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Boom in der Provinz

Die „Weltfabrik“ steht in Hoppstädten-Weiersbach. Wie ein deutsches Dorf zum Hotspot für chinesische Investoren wurde.

Martina Propson-Hauck, 22.05.2017
© dpa - „Weltfabrik“

Nicht die Hafenstadt Hamburg, nicht die Finanzmetropole Frankfurt, nicht der Regierungssitz Berlin, sondern die wenig bekannte 3300-Einwohner-Gemeinde Hoppstädten-Weiersbach im Südwesten Deutschlands ist derzeit das Ziel chinesischer Investoren. Dort entsteht das bald größte chinesische Großhandelszentrum Europas – schlicht „Weltfabrik“ genannt. Etwa 600 Chinesen leben und arbeiten bereits in Hoppstädten-Weiersbach, ihre Kinder besuchen Kita und Grundschule im Ort. Viele der über 200 Unternehmen werden aus kleinen Büros in Wohnungen geführt. Doch in naher Zukunft soll daraus etwas richtig Großes werden: Geplant seien 18 mehrstöckige Gebäude für repräsentative Showrooms und Büros, erläutert Geschäftsführer Andreas Scholz. Vor wenigen Wochen feierten er und seine chinesische Partnerin Jane Hou die Eröffnung des „Headquarter der Weltfabrik“ (HdW). Dort sollen weitere 100 Investoren angesiedelt werden. Aktuell seien 40 Prozent der Flächen verkauft. In den nächsten fünf bis sieben Jahren sollen 500 Unternehmen in Hoppstädten-Weiersbach residieren.

„Weltfabrik“

Von deutscher Waldluft angelockt

Jane Hou spielt eine Schlüsselrolle in dieser Erfolgsgeschichte. Als sie vor fünf Jahren auf der Suche nach geeigneten Standorten für chinesische Im- und Export-Unternehmen in Deutschland war, landete sie per Zufall in Hoppstädten-Weiersbach. Die Nähe zum Flughäfen Hahn, die schnelle Erreichbarkeit von Frankfurt und Paris überzeugten sie. Hou begeisterte damals auch den deutschen Geschäftsmann Scholz von ihrer Idee. Er stieg als Geschäftspartner ein. Eine erste Delegation chinesischer Geschäftsleute kam, die waldreiche Gegend mit der sauberen Luft beeindruckte die smoggeplagten Großstädter.

Zunächst siedelten sich vier Unternehmer aus dem südchinesischen Shenzhen in den ehemaligen Soldatenwohnungen des Ortes an. Sie standen seit Jahren leer, nachdem die amerikanischen Streitkräfte abgezogen waren. Hou und Scholz gründeten das International Commercial Center Neubrücke (ICCN GmbH), das vom Umzug bis zum Wohlfühlen in der neuen Umgebung alles für die chinesischen Unternehmer organisiert. „Berlin hat das KdW, das Kaufhaus des Westens, wir haben das HdW“, sagt Ortsbürgermeister Welf Fiedler stolz.

„Housing Area“ wird „Chinatown“

In Hoppstädten-Weiersbach machen sich die Chinesen mittlerweile nicht nur duruch hohe Steuereinnahmen für die Kommune bemerkbar. „Im Supermarkt gibt es viel mehr chinesische Lebensmittel“, erzählt der Bürgermeister. Für die Dorfbewohner sei es kein Problem, dass aus der „Housing Area“ der Amerikaner nun eine Art „Chinatown“ geworden sei. „Früher hatten wir die Amerikaner hier, damit sind wir aufgewachsen.“ Nun sind es eben die Chinesen. In den Kitas und Schulen seien die Kinder gut integriert, ebenso in der Musikschule.

„Eichengarten“ haben die ICCN-Gründer den chinesischen Stadtteil genannt, weil dort viele alte Eichen stehen und die Eiche sowohl für Chinesen als auch für Deutsche ein Symbol für Stärke und Langlebigkeit ist. Gehandelt wird mit fast allem und in beide Richtungen: Töpfe, Textilien, Rucksäcke, IT, Maschinenteile, Wein, Antiquitäten, gebrauchte Gabelstapler und medizinische Geräte. Aber auch Reiseunternehmen und Messeorganisatoren haben sich angesiedelt.

Jetzt kommen die Studenten

„Wir werden uns in Zukunft mehr auf Bildung und Kultur konzentrieren“, sagt Scholz, der gerade von einer längeren Chinatour zurück ist, um neue Unternehmer für sein Dorf zu begeistern. Der Umweltcampus der Uni Trier liegt nur einen Steinwurf entfernt. Schon mehr als 60 Studenten aus China starteten mit Unterstützung der ICCN ein sogenanntes Freshman-Projekt. Chinesische Schüler und Studenten können nach dem Gaokao, dem chinesischen Abitur, 18 Monate lang eine Kurs zur Studienvorbereitung belegen und nach einer Prüfung in Deutschland studieren. Bereits während des Studiums sammeln die Studenten praktische Erfahrungen in regionalen Firmen.

Das ist auch für deutsche Firmen interessant. „Es gibt viele Unternehmen in der Region, die nach China möchten oder bereits im Chinabusiness sind“, sagt Scholz. Allerdings sei es sehr schwer, Mitarbeiter zu bekommen, die Deutsch, Chinesisch und Englisch sprechen und sowohl die deutsche als auch die chinesische Kultur gut genug kennen. Im August 2017 beginnt ein Soccer Camp mit chinesischen Jugendlichen. Fußball soll die Bande zwischen Deutschland und China weiter festigen.

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