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„In Afrika ist das Glas halbvoll“

Afrika-Experte und Weltbank-Ökonom Wolfgang Fengler über den Stand der ­afrikanischen Industrialisierung.

15.01.2014
© picture-alliance/dpa - Economy

Wolfgang Fengler glaubt an Afrika. Während einige Experten in dem jüngsten Wirtschaftsaufschwung des Kontinents wenig mehr als ein weiteres Strohfeuer erkennen, glaubt der 42-jährige Afrika-Experte, der bis zur Jahresmitte die Wirtschaftsabteilung der Weltbank in Nairobi leitete, dass es Grund zur Hoffnung gibt. Ermutigt wird er vor allem von den makroökono­mischen Daten, zu denen eine rückläufige Inflation, weniger Schulden und ein im Schnitt auf 5 Prozent gestiegenes Wirtschaftswachstum zählen – Dinge, die vor 20 Jahren noch unmöglich schienen, wie er sagt.

Auch das starke Wachstum der Bevölkerung in Afrika sieht Fengler bei allem sozialen Zündstoff insgesamt positiv. Statistiken der Vereinten Nationen zufolge hat Afrika den höchsten Zuwachs an Menschen unter allen Kontinenten und dürfte schon 2030 für rund 40 Prozent des weltweiten Bevölkerungswachs­tums verantwortlich sein. Fengler begründet seine Zuversicht damit, dass sich das derzeit noch sehr hohe Bevölkerungswachstum von jetzt 1,1 auf 2,2 Milliarden Afrikaner im Jahr 2050 mit der Urbanisierung abschwächen dürfte und sich die meisten Afrikaner dann für einen längeren Zeitraum im arbeitsfähigen Alter befänden.

Vor allem aber glaubt er, dass das Bruttoinlandsprodukt in vielen Staaten des Kontinents bis 2025 auf mehr als 1000 Dollar pro Kopf steigen und diese damit per Definition zu Ländern mittleren Einkommens würden. Allerdings warnt selbst Fengler vor den damit womöglich verbundenen Problemen. So bestehe die Gefahr, dass Afrika zu teuer produziere, um als Billigland attraktiv zu sein, und gleichzeitig weniger innovativ als seine Konkurrenz wie etwa Indonesien sei.

In Ostafrika hält Fengler den Aufbau einer Leichtindustrie und eines größeren Dienst­leistungssektors für möglich, auch wenn beide noch in den Kinderschuhen stecken. Mut macht ihm dabei das enorme Wachstum des Mobilfunks und des in Kenia so erfolgreichen M-Pesa-Systems, mit dessen Hilfe viele Kenianer heute Geld per Handy überweisen. Inzwischen ist M-Pesa bis in die entlegensten Dörfer des Landes vorgedrungen „Der soziale und wirtschaftliche Effekt ist beachtlich”, resümiert Fengler. Auch werde die Stellung von Frauen gestärkt, weil Männer nicht mehr so leicht aufs Geld zugreifen könnten.

Allerdings warnt auch Fengler vor übertriebenem Optimismus. In einem Essay führen er und sein Koautor eine Vielzahl von Gründen ins Feld, die, wie etwa die fortgesetzte Abhängigkeit vieler afrikani­scher Staaten vom Export eines einzigen Rohstoffs, gegen einen dauerhaften Erfolg des Aufschwungs sprechen. Dennoch hält er die für ein stärkeres Wirtschaftswachstum notwendigen politischen Veränderungen in Afrika für möglich – und kommt des­halb zu der Schlussfolgerung, dass das Glas in Afrika halbvoll sei. ▪

Wolfgang Drechsler

Der Deutsche Dr. Wolfgang Fengler arbeitet seit 14 Jahren für die im US-amerikanischen Washington D.C. ansässige Weltbank. Er startete seine Karriere im Hauptsitz, wechselte dann als Senior Econocmist nach Indonesien, ging anschließend nach Afrika und ist seit August 2013 im Weltbank-Büro in Wien mit dem Balkan beschäftigt. Fengler ist Autor des ­Buchs „Realising the Kenyan Dream”, das in der Nation Media Group erschienen ist. Zu erreichen ist er zum Beispiel über seinen twitter-­Account: @wolfgangfengler.