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Fit für den globalen Wettbewerb

Im globalen Wettbewerb unterstreichen Unternehmen aus der EU ihre Wettbewerbsfähigkeit und stärken so den Standort.

Claas Tatje, 13.08.2012
© picture alliance/dpa

Mehr als eine halbe Billion Euro. So groß ist der Auftragsbestand derzeit in den Büchern von Europas größtem Luft- und Raumfahrtkonzern EADS. Würde ab morgen kein Auftrag mehr eingehen, hätten die Arbeiter in den Werken noch acht Jahre zu tun. Das Auftragspolster hat sich binnen fünf Jahren verdoppelt. Was für eine Erfolgsgeschichte und was für ein Widerspruch zur gefühlten Lage in Europa! Die Arbeitslosigkeit ist in den vergangenen vier Jahren um über sieben Millionen gestiegen, fast jeder zehnte Europäer ist ohne Job. Und doch hält die EU an ihrem Ziel fest, bis 2020 wieder zu den stärksten Wirtschaftsräumen der Welt zu zählen. So soll das Wirtschaftswachstum auf durchschnittlich zwei Prozent steigen, der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Unmöglich? Mag sein, dass nicht alle Unternehmen diese Krise überstehen, dass die Arbeitslosigkeit in Europa zunächst noch weiter steigt, doch mit dem richtigen Rezept kommt auch der Erfolg.

Die glänzende Auftragslage für EADS geht auch auf politische Unterstützung zurück. 144 Flugzeuge wurden im vergangenen Jahr 2011 mit Exportgarantien besichert. Die sogenannten Hermes-Deckungen schützen deutsche Unternehmen vor einem Zahlungsausfall aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen und erfolgen im Falle der Flugzeuge in Abstimmung mit französischen und britischen staatlichen Exportversicherern. In manchen Monaten hebt jedes dritte Flugzeug, das von Toulouse oder Hamburg zu den Kunden startet, mit Staatsgarantien ab. Auch die Entwicklung von Fliegern wird staatlich gefördert. Wenn der neue A350-Jet im Sommer 2012 erstmals montiert wird, ist das nur möglich, weil Deutschland und Frankreich die Entwicklung mit Milliardenkrediten unterstützt haben. Die Geschichte von Airbus ist also auch eine von erfolgreicher Standortpolitik. Heute ist Airbus und nicht der große US-Rivale Boeing Marktführer.

Fliegen Airbus-Maschinen um die Welt, dann sind im Transportraum fast täglich Pakete des Automobilzulieferers Bosch mit an Bord. 125 Jahre nach der Gründung der Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik in einem Stuttgarter Hinterhof, braucht das deutsche Familienunternehmen keinen Konkurrenten zu fürchten. 2011 erwirtschaftete das Unternehmen einen Rekordumsatz von 51,4 Milliarden Euro. Drei Viertel seines Umsatzes erzielt Bosch im Ausland, aber vier von zehn Euro der weltweiten Wertschöpfung werden auf dem Heimatmarkt erbracht. Aufsichtsratschef Franz Fehrenbach hält das bei Bosch für ein Gesetz: „Die ständige Verbesserung haben wir in den Genen.“ Da allerdings untertreibt er gewaltig. Das Unternehmen zahlt Milliarden, um erfolgreich zu bleiben.

Kaum ein Industrieunternehmen auf der Welt investiert auf den Umsatz gerechnet mehr in Forschung und Entwicklung als die Stuttgarter – zuletzt waren es mit 4,1 Milliarden Euro mehr als acht Prozent. Tag für Tag melden die Mitarbeiter im Schnitt zehn Patente weltweit an. Seit Jahren gilt der deutsche Automobilzulieferer, der 300 000 Mitarbeiter beschäftigt, als Patentweltmeister. Das Geheimnis des Erfolges liegt auch in der Konzernstruktur. Noch immer ist das Unternehmen nicht börsennotiert. Die GmbH ist zu 92 Prozent im Stiftungsbesitz. Die Macht des Konzerns wiederum wird von einer Treuhand um ehemalige und aktive Topmanager gesteuert. Sie sorgen dafür, dass Gewinne vor allem in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens investiert werden. In guten Jahren schüttet der Konzern dennoch bis zu 180 Millionen Euro aus – an seine Mitarbeiter.

Die Erfolge des schwedischen Kleidungsherstellers H & M lassen sich in jeder größeren Fußgängerzone erleben. Kaum zu glauben, dass es in Europa ein Unternehmen gibt, das die Skandinavier überflügelt. Doch dem Spanier Amancio Ortega gelang das so gut, dass er heute nicht nur der reichste Mann Spaniens ist, sondern auch der fünftreichste des Planeten – laut dem US-Wirtschaftsmagazin Forbes stand sein Vermögen 2011 bei 37,5 Milliarden Dollar. Zunächst Laufbursche für Textilverkäufer, gründete er mit knapp 40 Jahren ein Bekleidungsgeschäft, das ihn später reich machen sollte – Zara. Später formte er daraus den Konzern Inditex. Keine Modehauskette hat heute mehr Filialen auf der Welt – und täglich kommt ein neues Geschäft hinzu. 2011 waren es mehr als 5500 Läden, doppelt so viele wie die schwedische Konkurrenz.

Von Beginn an setzte Ortega darauf, Farben und Trends der großen Modeschauen zu kopieren und zu erschwinglichen Preisen in die Läden zu bringen. Noch immer sind die Näh- und Designstuben Galiciens das Herz des Konzerns. Von dort erreicht die Ware US- und China-Filialen binnen vierzig Stunden. Noch wichtiger aber ist der europäische Markt. Normalerweise warten die Hersteller Wochen auf die Einfuhr ihrer Produkte aus Indien, China oder Bangladesch. Auch Zara lässt dort produzieren.

Nach wie vor aber werden die Trends in der Heimat gesetzt – und gelangen in Windeseile in die europäischen Filialen. „Der Nachteil höherer Lohnkosten wird durch die kurzen Wege und die hohe Qualifikation der Näherinnen und Näher in Galicien mehr als wettgemacht“, urteilt die Unternehmensberatung Roland Berger. Durch konsequente Globalisierung ist der Konzern heute nur noch zu 25 Prozent auf den Heimatmarkt angewiesen. So gelang es 2011, trotz der schweren Rezession in Spanien fast zwei Milliarden Euro zu verdienen.

Claas Tatje arbeitet als Wirtschaftsjournalist unter anderem für die Wochenzeitung „Die Zeit“.