Neue Impulse für Wirtschaft und Gesellschaft
Deutsch-Russische Gespräche Baden-Baden: Verständigung in einem zusammenwachsenden Europa.

Das Verhältnis zwischen Russland und der Europäischen Union wird derzeit durch die Ukraine-Krise auf die Probe gestellt. Doch gerade in Zeiten der Krise kann der Dialog zu einem entscheidenden Instrument werden, um neues Vertrauen wieder aufzubauen. Das hofft der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, der in Kooperation mit der Robert Bosch Stiftung und der BMW Stiftung Herbert Quandt mehr als 20 junge deutsche und russische Führungskräfte für Anfang Oktober 2014 zu den Deutsch-Russischen Gesprächen nach Baden-Baden eingeladen hat. „Deeskalation gelingt nur durch Dialog und nicht durch eine Politik geschlossener Türen“, betont Klaus Mangold, der frühere Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft.
Der Meinungsaustausch der Jungmanager findet seit 2008 in Baden-Baden statt. 2014 allerdings hatte sich der inhaltliche Schwerpunkt in Folge der Krise in der Ukraine verschoben. „Vor dem Hintergrund des schwerwiegenden Konflikts zwischen Europa und der Russischen Föderation um die Ukraine werden die Teilnehmer nicht nur Wirtschaftsfragen, sondern auch außen- und sicherheitspolitische Themen diskutieren“, sagt Michael Schaefer, Vorstandsvorsitzender der BMW Stiftung. So finden neben Unternehmensvertretern auch Hochschulvertreter, Sozialunternehmer und Journalisten den Weg in die Kurstadt. Sie sollen erörtern, wie sich die Partnerschaft zwischen Russland und der EU wieder herstellen lässt. Und sie sollen debattieren, wie sich Wirtschaft und Zivilgesellschaft auf die sich immer stärker globalisierte Welt einstellen und wie sich Unternehmen ändern müssen, um auf dem globalen Markt erfolgreich zu sein. „Entscheidend ist, dass künftige Unternehmenslenker ein Bewusstsein für die Denk- und Arbeitsweise der Gegenseite entwickeln“, sagt Klaus Mangold. Der Kontakt müsse greifbar gemacht werden, es müsse diskutiert und möglicherweise auch gestritten werden. Nur durch einen solchen Dialog könne eine Verständigung über die Wertebasis in Wirtschaft und Gesellschaft geschaffen werden.
Doch die etablierte Veranstaltung in Baden-Baden zielt nicht nur auf einen intensiven Meinungsaustausch über die politischen Beziehungen zwischen Europa und Russland, das Treffen soll den Teilnehmern auch als Forum dienen, berufliche Kontakte zu knüpfen. Die Juristin Ulrike Karbjinski beispielsweise nahm im Jahr 2010 an den Gesprächen teil und reiste in den Jahren danach immer wieder zu Alumnitreffen an. „Die Baden-Badener Gespräche sind ein sehr gutes Format, weil dort junge Führungskrafte in Kontakt kommen, die neben dem Landesverständnis auch ein Verständnis für die Wirtschaft haben“, sagt Karbjinski, die das Aufsichtsratsbüro des deutschen Energieversorgers Eon leitet und zuvor in der Konzernzentrale den Neubau von Kraftwerken in Russland betreute. „Man konnte auf den Treffen nicht nur über berufliche Probleme wie etwa rechtliche Genehmigungsprozesse, Fragen des Managements oder kulturelle Besonderheiten, sondern auch über persönliche Herausforderungen sprechen.“
Auch künftig setzen die Organisatoren darauf, dass sich die Teilnehmer der Deutsch-Russischen Gespräche neben dem Austausch wichtiger beruflicher Kontakte erfolgreich miteinander Gedanken machen, wie sich Gesellschaften entwickeln müssen, um die großen inneren und äußeren Herausforderungen zu meistern. „Erst die Auseinandersetzung mit der Sicht des jeweils anderen kann zum Umdenken und zu neuer Gemeinsamkeit führen“, sagt Michael Schaefer. Die Hoffnung, dass sie diese Erfahrungen in ihrem beruflichen und gesellschaftlichen Umfeld konkret umsetzen, verdeutlicht auch Joachim Rogall, Geschäftsführer der Robert Bosch Stiftung: „Wir wünschen uns, dass die deutsch-russischen Beziehungen durch den intensiven Austausch neue Impulse erhalten.“ ▪
Benjamin Haerdle