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„Wir brauchen Top-Talente auf allen Ebenen“

Ein Interview mit Professor Jochem Heizmann, CEO der Volkswagen Group China, über Aus- und Weiterbildung sowie Personalentwicklung in China.

07.07.2016

Herr Professor Heizmann, der Volkswagen-Konzern gehört zu den erfolgreichsten Unternehmen der chinesischen Automobilindustrie. Könnten Sie vorweg ein paar Zahlen und Fakten nennen, damit sich unsere chinesischen Leser einen Eindruck von den Dimensionen machen können?

China hat eine große Bedeutung für den gesamten Volkswagen-Konzern. Als einer der ersten ausländischen Autohersteller haben wir hier bereits vor mehr als 30 Jahren Autos mit chinesischen Partnern lokal produziert. Wir sind stolz darauf, damit zu den Pionieren der modernen chinesischen Autoindustrie zu gehören. So betrachten wir China als unseren zweiten Heimatmarkt. Denn mit mehr als 3,5 Millionen Autos hat der Volkswagen Konzern im Jahr 2015 mehr Fahrzeuge an Kunden ausgeliefert als in irgendeinem anderen Einzelmarkt der Welt. Und im ersten Quartal dieses Jahres konnten wir mit 955500 Auslieferungen sogar einen Verkaufsrekord in einem ersten Quartal verzeichnen. Diese Erfolge bei den Kunden sind jedoch nur möglich durch die enge Zusammenarbeit mit unseren Joint Venture-Partnern SAIC und FAW. Mit SAIC in Shanghai fertigen wir Volkswagen- und Skoda-Modelle. Mit FAW in Changchun produzieren wir ebenso Volkswagen- wie auch Audi-Modelle. Weitere Marken werden importiert. Doch es geht nicht nur um Verkaufszahlen. Für uns steht immer der Mensch im Mittelpunkt. So wollen wir auch für die insgesamt 95000 Mitarbeiter an 20 Standorten landesweit ein Top-Arbeitgeber sein. Zudem richten wir unser Fahrzeug-Angebot ganz nach den Bedürfnissen und Wünschen unserer Kunden aus. So wollen wir uns in Zukunft durch vielfältige Neuheiten im Bereich E-Mobilität und durch die Vernetzung mit digitalen Service-Angeboten von einem reinen Automobilhersteller zu einem Mobilitätsanbieter der Zukunft wandeln. Wir sehen China dabei als Inkubator für neue Technologien und Innovationen. Die Zukunft der Mobilität zu gestalten, bedeutet von unseren Erfahrungen in China zu lernen.

Bei 95000 Mitarbeitern und immer neuen Werken spielen Qualifizierung, Bildung und Personalentwicklung für den Konzern eine zentrale Rolle. Wie gehen Sie diese Aufgabe an?

Wie bereits erwähnt: Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt – als Teil der Gesellschaft, der auch wir uns eng verbunden und verpflichtet fühlen, als Kunde und als Mitarbeiter. Das ist Basis unserer Ren Wei Ben-Strategie, die wir bereits im Jahr 2013 vorgestellt haben, es ist auch die Grundlage der neuen VW-Strategie 2025. Die Mitarbeiter sind Schlüssel und Grundlage zum Erfolg. Wir haben dabei bewährte Konzepte zur Aus- und Weiterbildung sowie Personalentwicklung von Mitarbeitern bis zum Senior Management, dem lokalen Bedarf angepasst. Dabei geht es um kompetenzorientierte Fachqualifizierung, die bei Volkswagen bereits seit 2009 stattfindet. Dafür haben wir hier in China drei Akademien für verschiedene Berufsgruppen gegründet. Die Beschaffungsakademie, die seit nunmehr fünf Jahren besteht, die Produktakademie und im vergangenen Jahr kam die Akademie für den Bereich Qualitätssicherung hinzu. Bisher haben mehr als 2500 Teilnehmer an mehr als 125 verschiedenen Trainings teilgenommen. So fördern wir gezielt lokale Talente.

Volkswagen hat als eins der ersten Unternehmen das Prinzip der Dualen Ausbildung in China eingeführt. Was zeichnet dieses deutsche Modell aus? Und welche Rolle spielt die Duale Aus- und Weiterbildung heute bei VW in China?

Das Modell der Dualen Ausbildung zeichnet sich vor allem durch drei wesentliche Merkmale aus: Es ist erstens die gemeinsam geteilte Verantwortung von Unternehmen und Schule für die Auszubildenden. Daher findet zweitens die Ausbildung anteilig direkt auch in dem Unternehmen statt und drittens sind es die Praxisorientierung sowie die Förderung von Handlungs- und Problemlösekompetenzen. Volkswagen war dabei eines der ersten Unternehmen, die das deutsche System der Dualen Ausbildung nach China gebracht haben. Innerhalb des Verbundes der Sino German Automotive Vocational Education gibt es in China insgesamt 25 Schulen, an denen mehr als 140 Lehrer seit 2011 rund 3000 Schüler unterrichtet haben. Im Jahr 2016 gibt es rund 800 Absolventen. Der Erfolg zeigt sich auch im weltweiten Verbund des Volkswagen Konzerns. Jährlich werden die besten 40 Auszubildenden ausgezeichnet. In den vergangenen Jahren waren darunter auch immer mindestens vier chinesische Absolventen.

Gibt es in diesem Zusammenhang auch einen Austausch zwischen chinesischen und deutschen Mitarbeitern?

Den Austausch, insbesondere mit den beiden Joint Ventures gibt es seit mehr als 30 Jahren und er ist Grundlage für die erfolgreiche Zusammenarbeit. Dabei beruht der Austausch auf Gegenseitigkeit, denn auch deutsche Kollegen haben ein großes Interesse, Arbeitswelt, Alltag und Kultur Chinas kennenzulernen. So gibt es Patenschaften wischen Werken und Hochschulen oder das Angebot für ein Double Master Degree der RWTH Aachen und der Tsinghua Universität in Automotive oder Industrial Engineering sowie zwischen der TU Braunschweig und der Tongji Universität in Automotive Engineering.

Neben der Dualen Ausbildung fördert Volkswagen auch Top-Talente, zum Beispiel mit Stiftungsprofessuren an der Tongji-Universität. Profitiert Volkswagen personell davon?

Volkswagen benötigt auf allen Ebenen und Fachgebieten Top-Talente. Unsere Hochschulkooperationen umfassen Lehre, Forschung und Recruiting. Gemeinsam mit der Abteilung Automotive Engineering der Tsinghua Universität zeichnen die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Audi China und der Volkswagen Group China herausragende Bachelor-Arbeit Konzepte aus. Zur weiteren Unterstützung der Karriere haben wir 2003 das China Trainee Programm eingerichtet. So gibt es zahlreiche Beispiele von Mitarbeitern, die als Trainee bei Volkswagen eingestiegen und inzwischen Senior Manager sind.

Sie selbst sind seit 2004 Gastprofessor an der Tongji-Universität. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Nicht nur ich persönlich, die Volkswagen Group China insgesamt pflegt einen engen Kontakt zu der Tongji Universität – und das auf vielen Ebenen. Mit der Institutsleitung tauschen wir uns regelmäßig aus, die Stiftungsprofessuren haben sie ja schon angesprochen. Besonders wichtig ist uns dabei, die Förderung der aufstrebenden und sehr wissbegierigen Studenten. Denn die jungen Absolventen verfügen über einen hohen Bildungsstand und eine ausgezeichnete Qualifikation. Dabei gibt es bei aller Zukunftsorientierung ein großes Kulturbewusstsein. Das schätze ich sehr. Davon können wir als Unternehmen enorm profitieren. ▪

Interview: Martin Orth