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Das Phosphat-Problem

Der Rohstoff ist lebenswichtig und knapp, aber auch gefährlich. Was tun? Deutsche und chinesische Wissenschaftler arbeiten an Lösungen.

Jasmin Siebert, 26.08.2019
Mais reagiert besonders sensibel auf Phosphatmangel
Mais reagiert besonders sensibel auf Phosphatmangel © Uni Hohenheim

Dass Erdöl ein knappes Gut ist und es die Menschheit vor große Probleme stellen wird, wenn die globalen Vorräte aufgebraucht sind, weiß fast jeder. Noch knapper ist jedoch Phosphat, von dem in der Landwirtschaft große Mengen für Futter und Dünger benötigt werden. „Wenn die Welt weiterhin so viel Phosphat verbraucht, dann sind die Ressourcen in spätestens 300 Jahren erschöpft“, warnt Torsten Müller. Er ist Professor für Düngung und Bodenstoffhaushalt an der Universität Hohenheim und Leiter eines deutsch-chinesischen Graduiertenkollegs.

Die Universität Hohenheim in Stuttgart
Die Universität Hohenheim in Stuttgart © Uni Hohenheim

Seit Oktober 2018 forschen in Stuttgart zwölf Doktoranden mit mindestens je einem Partner der China Agricultural University in Peking daran, die begrenzten Phosphatressourcen effizienter zu nutzen. Die deutsche und die chinesische Universität kooperieren schon lange, im November feiern sie den 40. Jahrestag ihrer Zusammenarbeit. Ziel des aktuellen Projekts ist es, Phosphat, das zum Beispiel in Klärschlamm oder Gülle verloren geht, rückzugewinnen und wiederaufzubereiten. Das Graduiertenkolleg forscht mit Mais. Denn die Pflanze reagiert besonders sensibel auf Phosphatmangel und ist einer der wichtigsten Kohlenstofflieferanten weltweit. Sie wird als Lebensmittel, Tierfutter und für Biogasanlagen benutzt.

Torsten Müller, Professor für Düngung und Bodenstoffhaushalt
Torsten Müller, Professor für Düngung und Bodenstoffhaushalt © Uni Hohenheim
Keine Zelle kommt ohne Phosphor aus.
Torsten Müller, Professor für Düngung und Bodenstoffhaushalt

Phosphor ist in Zellmembranen enthalten, in Enzymen, die Energie transportieren, und in Nukleinsäuren, in denen genetische Informationen gespeichert sind. „Keine Zelle kommt ohne Phosphor aus“, beschreibt Torsten Müller die Bedeutung des chemischen Stoffs. Haben Pflanzen Phosphormangel, färben sich Blattränder violett. Die Pflanze kann weniger Photosynthese betreiben und damit sinkt der Ertrag.

Bei jeder Ernte wird dem Boden Phosphor entzogen und muss ihm als Dünger wieder zugeführt werden. Weil die Vorräte sehr ungleich in der Welt verteilt sind und der Bedarf steigt, habe sich der Preis von Phosphat seit den 1970er-Jahren verdoppelt, sagt Professor Müller. Deutschland hat gar keine eigenen Vorkommen, in China werden sie in etwa 30 Jahren aufgebraucht sein, dagegen lagern beinahe drei Viertel der weltweiten Vorräte in Marokko.

Phosphat ist ein essentielles und knappes Gut – einerseits. Anderseits verursacht es in Gebieten, in denen viel Vieh gehalten wird oder viele Biogasanlagen laufen, Umweltprobleme. Hühner und Schweine zum Beispiel haben Probleme, Phosphat zu verdauen, dementsprechend große Rückstände sind in ihren Ausscheidungen enthalten. Bringen die Bauern die Gülle auf die Felder aus, sorgt Phosphat für eine Überdüngung von Böden und Gewässern. Algenarten, die eigentlich nicht vorherrschen, vermehren sich massiv, Fäulnisprozesse laufen an und der See „kippt“ von einem aeroben in einen anaeroben Zustand.

Konstantin Dinkler, Doktorand am deutsch-chinesischen Graduiertenkolleg
Konstantin Dinkler, Doktorand am deutsch-chinesischen Graduiertenkolleg © privat

„Phosphat – das ist ein grob unterschätztes Problem“, sagt auch Konstantin Dinkler. Der 25-Jährige hat erneuerbare Energien in Berlin studiert und ist nun Doktorand am deutsch-chinesischen Graduiertenkolleg in Stuttgart. Sein Forschungsbereich sind Biogasanlagen, die gibt es auch in China. Seine chinesische Forschungspartnerin und er betreiben Grundlagenforschung, denn niemand hat sich bisher das Verhalten von Phosphat im gesamten Gärprozess näher angeschaut. Die beiden Doktoranden experimentieren mit unterschiedlichen pH-Werten und Temperaturen im Reaktor. Dinkler führt die meisten Tests in einem 20-Liter-Reaktor im Labor durch. Für größere Versuche steht ein Industriereaktor auf dem Unigelände bereit. „Mein Ziel ist es, Ansätze dafür zu schaffen, dass in einigen Jahren in Gärresten enthaltenes Phosphat besser rückgewonnen werden kann“, sagt Dinkler.

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