen immer größer wurde, von der Vermeidung von Plastikmüll bis zu Bio-Sortimenten in den Supermärkten. Diesen Trend zu einem nachhaltigeren Lebens- und Konsummodell wollte ich aufgreifen für die Art und Weise, wie wir unsere Studierenden an das Modedesign heranführen. Die Türkei bietet traditionell viele ökologische Produktionsformen, nur werden diese noch nicht ausreichend als solche wahrgenommen.

In der Türkei sind hochwertige Handarbeit und der Einsatz von natürlichen Rohstoffen weit verbreitet.
Jörn Fröhlich, Designer und Dozent

Was sind konkrete Beispiele?

Im Rahmen einer Forschungsarbeit bin ich zum Beispiel in die Provinz Hatay gereist, um mir die Arbeit mit Handwebstühlen in einem Betrieb für Naturseiden anzuschauen. Maulbeerbäume, die Wirte der Seidenraupen, wachsen dort auf natürliche Weise. Eine Weberin erzählte mir zudem, dass sie darauf verzichten, die Raupen zu töten und stattdessen deren Kokons erst nach dem Schlüpfen verarbeiten. Was andernorts unter dem Schlagwort „Peace Silk“ besonders vermarktet wird, war in diesem Betrieb selbstverständlich. Grundsätzlich sind in der Türkei hochwertige Handarbeit und der Einsatz von natürlichen Rohstoffen weit verbreitet, es fehlt aber oft das Bewusstsein für den enthaltenen wirtschaftlichen Mehrwert. Dieses Bewusstsein möchten wir im Fachbereich Mode- und Textildesign an der İzmir Ekonomi Üniversitesi stärken.

Jörn Fröhlich an einem Handwebstuhl
Jörn Fröhlich an einem Handwebstuhl © Jörn Fröhlich

14 Ihrer Studierenden haben im März 2020 nachhaltige Kollektionen auf einer Veranstaltung des Goethe-Instituts Izmir präsentiert. Was war der Anlass?

Das Goethe-Institut hatte uns für sein Jahresthema Nachhaltigkeit angefragt. Mir war wichtig, den Studierenden mehrere Wege des nachhaltigen Designs zur Wahl zu stellen. Entwürfe zu Circular und Slow Fashion wurden ebenso gezeigt wie Arbeiten, die ohne Verschnitt auskamen, auf biologisch abbaubare Materialien setzten oder vielseitige Einsatz-, Styling- und Kombinationsmöglichkeiten in nur einem Kleidungsstück boten. Die Modenschau mit den Kollektionen der Studierenden war Teil einer dreitägigen Veranstaltung rund um Fair Fashion in der Türkei und Deutschland, zu der das Goethe-Institut und der Fachbereich Mode- und Textildesign der İzmir Ekonomi Üniversitesi Interessierte und Fachleute beider Länder zusammenbrachten. Die Studierenden konnten nicht nur ihre Kollektionen vorstellen, sondern auch mit den Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft ins Gespräch kommen. Meine Kolleginnen und Kollegen haben zudem unsere eigenen Arbeiten zu nachhaltiger Mode vorgestellt. Ursprünglich sollte der so begonnene Austausch das Jahr über mit mehreren Folgeveranstaltungen fortgesetzt werden, das hat die Corona-Pandemie leider verhindert. Wenn es die weitere Entwicklung aber zulässt, werden wir im Wintersemester eine ähnliche Veranstaltung auf die Beine stellen.

Ohne Verschnitt kam die Kollektion der Studentin Sevil Bul aus
Ohne Verschnitt kam die Kollektion der Studentin Sevil Bul aus © Kollektion Sevil Bul