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Bei der Reform der Berufsbildung setzt China auf deutsche Expertise.

07.07.2016

Die Ansprüche internationaler Airlines an Wartung und Reparatur ihrer Triebwerke sind hoch. Das weiß auch MTU Maintenance in der chinesischen Sonderwirtschaftszone Zhuhai. Aber dafür bedarf es gut ausgebildeter Fachkräfte. Und die schult das deutsch-chinesische Joint Venture nach dem Modell der Dualen Berufsbildung in Deutschland selbst. In Zusammenarbeit mit der Berufsschule Zhuhai durchlaufen junge Chinesen eine einjährige theoretische und praktische Grundausbildung. Im Anschluss daran werden tiefergehende praktische Fähigkeiten im Unternehmen selbst vermittelt.

Die chinesischen Behörden schätzen diese Bildungsmaßnahmen nach deutschem Vorbild. Denn beim Aufstieg der „Werkbank der Welt“ zu einer innovationsgetriebenen Gesellschaft stellt der zunehmende Fachkräftemangel eine Bremse dar. Chinesischen Forschern zufolge werden in den Jahren 2009 bis 2020 voraussichtlich 9,27 Millionen Fachkräfte fehlen. Das macht ein Defizit von 0,84 Millionen pro Jahr. Gleichzeitig erhöht sich der Fachkräftebedarf auf dem Arbeitsmarkt jährlich um etwa 3 Millionen. Hochschulabsolventinnen und –Absolventen können diesen nicht decken, denn sie verfügen nicht über die praktischen Kenntnisse. Vor diesem Hintergrund hat der Staatsrat im Juni 2014 eine Reform der Berufsbildung verabschiedet. Laut diesem Beschluss soll bis 2020 ein modernes Berufsbildungssystem mit chinesischer Prägung aufgebaut werden. Die Zentralregierung unterstützt verstärkt Kooperationen mit ausländischen Berufsbildungsträgern. Auf dem Markt existieren so zahlreiche deutsch-chinesische Kooperationen in der beruflichen Bildung.

Der Theorie-Praxis-Mix der dualen Berufsausbildung nach deutscher Art soll bei der Reform des Bildungssystems als Referenzpunkt dienen. Durchschnittlich vier Tage pro Woche im Betrieb, einen Tag Berufsschule, Praxiserfahrung von Anfang an und ein Arbeitgeber, der daran interessiert ist, seinen Lehrling zu übernehmen: Einer Studie zufolge arbeitet knapp die Hälfte (44 Prozent) der deutschen Ausgebildeten später in ihrem erlernten Berufsfeld. Auch aus diesem Grund lobte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 2013 das deutsche System. Der Übergang von der Schule ins Arbeitsleben verlaufe in Deutschland „bemerkenswert reibungslos“, hieß es in der Studie „Skills beyond School“. Über 90 Prozent der 15- bis 24-Jährigen hätten 2008 nach Abschluss der Schule eine Beschäftigung gefunden oder ihre Bildungslaufbahn fortsetzen können. Ein im internationalen Vergleich hoher Prozentsatz. Deutschland hat mit 7,4 Prozent außerdem die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa, die duale Berufsbildung trägt zu dieser Erfolgsgeschichte bei.

Der Erfolg hat viele Länder auf das Modell aufmerksam gemacht. Um auf die steigenden Anfragen nach dem dualen Bildungssystem aus Deutschland reagieren zu können, wurde im September 2013 die Zentralstelle der Bundesregierung für internationale Berufsbildungskooperation (German Office for International Cooperation in Vocational Education and Training GOVET) geschaffen, die beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) angesiedelt ist. Sozialpartner und Industrie- und Handelskammern kommen auf Einladung von GOVET regelmäßig am Runden Tisch des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zusammen, um sich über die gemeinsamen Themen auszutauschen und das Vorgehen abzustimmen. „Dabei ist es nicht Ziel von GOVET, das deutsche Berufsbildungssystem in andere Kulturen und Wirtschaftsstrukturen 1:1 zu übertragen. Es muss an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden“, betont der Pressesprecher Thorsten Schlich. Die Nachfrage nach dem deutschen Vorbild bleibe aber ungebrochen. Seit dem Entstehen von GOVET klopfen immer mehr internationale Interessenten an. Auf den Internetseiten informieren sich monatlich Menschen aus über 100 Ländern. „Die Anfragen sind quantitativ konstant, nehmen jedoch qualitativ enorm zu“, so Schlich.

Ebenfalls am BIBB angesiedelt ist iMOVE, eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), die Interessenten aus aller Welt über kommerzielle Angebote in der beruflichen Aus- und Weiterbildung nach deutschem Vorbild informiert. Hier findet auch der fachliche Austausch zwischen deutschen und chinesischen Bildungsvertretern auf B2B-Ebene statt. „Deutschland ist in der privilegierten Position, von der chinesisches Seite als Kooperationspartner in der beruflichen Bildung bevorzugt zu werden“, erläutert Hans-Gerhard Reh, Verantwortlicher für die Exportberatung Asien bei iMOVE. Er erklärt das übliche Vorgehen im Fall einer Anfrage aus China: „Zunächst klären wir mit dem Interessenten den konkreten Bedarf. Dann kann das Unternehmen sein Anliegen in unsere Kooperationsbörse einstellen. Bei iMOVE sind auch mehr als 250 deutschen Bildungsanbieter in einer Anbieterdatenbank gelistet, die sich zur Einhaltung festgelegter Qualitätskriterien verpflichtet haben. Diese Form des matchmakings ermöglicht den internationalen Nachfragern nach deutschen Berufsbildungsdienstleistungen eine größtmögliche Verbreitung ihres Bedarfs im iMOVE-Netzwerk.“ Und das wird gerne genutzt, wie die knapp 70 Anfragen zu China aus dem Jahr 2015 beweisen.

iMOVE kooperiert auch eng mit der AHK Shanghai. Im Mai 2016 startete ein Jahr der vertieften Kooperation zwischen beiden Akteuren. „Ziel der Kooperation ist die verbesserte Anbahnung von Geschäftsbeziehungen zwischen deutschen Anbietern und chinesischer Nachfrage nach ‚Training Made in Germany’”, so Reh. Die AHK Shanghai koordiniert und steuert als Kompetenzzentrum für Berufliche Bildung innerhalb des Kammernetzwerkes in China einen wesentlichen Teil der Aus- und Weiterbildung nach deutschem Vorbild. Sie bietet beispielsweise eine dreijährige Ausbildung in den Bereichen Mechatronik, Industriemechanik und Werkzeugmechanik an. ▪

Petra Schönhöfer