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„Hier muss noch mehr getan werden“

Handelskonflikt, Marktzugang: Wie reagieren deutsche Unternehmen im Großraum Shanghai auf die sich verändernden Rahmenbedingungen? Simone Pohl weiß es.

13.12.2018
Shanghai
Werbung für die erste internationale Importmesse 2018 in Shanghai © dpa

Frau Pohl, als Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Shanghai und Geschäftsführerin und Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in Shanghai vertreten Sie die Interessen von etwa 1600 deutschen Unternehmen im Großraum Shanghai. Inwieweit sind die von dem schwelenden Handelskonflikt Chinas mit den USA betroffen?

Die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China sorgen für Unsicherheit unter den Unternehmen. Mittlerweile sind etwas mehr als ein Drittel der deutschen Unternehmen in China in unterschiedlicher Form betroffen, wie unsere diesjährige jüngst veröffentlichte Geschäftsklima-Umfrage zeigt. Die einen sind direkt betroffen, weil sie zum Beispiel Rohstoffe und Bauteile beziehen, die unter die Zölle fallen, die anderen indirekt, zum Beispiel durch ihre Kundenbeziehungen.

Zu hören sind in der deutschen Unternehmerschaft zunehmend Stimmen, die sich Fragen zur Aufstellung ihrer Lieferketten stellen. Allerdings planen lediglich 14 Prozent der befragten Unternehmen eine Kapazitätsverschiebung oder den zusätzlichen Aufbau alternativer Kapazitäten in anderen Ländern, wobei neben den Auswirkungen der Handelsstreitigkeiten vor allem auch die steigenden Lohnkosten ein wesentlicher Faktor sind.

China ist das zweite Jahr in Folge Deutschlands wichtigster Handelspartner.
Simone Pohl, Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Shanghai und Geschäftsführerin und Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in Shanghai

Anfang November fand die erste internationale Importmesse in Shanghai statt, eine für China eher ungewöhnliche Veranstaltung. Wie fiel die Bilanz für die deutschen Unternehmen aus?

China ist das zweite Jahr in Folge Deutschlands wichtigster Handelspartner, und Deutschland war mit 170 Unternehmen dieses Jahr bei der China International Import Expo (CIIE) vertreten. Die Zahlen sprechen für die große Bedeutung der deutsch-chinesischen Partnerschaft.

Für die deutschen Aussteller war bei der CIIE vor allem Branding, PR und Lobbying vordergründig. Daher konnten auch die meisten der von uns befragten deutschen Unternehmen ihre gesteckten Ziele erreichen und sind mit dem Ergebnis der Messe relativ zufrieden. Die meisten befragten Aussteller ziehen auch eine Teilnahme im nächsten Jahr in Betracht. Viele hätten sich jedoch im Vorfeld transparentere Prozesse, längere Vorlaufzeiten und eine klarere Kommunikation seitens der Organisatoren gewünscht, und auch während der Messe bestanden viele Unklarheiten bezüglich der Organisation auf dem Messegelände.

Simone Pohl, Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Shanghai und Geschäftsführerin und Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in Shanghai
Simone Pohl, Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Shanghai und Geschäftsführerin und Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in Shanghai © AHK

Staats- und Parteichef Xi Jinping hat zur Eröffnung der Messe eine weitere Öffnung des chinesischen Marktes versprochen. Worauf kann die deutsche Wirtschaft hoffen?

Deutschland und China sind durch eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte verbunden. Chinas Reformen der letzten Jahre werden von den hier ansässigen Unternehmen grundsätzlich begrüßt. Rund 50 Prozent der in der Geschäftsklima-Umfrage befragten Unternehmen glauben an das Bekenntnis der chinesischen Regierung zur weiteren Marktöffnung. Im Jahr 2018 haben wir weitere Schritte gesehen, wie beispielsweise eine Revision der Negativliste, in der nicht erlaubte oder nur beschränkt erlaubte Industrien für ausländische Investitionen aufgeführt werden.

Dennoch werden die Herausforderungen, vor denen deutsche Unternehmen bei ihren Geschäften in China stehen, nicht in dem von uns erhofften Tempo bewältigt. Hier muss noch mehr getan werden, vor allem bei der Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen und auch hinsichtlich konkreter Verbesserungen im Geschäftsalltag, wie Vergabe von Lizenzen und Zertifikaten. Auch mit den Bemühungen beim Thema Rechtsstaatlichkeit sowie der Verbesserung regulatorischer Rahmenbedingungen sind rund 45 Prozent der befragten deutschen Unternehmen in China unzufrieden.

Deutsche Politiker fordern, dass ausländische Unternehmen in China ähnlich gute Bedingungen vorfinden wie chinesische Unternehmen schon heute in Deutschland. Wie weit sind wir davon noch entfernt?

Der chinesische Markt ist sehr bedeutend für die deutschen Unternehmen in China. In den allermeisten Fällen produzieren sie für den lokalen Markt, sie sind in China für China und tragen seit mehreren Jahrzehnten zum wirtschaftlichen Wachstum bei. Doch die operativen und regulatorischen Rahmenbedingungen stellen nach wie vor für die deutschen Unternehmen in China eine Herausforderung dar. Laut unserer aktuellen Geschäftsklima-Umfrage wird beispielsweise der Schutz geistigen Eigentums weiterhin als unzureichend betrachtet, Internetzugangsbeschränkungen und eine zu langsame grenzüberschreitende Internetgeschwindigkeit behindern die Geschäftsaktivitäten. Was nun noch hinzukommt, sind gedämpftere Geschäftsaussichten und zunehmender lokaler Wettbewerb. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass die Rahmenbedingungen für deutsche Unternehmen in China seitens der chinesischen Regierung weiter verbessert werden.   

Interview: Martin Orth

© www.deutschland.de