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Blaupause für andere asiatische Länder

Das Freihandelsabkommen der EU mit Südkorea ist ein voller Erfolg. Ein Interview mit Barbara Zollmann, Geschäftsführerin der Koreanisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer.

24.03.2015

Frau Zollmann, das Freihandelsabkommen der EU mit Südkorea, das erste mit einem asiatischen Land, scheint ein Erfolg zu sein. Wie sind die neuesten Zahlen für Deutschland?

Deutsche Exporte nach Korea haben – trotz eines sich verlangsamenden Wirtschaftswachstums – eine sehr positive Entwicklung genommen: Nach einem Zuwachs von 9,6 Prozent in 2013 sind Exporte deutscher Güter nach Korea 2014 noch einmal um 10,1 Prozent auf 21,3 Milliarden US-Dollar gestiegen. Deutschland liegt damit hinter China, Japan, den USA, Saudi-Arabien und Katar auf Platz sechs der wichtigsten Lieferanten Koreas. Im Gegenzug hat Deutschland 2014 koreanische Waren im Wert von 7,57 Milliarden US-Dollar eingeführt.

Aus welchen Bereichen kommen die höchsten Wachstumsraten?

Deutsche Produkte haben in Korea während der letzten Jahre im Allgemeinen sehr gut abgeschnitten. Innerhalb der größten Sektoren haben bis September 2014 etwa Importe deutscher Kraftfahrzeuge ein Wachstum von 48,1 Prozent, Medizintechnik und Pharmazeutik 22,4 Prozent und chemische Erzeugnisse 13,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahrszeitraum verzeichnen können. Abseits der traditionell starken deutschen Exportbereiche gibt es jedoch auch andere nennenswerte Entwicklungen: der Lebensmittelbereich ist stark gewachsen. Von 82 Millionen US-Dollar im Jahr 2009 sind die deutschen Exporte bis 2013 auf über 341 Millionen US-Dollar angewachsen. Dabei haben sich besonders deutsche Süßigkeiten – plus 58,3 Prozent gegenüber 2012 auf 36,1 Millionen US-Dollar – und Getränke wie Bier und Säfte ( auf 27,3 Millionen US-Dollar) als Exportschlager erwiesen.

Es heißt, das Freihandelsabkommen sei ein Abkommen einer neuen Generation. Was ist das Besondere?

Schon mit Inkrafttreten des Freihandelsabkommens 2011 konnten 90 Prozent der zwischen beiden Ländern gehandelten Industriegüter zollfrei eingeführt werden. Bis 2018 werden die Zölle auf alle Industriegüter beseitigt werden. Für 95 Prozent der Agrargüter fallen ebenfalls nach zehn bis 18 Jahren alle Zölle weg. Lediglich eine geringe Anzahl an Agrargütern – darunter Reis – wurde ausgeklammert. Dies bedeutet, dass das EU-Korea Freihandelsabkommen im Hinblick auf den Zollabbau im Vergleich zu anderen Abkommen ganz vorne mit dabei ist. Darüber hinausgehend wurde im Dienstleistungsbereich eine Reihe von Beschränkungen aufgehoben. Dies gilt für Marktzugangsbarrieren in der Telekommunikation, bei Umwelt-, Finanz-, Rechts-, Buchhaltungs-, Audit- sowie Steuerdienstleistungen. Das Abkommen beinhaltet zudem einige über die Regeln der Welthandelsorganisation hinausgehenden Bestimmungen – sogenannte „WTO Plus“-Regeln. Dazu gehören beispielsweise verbesserter Zugang zum öffentlichen Beschaffungswesen, Schutz des Immaterialgüterrechts und auch ein Bekenntnis zum Konzept der nachhaltigen Entwicklung. Eine weitere wichtiger Punkt ist, dass die Umsetzung des Abkommens mittels mehrerer themenbezogener bilateraler Arbeitsgruppen und Komitees überwacht wird. Durch diese Kontaktpunkte können auch in Zukunft Probleme in der Umsetzung des Freihandelsabkommens direkt angesprochen werden. Zugegebenermaßen ist dieser Prozess sehr langsam.

Wird das Abkommen eingehalten? Oder gibt es noch Verbesserungspotenzial?

Im Hinblick auf nichttarifäre Handelshemmnisse gibt es tatsächlich noch Raum für Verbesserungen. Beispiele sind eine Ausweitung der Kennzeichnungspflichten für viele Produktgruppen oder die Einführung spezieller koreanischer Zertifizierungspflichten, obwohl europäische Zertifizierungen auf hohem Niveau vorliegen. Hier macht sich die Asymmetrie des Abkommens besonders bemerkbar: Europäische Unternehmen müssen diese Anstrengungen für einen relativ kleinen – wenn auch kaufkräftigen – Markt vornehmen, während die koreanische Seite mit einem Schlag einen Zugang zu einem Markt von 500 Millionen Einwohnern erhält.

Taugt das Freihandelsabkommen als Blaupause für andere asiatische Länder?

Grundsätzlich handelt es sich bei dem EU-Korea Freihandelsabkommen um ein gutes Modell. Sowohl was den Umfang der Zollbefreiung als auch die Breite der zusätzlichen Regelungen angeht, könnte der Abschluss weiterer ähnlicher Abkommen – vor allem in Ermangelung einer multilateralen Lösung – deutschen Unternehmen sehr zugute kommen. Wichtig ist, dass es gute und effektive Mechanismen zur Überwachung der Umsetzung gibt, damit die Zollsenkungseffekte des Freihandelsabkommens nicht durch den Aufbau von nichttarifären Handelshemmnissen ausgehöhlt werden.

Südkorea hat im vergangenen Jahr auch ein Freihandelsabkommen mit China ausgehandelt und ist nun mit allen drei großen Wirtschaftsblöcken verbunden. Welche Rolle trauen Sie Südkorea in naher Zukunft zu?

Korea hat es geschafft, mittels einer Strategie als „Fast Follower“ zu einer der führenden Wirtschaftsnationen der Welt aufzusteigen. Aber mit Blick auf schnell aufholende Länder wie China wird Korea nun jedoch kaum etwas anderes übrig bleiben, als den Sprung zum „First Mover“ anzugehen und durch Eigenentwicklungen zukünftige technologische Entwicklungen zu bestimmen. Gleichzeitig muss Korea neben den großen Konglomeraten eine Vielzahl weiterer exportstarker Unternehmen entwickeln. Diese Punkte werden Koreas künftige Rolle definieren. ▪

Interview: Martin Orth