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Marx und die Macht des Internets

Kapitalismus damals und heute: Kultautor Dietmar Dath zeigt spannende Verbindungen von Marx zur Gegenwart.

04.05.2018
Autor Dietmar Dath setzt Marx in Bezug zur Gegenwart.
Autor Dietmar Dath setzt Marx in Bezug zur Gegenwart. © dpa

Herr Dath, warum lohnt 200 Jahre nach der Geburt von Karl Marx die Beschäftigung mit diesem Denker?
Weil alle Probleme, die er zu lösen versucht und die er zum Teil als Erster benannt hat, fortbestehen. Wir sehen zum Beispiel nach wie vor, dass Güter, die nicht von wenigen, sondern in riesigen Produktionseinheiten hergestellt werden, lediglich dem Profit Weniger dienen. Ein Beispiel ist das Internet, das ja erst durch Steuergelder ermöglicht wurde, nämlich durch staatliche Forschung, besonders des US-Militärs. Die großen Internetkonzerne wie Amazon, Google und Facebook schöpfen heute den Rahm davon ab. Marx benennt den immer noch wesentlichen Unterschied zwischen Gebrauchswert und Tauschwert: Was nützt ein Produkt denen, die es benutzen? Und auf der anderen Seite: Wer macht Geld damit?

In Ihrer Kolumne „Was sagt Karl Marx?“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kritisieren Sie „hemdsärmelige Aktualisierungsversuche“ der Marxschen Denkweise. Kann man Marx leicht missverstehen?
Marx hat nicht schwarz-weiß gedacht, sondern auch im Kapitalismus nach Dingen gesucht, die einen historischen Nutzen haben, zum Beispiel der enorme Reichtum. Diesen hat kein anderes System der Geschichte hervorgebracht. Erst der Kapitalismus hat die Menschheit so reich gemacht, dass sie frei wurde für die Frage: Wie wollen wir leben? Bei vielen linken Theorien der Gegenwart hat man das Gefühl, es geht um eine Gleichmacherei nach unten: Wir werden alle etwas ärmer und helfen uns gegenseitig. Marx aber ging es darum, wie wir aus dem erreichten Fortschritt weitere Fortschritte herausholen können. Wir dürfen nicht vergessen, dass Marx seine Ideen für eine reiche Gesellschaft formuliert hat, wie sie zu seiner Zeit in England und Deutschland bestand. Das galt nicht für Russland und also kaum für die spätere Sowjetunion, die versuchte, seine Ideen umzusetzen.

Marx hat seine Ideen für eine reiche Gesellschaft formuliert.
Autor Dietmar Dath

Wie kann Karl Marx heute neue Wege aufzeigen?
Marx hat historisch gedacht und gesehen, wie sich die moderne kapitalistische Welt gegen die feudale Adelswelt durchgesetzt hat: In den Städten war für die Bürger neuer Reichtum entstanden, den sie in politische Macht ummünzen konnten. Wir müssen uns fragen: Wo sind heute die Reichtumsquellen? Wo entstehen Dinge, die das Leben erleichtern? Das führt uns, wenn auch nicht nur, wieder zum Internet: Wie zu Marx‘ Zeiten von der Fabrik in die Politik gedacht wurde, könnte man heute noch viel stärker von den Möglichkeiten vernetzter Arbeit in die Politik denken.

Interview: Johannes Göbel

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