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Der Weg zur nachhaltigen Ökonomie

Wie müssen wir unser Wirtschaftssystem verändern, um nachhaltig zu produzieren? Wirtschaftswissenschaftler Holger Rogall erklärt es.

Kim Berg, 07.08.2020
 Deutschland bezieht Strom zu 42 Prozent aus Erneuerbarer Energie.
Deutschland bezieht Strom zu 42 Prozent aus Erneuerbarer Energie. © picture alliance / blickwinkel/S. Ziese

Herr Rogall, wofür steht der Begriff „nachhaltige Wirtschaft“?
Nachhaltigkeit hat drei Dimensionen: Ökologie, Ökonomie und Sozial-Kulturelles. Um zum nachhaltigen Wirtschaften zu kommen müssen wir immer alle drei Dimensionen betrachten. Wir definieren dies so: Nachhaltiges Wirtschaften strebt angemessen hohe ökologische, ökonomische und sozial-kulturelle Standards für alle Menschen in den Grenzen der natürlichen Tragfähigkeit an. So muss ein Staatenbund wie die EU neben der Einhaltung der natürlichen Tragfähigkeit immer auch an die Bekämpfung der Armut und an die Stärkung der Bildung denken, um nachhaltig zu handeln.

Was muss passieren, damit die Marktwirtschaft nachhaltig wird?
Die Marktwirtschaft kann mit den Prinzipien einer kurzfristigen Gewinnmaximierung die großen Probleme der Menschheit nur dann lösen, wenn sie sich innerhalb ökologischer Leitplanken bewegt. Diese Leitplanken oder Regeln steuern die Entwicklung von Wirtschaft und Technik und geben so eine Richtung vor. Dafür benötigen wir einen gestaltenden Staat, der den Transformationsprozess hin zum nachhaltigen Wirtschaften lenkt. Nehmen wir als Beispiel die Energiewende. Nur, wenn es gelingt, bis 2050 die Energiewirtschaft auf 100 Prozent Erneuerbare Energien umzustellen, kann die Klimaerwärmung noch auf ein verträgliches Maß begrenzt werden. Das gelingt nicht alleine durch freiwillige Veränderungen der Marktkräfte.

Holger Rogall leitet das Institut für Nachhaltige Ökonomie (INÖk) und war bis 2018 Direktor des Instituts für Nachhaltigkeit an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin.
2018 Direktor des Instituts für Nachhaltigkeit an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin.

Also brauchen wir einen lenkenden Staat?
Genau. Deshalb benutze ich das Beispiel mit der Leitplanke sehr gerne. Leitplanken sind dazu da, bei einem Unfall Schlimmeres zu verhindern. Es geht nicht um die Begrenzung der Freiheit, sondern um das Überleben der Menschheit. Deshalb benötigen wir Leitplanken, die der Staat setzt, damit die Entwicklung von Wirtschaft und Technik in die richtige Richtung geht.

Bieten Krisen wie die Corona-Pandemie Möglichkeiten, in diese Lenkung einzusteigen?
Das aktuelle Rettungspaket der EU enthält Summen, die so vorher noch nie ausgegeben wurden. Leider wird das Geld gerade nicht ausreichend für einen Umbau der Wirtschaft eingesetzt, sondern nach dem Gießkannen-Prinzip verteilt – jeder bekommt etwas ab. Das kann ich aus wissenschaftlicher Sicht nicht nachvollziehen. Wir brauchen eine gezielte Förderung von Techniken, die notwendig sind, um den Klimawandel zu begrenzen – zum Beispiel Erneuerbare Energien.

Wie würden Sie das Geld verteilen?
Wir müssen diese Mittel zielgerichtet einsetzen, um dem Transformationsprozess zum nachhaltigen Wirtschaften einen deutlichen Schub zu verpassen. Wir haben in Europa in den vergangenen zehn bis 20 Jahren schon erste Schritte unternommen, um nachhaltig zu wirtschaften. Aber das geschieht zu langsam, so viel Zeit geben uns die natürlichen Kreisläufe leider nicht. Deshalb müssten wir die Corona-Krise unbedingt zur Beschleunigung nutzen.

Wir müssen zeigen, dass man auch mit einer nachhaltigen Wirtschaft gut leben kann.
Holger Rogall

Wo müssen wir ansetzen, um ökologisch zu wirtschaften?
Wir brauchen eine Energiewende zur 100 Prozent-Versorgung mit erneuerbaren Energien und zwar in allen Sektoren. Nicht nur bei der Stromerzeugung, sondern auch im Verkehr, der Industrie und den Gebäuden. Das würde Innovationen anstoßen, die neue Arbeitsplätze schaffen und neue Einkommensquellen erschließen. Zusätzlich müssen wir unsere Ressourcen schonen und deren Verbrauch Jahr für Jahr verringern.

Was können Staaten dabei tun?
Wenn Corona nicht gekommen wäre, dann hätte die EU mit dem Green Deal die Richtung vorgegeben. Sie müssen die Ausgaben dahin verlagern, wo sie nachhaltiges Wirtschaften begünstigen. Sie nehmen alle Subventionen dort weg, wo fossile Energien genutzt werden und Unternehmen kein nachhaltiges Wachstum fördern.

Welche Rolle hat Deutschland in dieser Entwicklung?
Deutschland hat den Ausbau an Erneuerbaren Energien weltweit vorangetrieben. Innerhalb von 20 Jahren stieg der Wert an Erneuerbarer Energie in Deutschland von drei auf über 40 Prozent. Es gibt viele Länder, die sehr genau auf Deutschland schauen und die hier entstandenen Techniken dann nachahmen. Wir müssen zeigen, dass man auch mit einer nachhaltigen Wirtschaft gut leben kann.

© www.deutschland.de

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